# taz.de -- Parlamentswahlen in Togo: Altes Regime sucht neue Legitimität | |
> Am Montag wählt Togo ein neues Parlament. Eine Verfassungsreform macht | |
> aus der Abstimmung einen Vorentscheid, ob der Präsident an der Macht | |
> bleibt. | |
Bild: Togos Präsident Faure Gnassingbé, hier in Berlin beim „Compact with A… | |
BERLIN taz | Es gibt nicht mehr viele Familienherrschaften in Afrika, aber | |
die Herrscherfamilie in Togo sitzt fest im Sattel. Seit fast 60 Jahren | |
regiert in der ehemaligen deutschen Kolonie in Westafrika dieselbe Familie: | |
erst Militärdiktator Gnassingbé Eyadema, der sich 1967 an die Macht | |
putschte, und [1][seit dessen Tod 2005] sein Sohn Faure Gnassingbé. Als | |
dieser sich erstmals [2][bei Präsidentschaftswahlen] im Amt bestätigen | |
ließ, gab es nach UN-Angaben bis zu 500 Tote. | |
Der heute 57-Jährige absolviert aktuell seine vierte gewählte Amtszeit. Am | |
Montag stehen Parlamentswahlen an, und sie sind unüblicherweise ein | |
Schlüsselereignis. | |
Grund ist eine neue Verfassung, die Togos Parlament am 19. April einstimmig | |
beschloss, ohne öffentliche Erörterung. Sie sieht vor, dass der | |
Staatspräsident zukünftig nicht mehr vom Volk gewählt wird, sondern vom | |
Parlament, und zwar „ohne Debatte“. Er verliert zugleich die meisten | |
Befugnisse zugunsten des Premierministers. Dieser Posten geht automatisch | |
an den Anführer der Mehrheitsfraktion im Parlament. | |
Togos Opposition wertet das als „Staatsstreich von oben“, der genauso zu | |
verurteilen sei wie [3][die Militärputsche] in Burkina Faso, Guinea, Mali, | |
Niger und Tschad. Dreizehn Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen aus | |
Togo haben den Gerichtshof der Regionalorganisation [4][Ecowas | |
(Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft)] angerufen in der Hoffnung, dass | |
die Ecowas – die auf andere Putsche mit Sanktionen reagiert hat – Togos | |
neue Verfassung für null und nichtig erklärt. | |
## Häutung vom Staats- zum Regierungschef | |
Denn mit der neuen Konstruktion könnte Faure Gnassingbé auch dann an der | |
Macht bleiben, wenn er auf eine fünfte Amtszeit als Präsident ab 2025 | |
verzichtet. Er würde stattdessen in seiner derzeitigen und wohl auch | |
zukünftigen Funktion als Vorsitzender der Regierungspartei Premierminister | |
mit allen Vollmachten. | |
Ob das so kommt, hängt nun also von den Parlamentswahlen ab. Entsprechend | |
aufgeladen ist die Stimmung. Die letzte Parlamentswahl 2018 hatte ein | |
Großteil der Opposition boykottiert. Diesmal aber hat sie zur | |
Wählerregistrierung und Wahlbeteiligung aufgerufen. Die Zahl der | |
registrierten Wählerinnen und Wähler in dem Land mit rund 9 Millionen | |
Einwohnern ist von 3,1 Millionen im Jahr 2018 auf 4,2 Millionen heute | |
gestiegen. | |
Die Regierung hat zugleich die eigentlich 2023 fällige Wahl immer wieder | |
verschoben – erst auf „das erste Vierteljahr 2024“, dann auf den 12. Apri… | |
den 20. April und schließlich auf den 29. April. Oppositionsproteste werden | |
regelmäßig verboten. Ein 2020 im Rahmen der Covid-19-Bekämpfung verhängtes | |
komplettes Versammlungsverbot wird bis heute immer wieder angewandt und | |
behindert auch den Wahlkampf insbesondere in der Hauptstadt Lomé, Hochburg | |
der Opposition. | |
Die Regierung hat außerdem unabhängige Wahlbeobachtung durch die | |
katholische Kirche untersagt und sämtliche Akkreditierungen ausländischer | |
Journalisten für die Wahl annulliert. Am 16. April wurde der drei Tage | |
zuvor für die Wahl eingereiste französische Journalist Thomas Dietrich | |
ausgewiesen; zuvor war er festgenommen, verprügelt, zu einer Geld- und | |
einer Haftstrafe auf Bewährung mit gleichzeitigem Aufenthaltsverbot | |
verurteilt worden. | |
## Deutschland setzt auf Togos Stabilität | |
Togo gehört zusammen mit den Nachbarn Benin und Ghana sowie der | |
Elfenbeinküste eigentlich zu der Gruppe westafrikanischer Küstenstaaten, | |
auf deren Stabilität Europa setzt, um der Ausbreitung des dschihadistischen | |
Terrors aus der Sahelzone Einhalt zu gebieten – im Norden Togos an der | |
Grenze zu Burkina Faso herrscht bereits Ausnahmezustand, Terrorangriffe | |
forderten dort 2023 rund 30 Tote. | |
Deutschland kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. Die Zeit, als [5][Bayerns | |
CSU-Ministerpräsident Franz-Josef Strauß] kumpelhaft mit Togos Diktator | |
Eyadema Freundschaft zelebrierte – etwa mit dem legendären Trinkspruch „Wir | |
Schwarze müssen zusammenhalten“ bei der 100-Jahres-Feier der deutschen | |
Besatzung Togos 1984 – ist zwar längst vorbei. | |
Doch Deutschland ist nach eigenen Angaben noch heute Togos größter | |
bilateraler Geldgeber. Im Juni 2023 besuchte Entwicklungsstaatssekretärin | |
Bärbel Kofler das Land eine Woche lang und [6][erklärte]: „Togo braucht | |
unsere Unterstützung.“ | |
29 Apr 2024 | |
## LINKS | |
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[6] https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/parlamentarische-staatss… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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