# taz.de -- Präsidentenwahl im Tschad: Die Klaviatur der Macht | |
> Tschads Präsident Mahamat Déby will sich an diesem Montag an der Wahlurne | |
> bestätigen lassen. Der Premier Succès Masra will dies vereiteln. | |
Bild: Wird er auch nach den Präsidentschaftswahlen noch im Amt sein? Ein Wahlp… | |
BERLIN taz | Tschads Präsident Mahamat Déby lässt nichts anbrennen, wenn er | |
sich an diesem Montag erstmals zur Wahl stellt. Der 40-Jährige verdankt | |
sein Amt bisher nur seinem Vater [1][Idriss Déby], der 1990 als | |
Rebellenführer die Macht ergriff und im April 2021 unter ungeklärten | |
Umständen bei der Abwehr von Rebellen getötet wurde. Tschads Generäle | |
hievten damals prompt [2][den Sohn an die Staatsspitze], um den Laden | |
zusammenzuhalten. | |
Vater Idriss Déby war ein Meister der Machtdemonstration, mit Gewalt, aber | |
auch mit geschliffenem Auftreten. Sohn Mahamat Déby muss erst noch | |
beweisen, dass er die gesamte und nicht nur die brachiale Klaviatur der | |
Macht beherrscht. | |
Vorgesorgt hat er. Die alte Garde von Oppositionspolitikern ist heute | |
entweder tot oder mundtot. Die junge Generation ist gespalten zwischen | |
radikaler Ablehnung des Systems und der Versuchung, die Ansage einer | |
demokratischen Wahl beim Wort zu nehmen. | |
Der einst radikalste Oppositionsführer, Succès Masra, auf dessen Aufruf zu | |
[3][Massenprotesten am 20. Oktober 2022] das Regime mit Massakern an 300 | |
Demonstranten antwortete, wechselte vergangenes Jahr als Premierminister in | |
Tschads Regierung. Er löste in diesem Amt einen anderen ehemaligen | |
Oppositionsführer ab, [4][Saleh Kebzabo], der 2022 Premierminister geworden | |
war und inzwischen in der politischen Versenkung verschwunden ist. Masra | |
sieht das Amt eher als Sprungbrett: Er fordert jetzt Präsident Déby an der | |
Wahlurne heraus. Vermutlich hält er sich für den Gerisseneren unter zwei | |
40-Jährigen. | |
## Hoffen auf ein Wunder | |
In Tschads südlichen Savannen, deren Bevölkerung sich in den wechselnden | |
Militärdiktatoren aus dem Norden nie wiedererkannt hat, rechnet Masra mit | |
starkem Zulauf. Seine Wahlkundgebung in Moundou, der größten | |
südtschadischen Stadt, am 28. April war deutlich besser besucht als die von | |
Präsident Déby zwei Wochen zuvor, und er ist ein deutlich besserer Redner. | |
Tschad müsse endlich „auf zwei Beinen“ stehen, sagt Masra, nicht nur | |
militärisch und sicherheitsorientiert, sondern auch zivil und | |
entwicklungsorientiert. | |
Doch Tschads Demokratiebewegung, zusammengeschlossen im Bündnis Wakit | |
Tamma, ruft zum Boykott einer Wahl auf, die sie als „Maskerade mit vorher | |
feststehendem Ergebnis“ bezeichnet. Masra gilt vielen seiner einstigen | |
Mitstreiter durch seinen Eintritt in die Regierung als Verräter. Dass er | |
versprochen hat, im Falle seines Sieges Déby einen „Platz an meiner Seite“ | |
einzuräumen, bestätigt ihnen diese Befürchtungen. Aber seine Anhänger | |
hoffen auf ein Wunder [5][ähnlich wie in Senegal], wo die radikale | |
Opposition in diesem Jahr die Wahlen gewann. | |
Nur ist Senegal die älteste Demokratie der Region und Tschad die stabilste | |
Militärdiktatur. Geopolitisch hält das Land eine Schlüsselfunktion, umgeben | |
von den Bürgerkriegsländern Libyen, Niger, Sudan und Zentralafrikanische | |
Republik. Von Tschad aus fliegt Frankreich seine Militäreinsätze in der | |
Sahelregion; nach den Militärputschen in Mali, Burkina Faso und Niger und | |
dem Machtwechsel in Senegal ist Tschad der letzte verlässliche Verbündete | |
für Paris. | |
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kam 2021 extra zu Idriss Débys | |
Beerdigung und Mahamat Débys Inthronisierung und hat Tschad die | |
fortdauernde Unterstützung zugesichert. „Tschad ist eines der letzten | |
brutalen Regime, mit denen Frankreich eine starke Militärpartnerschaft | |
aufrechterhält – zweifellos das letzte, mit dem Paris den alten | |
postkolonialen Regimeschutzvertrag behalten hat“, analysiert Elie Tenenbaum | |
vom französischen Sicherheitsinstitut IFRI. | |
## Die Krise im Sudan ist für Tschad gefährlich | |
Im Januar hatte Mahamat Déby aber Moskau besucht und damit Gerüchten | |
Nahrung gegeben, er plane den Bruch mit Frankreich zugunsten einer Allianz | |
mit Russland, wie andere Sahelstaaten auch. Beobachter werten dies eher als | |
Pokern. Doch wie lange Tschad angesichts des Krieges in Sudan stabil | |
bleibt, ist fraglich. | |
„Für Tschad ist die Krise in Sudan sehr gefährlich, weil Déby mit dem Feuer | |
spielt“, [6][analysiert Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung], der | |
in den letzten Wochen Tschad bereist hat: Déby werde finanziell von den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt, die über Tschad Waffen an die | |
aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) in Sudan schleust, und nehme | |
zugleich Hunderttausende Flüchtlinge auf, die vor der RSF aus Sudans | |
Westregion Darfur geflohen sind. | |
Am Sonntag hat nun die Wahl mit der Stimmabgabe der Angehörigen des | |
Militärs begonnen. Laut [7][Berichten] stimmen sie ohne Wahlkabine ab, | |
beäugt von ihren Kameraden. Ein Soldat, der eine Stimme für Succès Masra in | |
die Urne warf, wurde bereits festgenommen. | |
6 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Tod-von-Tschads-Praesidenten/!5768044 | |
[2] /Konfliktforscherin-ueber-Tschad/!5762495 | |
[3] /Proteste-in-Tschad/!5887070 | |
[4] /Oppositioneller-ueber-den-Tschad/!5490829 | |
[5] /Machtwechsel-nach-Wahl-in-Senegal/!5997744 | |
[6] https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/tschad-waehlt | |
[7] https://twitter.com/TchadOne/status/1787064473217351894 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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