| # taz.de -- Proteste in Tschad: Das Volk gegen tatenlose Machthaber | |
| > Die Regierung in Tschad hat Proteste blutig niedergeschlagen. Es ist ein | |
| > Beispiel für das, was immer mehr Länder in Afrika derzeit erleben. | |
| Bild: Regierungskritischer Demonstrant vor einer brennenden Barrikade in N'Djam… | |
| Ouagadougou taz | Das Entsetzen ist Cryspin Masneang Laoundiki noch Tage | |
| später anzumerken. Der 29-jährige Tschader lebt in Burkina Fasos Hauptstadt | |
| Ouagadougou und verweist darauf, was sich gerade in seinem Heimatland | |
| abspielt. Spätestens seit Donnerstag steht er dort im ständigen Kontakt mit | |
| Familie und Freunden. | |
| Tschads Zivilgesellschaft hat [1][am 20. Oktober die schlimmste | |
| Niederschlagung von Protesten erlebt]. Schon von offizieller Seite wird von | |
| 30 Toten nur in der Hauptstadt N’Djamena gesprochen. In der zweitgrößten | |
| Stadt Moundou waren es je nach Angaben 23 bis 32. Laut Saleh Kebzabo, dem | |
| neuen Premier und langjährigen Oppositionsführer, wurden mehr als 300 | |
| Menschen verletzt. | |
| „Jeder kennt jemanden, der betroffen ist. Das war ein schwarzer | |
| Donnerstag“, sagt Masneang Laoundiki. Es ist möglich, dass die | |
| tatsächlichen Zahlen noch höher als die offiziellen liegen. Derzeit ist es | |
| zwar ruhig. Eine Ausgangssperre ab 18 Uhr soll die Situation befrieden. | |
| „Doch wir sind in großer Sorge. Wir leben mit der Angst im Bauch.“ | |
| In Tschad passiert das, was zunehmend Länder in [2][West-] und | |
| [3][Zentralafrika] erleben: Das Volk akzeptiert autokratische und tatenlose | |
| Machthaber nicht mehr. Drei Wochen zuvor hatten auch in Burkina Faso Teile | |
| des Militärs Paul-Henri Damiba gestürzt. Das führte dort dann schon zum | |
| zweiten Putsch in diesem Jahr. | |
| ## Verschleppt und gefoltert | |
| Tschads Bevölkerung will nicht mehr hinnehmen, dass nach dem Tod von | |
| [4][Langzeitherrscher Idriss Deby] – er starb im April 2021 angeblich in | |
| einem Kampf, aber unter mysteriösen Umständen – sich sein Sohn Mahamat an | |
| der Macht hält und der Übergangsrat nicht wie versprochen nach 18 Monaten | |
| Wahlen abhält. Gegen die fortgesetzte Militärherrschaft richten sich die | |
| Proteste. | |
| Die Familie Deby hat viel zu verlieren, regiert sie doch seit 1990. Die | |
| nichtstaatliche Organisation Freedom House bewertet das Land (16,4 | |
| Millionen Einwohner*innen) als „nicht frei“. Vor allem politische Rechte | |
| werden völlig missachtet. Hinzu komme die Brutalität des Militärs. | |
| Besonders eine Nachricht macht Masneang Laoundiki zu schaffen, die ihm ein | |
| Freund geschickt hat und in der es heißt: „Morgens um zwei sind Soldaten | |
| gekommen und haben uns gezwungen, die Tür zu öffnen. Drei Cousins haben sie | |
| verschleppt. Einer wurde gefoltert.“ | |
| Angebahnt hatte sich die Situation bereits Anfang Oktober mit [5][Abschluss | |
| des nationalen Dialogs]. Ein Dreivierteljahr zuvor hatte auch Malis | |
| Militärherrscher Assimi Goïta einen solchen initiiert. | |
| Durch Vertreter*innen von Zivilgesellschaft, Politik und | |
| Glaubensgemeinschaften sollten dessen Ergebnisse den Anschein | |
| demokratischer Legitimation bekommen, obwohl die Teilnehmer*innen nicht | |
| gewählt wurden. In Tschad hatten sich etwa die katholische Kirche und die | |
| Rebellengruppe Fact – sie ist für Idriss Debys Tod verantwortlich – | |
| zurückgezogen. Die ernüchternden Ergebnisse bahnten sich an: eine | |
| Verlängerung der Übergangszeit um zwei Jahre sowie das Okay, dass Mahamat | |
| Deby bei der nächsten Präsidentschaftswahl kandidieren kann. | |
| Als bedenklich gilt aber auch die „Kehrtwende“ von Saleh Kebzabo, der lange | |
| als Oppositionsführer Hoffnung auf den Wandel verbreitet hat. Gerade eine | |
| Woche im Amt habe er das Verhalten der Armee gerechtfertigt, ärgert sich | |
| Cryspin Masneang Laoundiki. | |
| Die frühere Kolonialmacht Frankreich, die in West- und Zentralafrika | |
| derzeit scharf kritisiert wird, beeilte sich, die Ereignisse als interne | |
| Angelegenheit zu bezeichnen, mit der man nichts zu tun habe. Gleichwohl | |
| nahm Präsident Emmanuel Macron letztes Jahr an der Amtseinführung von | |
| Mahamat Deby teil, wie auch an der Beerdigung von Vater Idriss. Der hatte | |
| sich gegenüber Europa gern als einziger verlässlicher Partner im Kampf | |
| gegen Terrorismus und Migration präsentiert. | |
| 25 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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