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# taz.de -- Osman und die Erziehung: Das undankbare Kind
> Eigentlich wollte Osman seine Tochter Hatice ja nur von der Schule
> abholen. Aber das ist komplizierter als gedacht.
Bild: Was muss ich Hatice noch alles geben, damit sie nichts ausplappert? (Symb…
Mit unserem Ford-Transit hole ich [1][meine kleine Tochter Hatice] von der
Schule ab und schlage ihr vor, dass wir sofort nach Hause fahren, damit sie
ihre Hausaufgaben machen kann. Sie ihrerseits schlägt vor, zuerst in ein
Café zu fahren, um Kakao zu trinken.
Schließlich einigen wir uns auf einen fairen Kompromiss: dass wir zuerst
ins Café gehen, um Kakao zu trinken, und dann nach Hause fahren.
Auf dem Weg dahin sehen wir eine junge Frau, die sich mit ihren Koffern
Richtung Bahnhof abrackert.
„Papa, hilf ihr doch!“, ruft Hatice.
Meine Tochter hat völlig recht.
Einem Notdürftigen die Hilfe zu verweigern, wäre nicht sehr vorbildlich dem
eigenen Kind gegenüber.
Also halte ich an, rufe: „Ich fahre Sie zum Bahnhof, gnädige Frau“, und
schnappe mir ihre beiden schweren Koffer, um sie in unseren Ford-Transit zu
bugsieren. Zuerst wehrt sich die Dame wie der Teufel, mir ihre Koffer zu
überlassen. Aber als sie Hatice sieht, schöpft sie doch noch Vertrauen –
sie kennt Hatice nicht – und lässt sich erschöpft auf den Beifahrersitz
fallen.
[2][Am Hauptbahnhof] trage ich die Koffer der jungen Frau bis zu den
Gleisen und sie küsst mich zum Dank laut schmatzend auf den Mund.
„Na, Papa, gehen wir jetzt nach dem Café auch noch zum Spielzeugladen?“,
fragt die kleine Erpresserin Hatice mit hinterhältig funkelnden Augen.
„Also gut, du darfst dir ein kleines Spielzeug aussuchen – aber kein Wort
zu Mama“, gebe ich zähneknirschend nach.
Hatice nutzt natürlich völlig unverschämt die Gunst der Stunde und kauft
das größte Barbie-Puppenhaus, das sie im Laden finden kann. Dieses sündhaft
teure Puppenhaus packt sie dann auf ein Elektrofahrrad und fährt damit
grinsend aus dem Laden.
Zu Hause läuft das Kind sofort zu seiner Mutter und brüllt: „Mama, Mama,
Papa hat am Bahnhof eine hübsche, junge Frau ganz doll auf den Mund
geküsst!“
„Wie bitte? Dein Vater hat eine Frau geküsst?“, fragt Eminanim ungläubig.
„Osman, mich küsst du nie!“
„Papa hat ihr auch noch die Autotür aufgemacht“, setzt Hatice noch einen
drauf.
„Mir hast du noch nie die Autotür aufgemacht!“, zischt meine Frau.
„Papa hat ihr auch die Koffer bis zum Zug getragen und sie gefragt, wie
viele Sterne ihr Hotel hat und ob die schön glänzen“, gießt das undankbare
Kind noch mehr Öl ins Feuer.
„Ich zeig dir [3][gleich glänzende Sterne]“, schimpft Eminanim und schlägt
mir auf den Hinterkopf.
„Hatice, habe ich dir all die teuren Spielzeuge deshalb gekauft, damit du
alles sofort verpetzt?“, platzt es aus mir heraus, noch etwas verwirrt
durch die harten Schläge auf den Hinterkopf.
„Du hast ihr also die Spielzeuge nur gekauft, damit sie mir nichts verrät,
du Schuft?“, knallt sie mir noch eine auf den Hinterkopf. „Osman, kennst du
denn überhaupt keine Moral mehr?“
„Doch, kenn ich! Sonst hätte ich die Hatice schon längst an einer
Autobahnraststätte ausgesetzt!“
28 Apr 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Osman Engin
## TAGS
Kolumne Alles getürkt
Erziehung
Kinder
Spielzeug
Erpressung
Satire
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Schwerpunkt Rassismus
Bremen
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