| # taz.de -- Unterwegs im Leipziger Auwald: Für ein Pesto mit Waldgeschmack | |
| > Der Leipziger Auwald bietet viel Bärlauch. Weil den manche massenhaft aus | |
| > dem Wald holen, ist dort die Bärlauchstreife unterwegs. | |
| Bild: Aus dem Wald in den Korb, aber bitte nur eine Handvoll | |
| Leipzig taz | Die weiß blühende Landschaft zwischen den Bäumen hier im | |
| Leipziger Auwald scheint kein Ende zu nehmen. Durch die Baumkronen strahlt | |
| die Sonne und wirft eine fröhliche Mischung aus Licht und Schatten auf den | |
| Waldboden. Ein kleines Rotkehlchen hüpft einen Weg entlang, seine | |
| Artgenoss*innen zwitschern unsichtbar aus allen Himmelsrichtungen. | |
| Je tiefer man in den Wald vordringt, desto intensiver wird der Duft der | |
| Pflanzen. Es ist der unverwechselbare Geruch von Bärlauch, der gerade seine | |
| Blütesaison erlebt. Bis auf ein paar vereinzelte kahle Stellen am Boden und | |
| den Wegen, auf denen Jogger*innen und Fahrradfahrer*innen unterwegs | |
| waren, ziehen sich die Bärlauchfelder tief in den Wald, so weit das Auge | |
| reicht. | |
| Die Bärlauchsaison beginnt je nach Region Mitte März und endet Anfang Mai. | |
| Im Laufe des Aprils fängt die Pflanze an zu blühen, wie auch gerade im | |
| Leipziger Auwald. Mit der Blüte verlieren die Blätter langsam an Intensität | |
| ihres Geschmacks. | |
| ## Auf Suche nach Bärlauchbanditen | |
| Der Leipziger Auwald ist mit einer Fläche von 5.900 Hektar eines der | |
| größten Auenwaldgebiete in Mitteleuropa. Durch den Wald ziehen sich das | |
| Elsterflutbett, die Pleiße und die Luppe. Teilweise sind Menschen mit | |
| Kajaks auf den Flüssen unterwegs. Wunderschöne, nahezu unberührte Natur | |
| mitten in der Stadt – pure Erholung für die Leipziger Bürger*innen. | |
| Für die Leipziger Polizei wird der Auwald allerdings mit der Bärlauchsaison | |
| zu einem Ort des Verbrechens – weil der Auwald halt auch eine Schatzgrube | |
| ist. Vor allem in den Monaten Februar und März treiben Bärlauchdiebe ihr | |
| Unwesen. Säckeweise, ja sogar tonnenweise stehlen sie die Bärlauchknollen | |
| mit den Blättern aus dem Wald. Die Knollen auszugraben ist verboten, da | |
| dabei geschützte Pflanzen beschädigt werden können. Dies gilt als | |
| Umweltstraftat. Erlaubt sind offiziell eine Handvoll Blätter, die man mit | |
| nach Hause nehmen darf. Und in den Naturschutzgebieten – die es auch im | |
| Auwald gibt – darf nichts gepflückt werden. | |
| Die Diebstähle gehen weit über die Handstraußregel hinaus. Im vergangenen | |
| Jahr wurde eine knappe Tonne, die illegal gesammelt wurde, von der | |
| Leipziger Polizei sichergestellt. | |
| Bärlauchdiebstähle im großen Stil kommen auch anderswo in Deutschland vor. | |
| In Leipzig aber waren sie so extrem, dass die Polizei eine eigene | |
| Fahrradstreife ins Leben rief, um die Bärlauchbanditen aufzuspüren. Auch in | |
| diesem Jahr wurde der Wald stellenweise kahlgeerntet. Die Bußgelder reichen | |
| von 25 bis 2.500 Euro. In besonders schweren Fällen kann der Bärlauchklau | |
| aber auch bis zu 10.000 Euro kosten. Die Täter sind häufig russischstämmig. | |
| Das Motiv: In Russland gilt die Bärlauchknolle wohl als Delikatesse. | |
| Derzeit ist die Bärlauchstreife nach Angaben der Leipziger Polizei aber | |
| nicht mehr so intensiv unterwegs. Die großen Diebstähle finden statt, bevor | |
| der Bärlauch blüht und sein Geschmack nachlässt. | |
| ## Teure Bioware aus dem Supermarkt | |
| Auf einem etwas breiteren Weg im Auenwald ist eine Rollstuhlfahrerin | |
| unterwegs. Sie sieht zum Wegesrand und spricht mit ihrem mutmaßlichen | |
| Ehemann, der sich mit einer Papiertüte in der Hand nach unten beugt. Er | |
| trägt eine schwarze Baskenmütze, dunkle Sonnenbrille und einen weißen | |
| Vollbart. Sehen so etwa echte Bärlauchdiebe aus? | |
| Fehlanzeige: Die beiden sind zum Brennnesselsammeln in den Wald gekommen. | |
| Im April der perfekte Zeitpunkt, um besonders frische Blätter zu ergattern. | |
| Wie Bärlauch dürfen die in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf | |
| mitgenommen werden. | |
| Nur einige Meter vom Auwald entfernt in der Leipziger Südstadt steht eine | |
| Lidl-Filiale. Mit einer – natürlich – legal gepflückten Menge an Bärlauch | |
| in meinem Rucksack begebe mich dort in die Obst- und Gemüseabteilung. In | |
| einem kleinen, in Plastik verpackten Karton liegen ein paar hübsch | |
| ausgewählte Bärlauchblätter. „100 Gramm Bio-Bärlauch aus Deutschland“ s… | |
| auf der Verpackung. 1,99 Euro kosten die Blättchen. Eine Menge, die | |
| vielleicht gerade für [1][eine halbe Portion Pesto] reicht. Kichernd gehe | |
| ich an dem Plastikgemüse vorbei zur Kasse und kaufe mir lediglich eine | |
| Flasche Wasser. | |
| Zu Hause angekommen, schmeiße ich den Mixer an. Aber zuerst wasche ich den | |
| Bärlauch mit heißem Wasser. 60 Grad sollte es haben, um dem möglichen | |
| Fuchsbandwurm zu entkommen. Ein paar Pinienkerne werden angebraten, meine | |
| halb ausgetrocknete Basilikumpflanze geerntet, das überteuerte Olivenöl | |
| geopfert und gemeinsam mit dem Bärlauch in den Mixer gekippt. | |
| Die ganze Küche riecht jetzt nach Bärlauch – was gibt es Schöneres! Quasi | |
| ein bisschen Auwald im eigenen Zuhause. | |
| 20 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johanna Pichler | |
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