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# taz.de -- Vietnamesische Pagode in Berlin-Spandau: Totenkult unter den Augen …
> Ihre antikommunistische Ausrichtung hat die vietnamesische Pagode in
> Berlin hinter sich gelassen. Eine Ortsbegehung auf den Spuren der Ahnen.
Bild: In Berlin gibt es eine vietnamesische Pagode in Berlin-Spandau (und eine …
Berlin taz | Tritt man in den Garten, mitten in einem Gewerbegebiet in
Berlin-Spandau gelegen, ist man in leise Meditationsmusik gehüllt. Man
blickt direkt auf eine sieben Meter hohe Buddhafigur. Willkommen in der
Linh-Thuu-Pagode, einer der größten [1][buddhistischen Pagoden] in
Deutschland.
Gebaut haben die Pagode und den Garten vietnamesische Bootsflüchtlinge nach
der Jahrtausendwende. „Die Gemeinde gibt es aber bereits seit den 1980er
Jahren“, sagt So Cue Diem, eine Personalentwicklerin aus Prenzlauer Berg,
die hier Pressesprecherin ist. Man hätte sich zuvor in einem ganz normalen
Wohnhaus getroffen, das im Innern an eine Pagode erinnerte. Doch das wurde
zu klein, insbesondere nach der Maueröffnung, als auch Vietnamesen aus dem
Ostteil der Stadt eine religiöse Gemeinschaft suchten. Gebaut wurden Pagode
und Garten aus Spendenmitteln in mehreren Schritten.
Andreas Burasch harkt gerade den Rasen. Der Spandauer Rentner ist mit einer
Vietnamesin verheiratet und hat über sie zum buddhistischen Glauben
gefunden. Er gehört zu den aktiven Gemeindemitgliedern. „Ich kümmere mich
um den Garten und übernehme auch Reparaturarbeiten im Haus, wenn etwas
anfällt“, sagt er. „Da habe ich als Rentner eine Aufgabe.“
Betritt man die Pagode selbst, muss man die Schuhe ausziehen. Der Fußboden
ist aus vietnamesischem Marmor, mit prächtigen Teppichen belegt. Der Weg
führt direkt in die Gebetshalle mit weiteren riesigen Buddhafiguren. Auch
hier erklingt sanfte Meditationsmusik. Wenn an Sonntagen die Gemeinde zu
religiösen Zeremonien zusammenkommt, die mit einem Gottesdienst
vergleichbar sind, sind zwischen 60 und 200 Gästen in der Halle.
## Buddhas Geburtstag
An besonderen Höhepunkten wie dem vietnamesischen Neujahrsfest und Buddhas
Geburtstag sind es fast 1.000, sagt Andreas Burasch. „Da kann man kaum noch
treten.“ Nach der religiösen Zeremonie sitze die Gemeinde noch zu einer
gemeinsamen Mahlzeit zusammen. „Das Essen ist vegetarisch und wird in der
Pagode gekocht.“ Was nicht heißt, dass sich Buddhisten ausschließlich
vegetarisch ernähren. Aber in der Pagode selbst ist das Pflicht.
An diesem Samstag kommen nur einzelne Buddhisten. Sie verneigen sich vor
den Buddhafiguren, entzünden ein Räucherstäbchen auf dem Altar und ziehen
sich anschließend in eine Ecke zur spirituellen Ruhe zurück. Auch Touristen
schauen vorbei, sie sind willkommen.
Die Pagode ist ein Nonnenkloster und wird fast ausschließlich über Spenden
finanziert. Die fließen reichlich, die Gemeinde freut sich auch über
Spenden von Touristen, die diskret übergeben oder in die Spendenboxen
eingeworfen werden sollten.
Das Mutterhaus, auch Patriarchenpagode genannt, steht in Hannover und ist
die älteste vietnamesisch-buddhistische Pagode in Deutschland. Es steht der
Kongregation der Vereinigten vietnamesisch-buddhistischen Kirche vor, die
in Vietnam nicht anerkannt ist. Sie ist eine reine Exilgründung und legt
Wert auf Unabhängigkeit von der Regierung in Hanoi. Zu ihr gehören
vietnamesische Pagoden in Hamburg, Rostock, Varel, Oberhausen,
Schmiedeberg, Ravensburg und Tübingen.
## Von der antikommunistischen Ausrichtung verabschiedet
Seit 2006 gründete auch der in Vietnam zugelassene Buddhisten-Verband
Sangha mit aktiver Unterstützung der Regierung in Hanoi Niederlassungen im
Ausland, darunter zahlreiche in Deutschland, [2][vor allem in den östlichen
Bundesländern]. Bootsflüchtlinge vermuten, dass es dort nicht nur um
religiöse Angebote geht, sondern zum Teil auch um geheimdienstliche
Spionage unter Auslandsvietnamesen. In einem Fall hatte eine im Aufbau
befindliche Pagode sogar mit Besuchen hochrangiger Offiziere des
Sicherheitsministeriums geworben.
Die Linh-Thuu-Pagode in Spandau hat sich von ihrer scharfen
antikommunistischen Ausrichtung verabschiedet und hin zur politischen
Neutralität entwickelt. Sie hat die Fahne der 1975 untergegangenen Saigoner
Republik abgehängt, die für Bootsflüchtlinge zwar ein Stück Identität
bedeutet, vielen Vietnamesen aus dem Ostteil der Stadt, die der Regierung
in Hanoi positiv bis neutral gegenüberstehen, aber ein Dorn im Auge war,
und sich damit für diese geöffnet.
Über den prächtig geschnitzten Holzaltar mit Obstschalen und den
Behältnissen für den Totenkult haben Berliner Vietnamesen Fotos ihrer
verstorbenen Ahnen gehängt und somit den hier lebenden Nonnen den unter
Vietnamesen wichtigen Totenkult für ihre Vorfahren anvertraut. Dass man auf
den Fotos Männer mit Militäruniformen beider Seiten der Front im
Vietnamkrieg, also Nord- und Südvietnamesen, sehen kann, ist eine kleine
Sensation.
„Für die älteren Gemeindemitglieder war diese Öffnung nicht leicht“, sagt
So Cuo Diem. „Aber unsere Pagode will den Seelen aller Verstorbenen in der
einst geteilten Stadt Berlin einen Ort der Ruhe bieten.“
5 May 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Pagode
[2] /Pagode-steht-wieder-zur-Debatte/!5987010
## AUTOREN
Marina Mai
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