| # taz.de -- Polizeistatistik für das Jahr 2023: Kampf um die Kriminalitätszah… | |
| > Innenministerin Faeser präsentiert die neue Kriminalstatistik. Die Zahl | |
| > der Gewalttaten steigt. Die Gründe sind vielfältig. | |
| Bild: Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen | |
| Die polizeiliche Kriminalstatistik ist so hoch wie lange nicht. Wie sehen | |
| die Zahlen aus? | |
| Tatsächlich bedeuten die von der Polizei im Bund und den Ländern | |
| festgestellten 5.940.667 Straftaten für das Jahr 2023 [1][einen Anstieg um | |
| 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr] – den höchsten Wert seit 2017. | |
| BKA-Präsident Holger Münch und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) | |
| stellten die Zahlen am Dienstag vor. Erfasst wurden 2.246.767 | |
| Tatverdächtige, auch das ein Plus von 7,3 Prozent. 41 Prozent von ihnen | |
| waren „Nichtdeutsche“. Innerhalb dieser Gruppe stieg die | |
| Tatverdächtigenzahl damit um 17,8 Prozent. Auch die Zahl tatverdächtiger | |
| Kinder wuchs um 12 Prozent, die der Jugendlichen um 9,5 Prozent – auch | |
| hierunter sind diejenigen ohne deutschen Pass stark vertreten. | |
| Vor allem die Gewaltkriminalität nahm zu: um 8,6 Prozent auf 214.099 Fälle | |
| – dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Raubdelikte stiegen um 17,4 Prozent, | |
| Diebstähle um 10,7 Prozent, Messerangriffe um 9,7 Prozent. Auch Straftaten | |
| gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden vermehrt registriert: plus 7 | |
| Prozent. Die Zahl schwerer Gewaltdelikte wie Mord, Totschlag oder | |
| Vergewaltigung stieg dagegen nur minimal. Immerhin: Auch die | |
| Aufklärungsquote stieg. Sie lag 2023 bei 58,4 Prozent – und damit gut ein | |
| Prozentpunkt über dem Wert von 2022. | |
| Wichtig aber: Die Zahlen bilden die registrierten Taten ab, zu denen die | |
| Polizei ermittelte. Ob diese am Ende auch tatsächlich Straftaten waren und | |
| zu Verurteilungen führen, bleibt offen. Genauso offen bleibt, wie viele | |
| Taten begangen wurden, die nicht angezeigt oder erfasst wurden – das | |
| Dunkelfeld also. | |
| Woran liegt der Anstieg? | |
| Das lässt sich nicht eindeutig sagen. Eine erhöhte Zahl an Delikten kann | |
| auch bedeuten, dass hier besonders viel angezeigt oder von der Polizei | |
| genauer hingeschaut wurde. Eine Erklärung, die BKA-Präsident Münch sieht, | |
| ist das Ende der Corona-Einschränkungen. Die Menschen waren 2023 wieder | |
| mobiler – es ergaben sich wieder mehr Tatgelegenheiten, wie etwa die | |
| erhöhten Diebstähle zeigen. Das BKA geht auch davon aus, dass Jugendliche, | |
| die ohnehin mehr zu Straftaten neigen, „nachholend“ über die Stränge | |
| schlugen. Einige hätten auch mit psychischen Belastungen aus der Coronazeit | |
| zu kämpfen, was zu Straftaten führen könne. | |
| Allerdings liegen die aktuellen Zahlen auch um 9,3 Prozent höher als im | |
| Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Coronapandemie. Das BKA vermutet | |
| deshalb, dass auch die Inflation inzwischen als ernstes Problem | |
| wahrgenommen werde, was Straftaten motiviere: In ökonomisch schwächeren | |
| Regionen fielen die Deliktzahlen höher aus. | |
| Was hat es mit den nichtdeutschen Tatverdächtigen auf sich? | |
| Tatsächlich gibt es hier einen deutlichen Anstieg. Aber: In die Statistik | |
| fallen auch ausländerrechtliche Verstöße, die nur diese Gruppe begehen | |
| kann: etwa 93.158 Fälle von „unerlaubter Einreise“ oder 187.059 von | |
| „unerlaubtem Aufenthalt“, beide sind stark angewachsen. | |
| Aber auch ohne diese Delikte stieg der Anteil der nichtdeutschen | |
| Tatverdächtigen um 13,5 Prozent. Hier ist allerdings zu beachten, dass 2023 | |
| wesentlich mehr Menschen ohne deutschen Pass in Deutschland lebten als | |
| zuvor, was insbesondere am Krieg in der Ukraine liegt. Wo mehr | |
| „nichtdeutsche“ Personen sind, da gibt es auch mehr Straftaten aus dieser | |
| Gruppe. Zudem vereinen Geflüchtete mehrere Risikofaktoren auf sich: Sie | |
| bringen häufig Gewalterfahrungen aus dem Herkunftsland oder von der Flucht | |
| mit, leben eingeengt in Sammelunterkünften und sind ökonomisch schlechter | |
| gestellt, auch durch Arbeitsverbote. | |
| Viele Straftaten dieser Menschen ohne deutschen Pass richten sich zudem | |
| ebenfalls gegen „Nichtdeutsche“. Setzt man diese Tatverdächtigen ins | |
| Verhältnis zur gestiegenen nichtdeutschen Bevölkerung hierzulande, fällt | |
| der Anstieg dieser Tatverdächtigen sogar niedriger aus als bei deutschen | |
| Tatverdächtigen. An dieser Stelle aber bleibt das Bild etwas unscharf. Denn | |
| eine genaue Bezugsgröße wird nicht angegeben. Die Begründung: Es lasse sich | |
| nicht genau feststellen, wie hoch der Anteil der Menschen ohne deutschen | |
| Pass in Deutschland genau sei. Denn auch Geschäftsleute, Pendler oder | |
| Touristen, die tatverdächtig werden, fallen in die Rubrik „Nichtdeutsche“. | |
| Wie werden die Zahlen politisch eingeordnet? | |
| Faeser erklärte, sie wolle Probleme „deutlich benennen“. Für Gewalt gebe … | |
| „null Toleranz“ und „ohne Scheu“ müsse man auch über Ausländerkrimin… | |
| sprechen. Zugleich dürfe dies aber nicht mit Ressentiments geschehen. Für | |
| Gewalt gebe es keine Rechtfertigung, so Faeser. Es brauche schnelle | |
| Verfahren, „spürbare Strafen“ und konsequentere Abschiebungen von | |
| Straftätern – wobei [2][die zuletzt verschärften Abschieberegeln helfen | |
| würden]. | |
| CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärt die „illegale Migration“ | |
| dagegen bereits zum „Sicherheitsrisiko“. Brandenburgs Innenminister Michael | |
| Stübgen (CDU) fordert eine Begrenzung der Zuwanderung, man sei „am | |
| Integrationslimit“. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert | |
| konsequente Abschiebungen für ausländische Straftäter, Sachsens | |
| Innenminister Armin Schuster (CDU) mal wieder eine „Migrationsobergrenze“. | |
| Die AfD ätzt von „importierter Kriminalität“. | |
| Ampel-Politiker wie Sebastian Hartmann (SPD) oder Lamya Kaddor (Grüne) | |
| fordern dagegen eine konsequente Strafverfolgung – und mehr Prävention und | |
| Aufklärung. Aber auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki will über mehr Kontrolle | |
| bei der Zuwanderung diskutieren. | |
| Was sagt die Forschung? | |
| Kriminologen wie [3][Tobias Singelnstein] kritisieren, dass die Statistik | |
| „überinterpretiert“ werde: Sie bleibe eben eine reine Statistik über die | |
| geleistete Polizeiarbeit, bilde die tatsächliche Kriminalität nicht ab und | |
| werde politisch vorurteilsbehaftet diskutiert. Auch das BKA ist sich der | |
| Leerstellen bewusst und führte zuletzt Dunkelfeldstudien durch. | |
| [4][Ergebnis aus dem Jahr 2022]: Die meisten der 46.000 Befragten, 14 | |
| Prozent, waren im Jahr zuvor von Straftaten im Internet betroffen. Nur | |
| knapp ein Fünftel dieser Straftaten wurde aber angezeigt. | |
| Der Text wurde um 16 Uhr aktualisiert | |
| 9 Apr 2024 | |
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| [4] https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2022/Presse2022… | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
| Sabine am Orde | |
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