| # taz.de -- Zentralratspräsident über Nahost-Krise: „Ein Gewitter reinigt d… | |
| > Josef Schuster vom Zentralrat der Juden begrüßt das Einreiseverbot für | |
| > Varoufakis und die Ausladung Frasers. Gegen Iran fordert er neue | |
| > Sanktionen. | |
| Bild: Solidaritätskundgebung für Israel vor dem Brandenburger Tor am Sonntag … | |
| taz: Herr Schuster, was ist Ihnen in dem Moment durch den Kopf gegangen, | |
| als Sie die Nachricht erreicht hat, dass iranische Drohnen und Raketen im | |
| Anflug auf Israel sind? | |
| Josef Schuster: Es war ein Moment des Schreckens und der Sorge. Denn es war | |
| ja zunächst völlig unklar, welches Ausmaß dieser Angriff hat und inwieweit | |
| sich Israel und auch befreundete Staaten auf diesen Angriff vorbereiten | |
| konnten. | |
| Die iranische Regierung hat den Angriff als Vergeltungsmaßnahme für den | |
| Luftschlag Israels auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus | |
| bezeichnet. Verstehen Sie, warum der israelische Ministerpräsident Benjamin | |
| Netanjahu solche eskalierend wirkenden Militäraktionen, die eindeutig | |
| internationales Recht verletzen, durchführen lässt? | |
| Ich glaube, wir dürfen etwas nicht übersehen: Die dem Regime in Teheran | |
| unterstellten Revolutionsgarden sind ja nun keine demokratische Armee, wie | |
| wir dies in der Bundesrepublik und Europa gewöhnt sind. Sie sind vielmehr | |
| nichts anderes als eine Terrororganisation. Der Iran ist ein Strippenzieher | |
| des 7. Oktober und steht auch hinter der Hisbollah, die aus dem Libanon | |
| immer wieder Israel angreift. | |
| Haben Sie noch irgendeine Hoffnung, dass die Menschen in Israel in | |
| absehbarer Zeit wieder zu einem Leben in Frieden und Sicherheit | |
| zurückkehren können? | |
| Die Hoffnung habe ich. Wie heißt es so schön: Ein Gewitter reinigt die | |
| Luft. Ich hoffe darauf, dass es nach einer Eskalation wie dieser vielleicht | |
| sogar leichter sein kann, eine Situation zu befrieden. Erfreulich war, dass | |
| die arabischen Verbündeten beim Angriff des Iran an der Seite Israels | |
| standen. | |
| Welche Konsequenzen sollte aus Ihrer Sicht die Bundesregierung aus dem | |
| iranischen Angriff auf Israel ziehen? | |
| Die Konsequenz sollte endlich die Einsicht sein, dass der Iran kein | |
| normaler Verhandlungspartner ist. Das Mullah-Regime führt einen Kampf gegen | |
| seine eigene Bevölkerung und neben Israel auch gegen die westliche Welt an | |
| sich; Russland führt den Krieg in der Ukraine auch mit iranischen Raketen. | |
| Die Revolutionsgarden sind eine Terrororganisation, die in Deutschland | |
| verboten sein muss und auf die EU-Terrorliste gehört. Außerdem erscheinen | |
| mir zusätzliche Sanktionen gegen den Iran erforderlich. Wobei das | |
| Sanktionen sein müssen, die in erster Linie den Staat und weniger die | |
| Menschen im Iran treffen. | |
| Als eine Reaktion haben Politiker:innen der Grünen, der CDU und der | |
| Linken die Schließung des [1][Islamischen Zentrums in Hamburg] verlangt. | |
| Teilen Sie diese Forderung? | |
| Ja, die Forderung teile ich. Ich bedaure, dass das nicht schon längst | |
| geschehen ist. Ich habe keine vernünftige Erklärung dafür. Das Zentrum | |
| sollte eher heute wie morgen geschlossen werden. Ich hoffe, dass den | |
| Verantwortlichen nach den Ereignissen des vergangenen Wochenendes klar | |
| wird, wie wichtig es ist, solchen Terrorpropagandisten keine Möglichkeit zu | |
| geben, auf deutschem Boden tätig zu sein. | |
| Sie haben die polizeiliche Auflösung des [2][Palästina-Kongresses am | |
| Freitag] in Berlin begrüßt. Sind Sie nicht der Meinung, dass eine | |
| Demokratie auch solch antiisraelische Veranstaltungen aushalten kann und | |
| Protest dagegen vielleicht besser wäre als ein Verbot? | |
| Es geht nicht um die Frage, ob eine solche Versammlung antiisraelisch ist. | |
| Das ist zwar ein Punkt. Es geht aber vor allem darum, ob sie | |
| volksverhetzenden Charakter hat. Wenn strafbare Slogans und die Vernichtung | |
| von Staaten – unabhängig von welchen – auf einem solchen Kongress | |
| propagiert werden, dann glaube ich, ist die Grenze der Meinungsfreiheit und | |
| Redefreiheit überschritten. Und dann erwarte ich von der Polizei, dass eine | |
| solche Versammlung aufgelöst wird. Und das hat man in Berlin konsequent | |
| durchgesetzt. | |
| Wie stehen Sie zu dem [3][Einreiseverbot für Yannis Varoufakis]? | |
| Nach den Äußerungen, die er getan hat und die erneut zu erwarten gewesen | |
| wären von ihm, war es die genau richtige Maßnahme. | |
| Unterstützen Sie auch die [4][Kölner Ausladung] der jüdischen | |
| US-[5][Philosophin Nancy Fraser]? | |
| Da geht es mir ebenfalls weniger um die Frage, wer etwas sagt, sondern: was | |
| wird gesagt. | |
| Welche Äußerungen meinen Sie konkret? | |
| Es geht um die Frage des Existenzrechts Israels, das von ihr in Frage | |
| gestellt wird, und ihre BDS-Nähe. Ich glaube, das ist ein Punkt, der die | |
| Grenze der legitimen Kritik am Staat Israel, an der Politik der | |
| israelischen Regierung überschreitet. Wer zudem den Boykott von | |
| israelischen Universitäten fordert ist für eine wissenschaftliche | |
| Einrichtung kein glücklicher Gast. | |
| Bis heute ist [6][der Anschlag] auf die [7][Synagoge in Oldenburg] vom 5. | |
| April nicht aufgeklärt. Wie bewerten Sie das? | |
| Ich habe die Hoffnung, dass hier von den Sicherheitsbehörden alles | |
| unternommen wird, die Täter zu ermitteln. Der Anschlag auf die Synagoge in | |
| Oldenburg ist extrem verwerflich. Unabhängig davon, welchen konkreten | |
| Hintergrund die Tat hat, dürfen die Täter nicht im Dunkeln bleiben, sondern | |
| müssen gefasst werden. | |
| Wie schätzen Sie generell derzeit die Sicherheitslage der jüdischen | |
| Einrichtungen in Deutschland ein? | |
| Insbesondere nach dem [8][Attentat von Halle 2019] haben die jüdischen | |
| Einrichtungen in Deutschland einen deutlich verbesserten | |
| Sicherheitsstandard. Die polizeilichen Schutzmaßnahmen sind hoch. Insoweit | |
| müssen sich Jüdinnen und Juden auch weiterhin keine größeren Sorgen machen, | |
| eine jüdische Einrichtung aufzusuchen. Erheblich problematischer ist es in | |
| manchen Teilen, speziell in Berlin oder auch in Nordrhein-Westfalen, sich | |
| als Jude erkennbar auf der Straße zu bewegen, also zum Beispiel mit einer | |
| Kippa oder einem Davidstern. Das ist eine Situation, die ich mir in dieser | |
| Form vor zehn Jahren nicht habe vorstellen können. Allerdings ist das eine | |
| Entwicklung, die nicht nur Deutschland betrifft, sondern leider viele | |
| europäische Staaten. Es ist ein generelles Problem. Aber deshalb darf man | |
| den Kopf nicht in den Sand stecken. Und ich habe die Erwartung, dass | |
| seitens der Sicherheitsbehörden alles Mögliche getan wird, um diese | |
| Situation zu verbessern. | |
| 15 Apr 2024 | |
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| Pascal Beucker | |
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