| # taz.de -- „Pille danach“ in Polen: Präsident Duda legt Veto ein | |
| > Millionen Polinnen sind enttäuscht, dass Duda das Gesetz zum freien | |
| > Verkauf der „Pille danach“ blockiert. Aber die Regierung in Warschau hat | |
| > einen „Plan B“. | |
| Bild: Polens offiziell parteiloser Präsident Duda macht weiter PiS-Symbolpolit… | |
| Warschau taz | „Und wer übernimmt die Verantwortung, wenn so ein Mädchen | |
| fünf Stück von der ‚Pille danach‘ nimmt, um sicherzugehen, dass es auch | |
| ganz bestimmt nicht schwanger wird?“, empört sich Polens Präsident Andrzej | |
| Duda in einem Fernseh-Interview. Immerhin sei die Pille eine „hormonale | |
| Bombe“. Ausgerechnet an Karfreitag entschied Duda, das Gesetz der neuen | |
| Mitte-Links-Regierung zum freien Verkauf der „Pille danach“ in Apotheken | |
| mit einem Veto zu blockieren. Angeblich diene dieses Veto dem „Schutz der | |
| Kinder“. Denn das Gesetz sieht vor, dass das in ganz Europa rezeptfrei zu | |
| kaufende Verhütungsmittel auch in Polen an 15- bis 18-Jährige abgegeben | |
| werden dürfe. Denn 15-Jährige haben das Recht auf einvernehmlichen | |
| Geschlechtsverkehr, also sollten sie auch das Recht zur Verhütung haben. | |
| Um diese „Kinder“ vor einer ungewollten Schwangerschaft zu schützen, verbot | |
| Duda ihnen jetzt die Notfall-Verhütung, was die Gefahr, doch ungewollt | |
| schwanger zu werden, natürlich steigert. Diese auffällige Unlogik hat mit | |
| Dudas früherer Partei, [1][der nationalpopulistischen Recht und | |
| Gerechtigkeit (PiS)], zu tun. Die PiS nämlich hatte in ihrer Regierungszeit | |
| von 2015 bis 2023 die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ eingeführt, wo… | |
| wissend, dass die normalen Wartezeiten für einen Termin beim Gynäkologen | |
| bei zwei Wochen und mehr liegen. Mit solchen Tricks versuchte die PiS die | |
| Geburtenrate in Polen in die Höhe zu treiben. Zu diesem Zweck wurde auch | |
| das Abtreibungsrecht verschärft. | |
| Legal sind Abtreibungen in Polen nur noch, wenn [2][Ärzte und Staatsanwälte | |
| eine Vergewaltigung bestätigen], wenn es zu einem Inzest kam oder wenn der | |
| Frau ein bleibender Gesundheitsschaden durch Schwangerschaft oder Geburt | |
| drohen. Mehrfach forderten hunderttausende Polinnen bei sogenannten | |
| „schwarzen Märschen“ [3][die Liberalisierung des restriktiven | |
| Abtreibungsrechts]. | |
| Doch die Diskriminierung der Frauen in Polen hört nicht bei der „Pille | |
| danach“ oder dem Abtreibungsrecht auf. Während polnischen Frauen eine | |
| Sterilisation gesetzlich verboten ist, können Männer sie jederzeit | |
| durchführen lassen. Männer jeden Alters können auch in der Apotheke | |
| rezeptfrei das Erektionsmittel Viagra kaufen. Sie müssen weder zum Urologen | |
| noch zum Psychiater oder Kardiologen, um sich ein Rezept für Viagra | |
| ausstellen zu lassen. Präservative können sogar in Kiosken und | |
| Lebensmittelläden gekauft werden. Polens Präsident scheint keine Bedenken | |
| zu haben, dass Männer fünf Viagra-Pillen auf einmal schlucken könnten, um | |
| nur ja eine Erektion zu bekommen. Oder aber, dass sie fünf Präservative | |
| übereinander anziehen könnten, um nur ja die gewünschte Wirkung zu | |
| erreichen. | |
| Dennoch gibt es Hoffnung für Polens Frauen: Izabela Leszczyna, die neue | |
| PO-Gesundheitsministerin, kündigte einen „Plan B“ an, mit dem sie das Veto | |
| des Präsidenten umgehen will. Sie will Apothekern und Apothekerinnen das | |
| Recht geben, selbst Rezepte für die „Pille danach“ auszugeben. Dafür reic… | |
| eine einfache Verordnung aus. Nach einer kurzen Beratung über die | |
| Wirkungsweise der „Pille danach“ und den Vorteilen einer regelmäßigen | |
| Verhütung könne die Packung mit der einen Pille dann über die Theke gehen. | |
| Schon allein der Preis in Höhe von 40 bis 130 Zloty (ca. 9 bis 30 Euro) | |
| werde dafür sorgen, dass Frauen die „Pille danach“ nicht mehrfach | |
| hintereinander einnehmen würden. Am 1. Mai könne die Verordnung in Kraft | |
| treten, so Leszczyna. | |
| Die Abschaffung des restriktiven Abtreibungsrechts war eines der großen | |
| Wahlkampfversprechen der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) und der | |
| Neuen Linken gewesen. [4][Doch nach 100 Tagen Regierungszeit ist noch | |
| nichts geschehen]. Neben dem Präsidenten, der bereits sein Veto gegen eine | |
| Liberalisierung des Abtreibungsrechts ankündigte, blockiert auch der | |
| christlich-agrarische Koalitionspartner „Dritter Weg“ eine | |
| frauenfreundliche Gesetzgebung. | |
| Die Dritte-Weg-Abgeordneten sind überzeugt, dass eine Polin unfähig sei, | |
| selbstverantwortlich über sich und ihren Körper zu entscheiden. Dies | |
| müssten Kontrollpersonen wie Politiker, Priester und Ärzte tun. Die | |
| frauenfeindliche Politik des Dritten Wegs könnte sich schon bei den | |
| Kommunalwahlen am 7. April und dann auch bei den Wahlen zum Europäischen | |
| Parlament im Juni rächen. Bei Duda hingegen warten die meisten nur noch auf | |
| das Ende seiner Amtszeit Mitte 2025. | |
| 30 Mar 2024 | |
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| Gabriele Lesser | |
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