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# taz.de -- NRW-Ostermärsche in Gronau gestartet: Militärische Nutzung mögli…
> Friedensbewegte demonstrierten vor Deutschlands einziger
> Urananreicherungsanlage: Ihr Vorwurf: Diese sichere den „Status einer
> stillen Atommacht“.
Bild: Atomkraftgegner ziehen am Karfreitag 2022 vom Bahnhof durch die Innenstad…
Gronau taz | Vor Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage im
münsterländischen Gronau wird der russische Regimegegner Wladimir Sliwjak
schnell sehr deutlich: Entgegen eigener Ankündigungen mache deren
Betreiberfirma Urenco zumindest indirekt weiter Geschäfte mit Russland.
Hier im äußersten Westen der Bundesrepublik werde im Auftrag des staatlich
dominierten französischen Stromversorgers Électricité de France (EDF) auch
zwei Jahre nach [1][Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine] Uran aus
Russland angereichert und für den Einsatz in Atomkraftwerken vorbereitet –
und damit Devisen in Moskaus Kriegskasse gespült. „Das ist blutiges Geld“,
ruft Sliwjak auf Englisch.
Jeder Euro, den Russland am Export von Uran, das auch in Gronau
angereichert werde, verdient, diene der Finanzierung von Putins
Angriffskrieg auf die Ukraine und koste damit Menschenleben, ist der Russe
überzeugt: „Das muss aufhören“, fordert er. „Es ist eine Schande.“
Wladimir Sliwjak redet beim ersten Ostermarsch des Jahres in
Nordrhein-Westfalen. Schon seit den achtziger Jahren ziehen
Atomkraftgegner:innen [2][immer am Karfreitag vom Bahnhof Gronau zur
Urananreicherungsanlage (UAA)]. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima
[3][protestierten hier etwa 15.000 Menschen gegen die zivile und
militärische Nutzung der Atomenergie] – am Karfreitag redet der russische
Putin-Gegner dagegen nur vor etwa 100 Menschen.
Dabei ist Sliwjak nicht irgendwer: Der Umweltschützer ist Träger des
Alternativen Nobelpreises, wird [4][wegen seines Protests in Russland von
Putins Regime verfolgt] und lebt deshalb seit Jahren in Deutschland im
Exil. Auch der Ort des Protests macht Sinn: Hier, in einem unscheinbaren
Gewerbegebiet zwischen Gebrauchtwagenhändlern, dem TÜV und dem Zentrallager
der regionalen Supermarktkette Klaas & Kock (K+K), beginnt der deutsche
Teil der Kette der Uranverarbeitung, die in Zwischenlagern wie im
benachbarten Ahaus und in der [5][verzweifelten Endlagersuche] gipfelt.
## Atomcluster im Dreiländereck
Dabei ist die Gronauer Anlage nur ein Teil eines ganzen Atomclusters, das
hier im Dreiländereck zwischen den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen besteht: Nur rund 45 Kilometer weiter im niederländischen
Almelo betreibt der trinationale Urenco-Konzern, dessen deutsche Anteile
die Energiekonzerne RWE und E.ON halten, wie auch im britischen Capenhurst
eine Urananreicherungsanlage. Und im etwa 55 Kilometer entfernten
niedersächsischen Lingen steht eine Brennelementefabrik, in der
angereichertes Uran für den Einsatz in Atomkraftwerken weiterverarbeitet
wird – und wo der [6][staatliche russische Atomkonzern Rosatom sogar direkt
einsteigen] will.
Trotz des deutschen Atomausstiegs verfügen die Anlagen in Lingen und Gronau
über eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Über den Grund rätseln nicht
nur Atomkraftgegner:innen seit Jahren. Fest steht, dass mit den
Zentrifugen der Urenco auch atomwaffenfähiges Material hergestellt werden
kann. Zum Einsatz kommt die Technik nicht nur in der immer wieder
[7][bekämpften iranischen Urananreicherungsanlage Natans]: Der 2021
gestorbene [8][Vater des pakistanischen Atomwaffenprogramms, Abdul Kadir
Khan], arbeitete Anfang der siebziger Jahre in Almelo – und hat nicht nur
Pakistan, sondern offenbar auch Nordkorea mit seinem dort erworbenen Wissen
in den Kreis der Atommächte katapultiert.
„Wer über die Zentrifungentechnik verfügt, kann sie grundsätzlich für die
Versorgung von Atomkraftwerken, aber auch für die Produktion von Atomwaffen
nutzen“, heißt es deshalb im [9][Aufruf zum Gronauer Ostermarsch]. Die
Bundesrepublik sichere sich mit dem Betrieb der UAA Gronau „den Status
einer stillen Atommacht“. Jegliche Urananreicherung müsse international
verboten und geächtet werden, fordern die Friedensbewegten deshalb.
Doch der Urenco-Konzern arbeite stattdessen aktuell an der Produktion von
höher angereicherten Uran, dass beschönigend „High Assay Low Enriched
Uranium“ (HALEU) genannt werde, kritisieren Atomkraftgegner:innen. Im
britischen Capenhurst solle HALEU mit einem Anreicherungsgrad von bis zu 20
Prozent produziert werden. Genutzt werden könnte das in sogenannten
Modulreaktoren (small nuclear reactors, smr) etwa in Atom-U-Booten – zivile
Atomkraftwerke arbeiten dagegen mit Brennstoff eines Anreicherungsgrades
von 3 bis 5 Prozent.
## Keine klaren Auskünfte von Urenco
Trotzdem wird Urencos HALEU-Projekt von der Regierung des Vereinigten
Königreichs, die gerade angekündigt hat, massiv [10][in die britische
U-Boot-Flotte investieren] zu wollen, [11][mit 9,5 Millionen Pfund
unterstützt]. „Wir sind extrem beunruhigt, dass die Urenco-Töchter
Enrichment Technology Company (ETC) in Jülich und Urenco Technology &
Development (UTD) in Gronau in Pläne verwickelt werden könnten, sich auch
an militärischen Uran-Projekten zu beteiligen“, sagt dazu Udo Buchholz,
Sprecher im Gronauer Arbeitskreis Umwelt und Vorstand beim Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz. „Wir fordern von der NRW-Landesregierung,
aber natürlich auch von der Bundesregierung klare Auskünfte und ein Veto.“
Doch klare Auskünfte gibt es auch von der Betreiberin der Gronauer
Urananreicherungsanlage, der Urenco Deutschland GmbH, nicht. HALEU sei „von
Interesse für die Urenco“, heißt es in einer schriftlichen Antwort auf eine
taz-Anfrage lediglich. Auch in einem Telefonat will sich UAA-Sprecher Chris
Breuer nicht festlegen, welche Rolle Mitarbeiter:innen der ETC in
Jülich und der UTD in Gronau bei der offenbar auch militärisch nutzbaren
HALEU-Technik spielen. Er spreche schließlich nicht für die gesamte
Urenco-Gruppe und ihre Tochterunternehmen, sondern nur für die Urenco
Deutschland GmbH, sagt Breuer – dabei firmiert der Sitz der UTD laut
Urencos eigener Homepage unter derselben Adresse wie die UAA in der
Gronauer Röntgenstraße 4.
Auch zum Vorwurf, in Gronau werde über den Umweg der Anlieferungen durch
EDF weiter russisches Uran angereichert, will die Betreiberfirma der UAA
schriftlich keine klare Stellung beziehen. Zwar habe Urenco den direkten
„Vertrag mit unserem Lieferanten in Russland“ schon „Ende Februar 2022
gekündigt, alle Lieferungen in beide Richtungen gestoppt und den Austausch
über weitere Projekte und Zusammenarbeit sofort beendet“. Allerdings: Ob
Kunden wie EDF auch heute noch russisches Uran in Gronau anliefern, lässt
die Urenco Deutschland GmbH bewusst offen. „Zu konkreten Kundenverträgen
oder Transporten können wir, auch zur Wahrung der Firmen- und
Betriebsgeheimnisse, keine Angaben machen“, schreibt Sprecher Breuer.
In dem Telefonat mit der taz räumt er aber ein: Die Urenco Deutschland
prüft überhaupt nicht, woher das von ihr in Gronau verarbeitete Uran
stammt. Innerhalb des Konzerns werde das anzureichernde Uran je nach freien
Produktionskapazitäten umverteilt, erklärt der Sprecher. Damit scheint
klar, dass auch in Gronau russisches Uran verarbeitet werden wird –
schließlich hat die niederländische Atomaufsicht schon im Februar sechs
Transporte von aus Russland stammendem Uran an Urencos Anlage in Almelo
genehmigt. „Russisches Uran in Gronauer Anlage“ titelten deshalb die
[12][lokalen Westfälischen Nachrichten].
„Urenco ist eigentlich ein Rüstungskonzern“, sagt die Versammlungsleiterin
des Gronauer Ostermarschs, Martha Pfeiffer. „Unsere Demonstration folgt dem
Kampf der Ostermarschbewegung gegen die atomare Bedrohung“, argumentiert
die Ärztin. Putin sei ein „übler Diktator“, Krieg immer ein Verbrechen,
erklärt Pfeiffer. „Als Pazifistin will ich, dass Krieg und Gewalt in der
Ukraine, aber auch in Israel und Palästina beendet werden.“ Aktuell habe
sie Angst vor einer nicht enden wollenden Eskalationsspirale: „Manchmal
fürchte ich, dass wir kurz vor dem dritten Weltkrieg stehen.“
Ähnlich dürften das auch die Teilnehmer:innen der [13][rund 100
weiteren Ostermärsche] sehen, die an diesem Wochenende überall in
Deutschland demonstrieren. Einer der größten dürfte in [14][NRW der
Ostermarsch Rhein-Ruhr] sein: Der hat am Samstag in Köln und Duisburg
begonnen und führt am Ostersonntag und am Ostermontag über Essen,
Gelsenkirchen und Bochum nach Dortmund.
30 Mar 2024
## LINKS
[1] /Szenarien-nach-dem-Ukrainekrieg/!5996013
[2] /Ostermaersche-am-Freitag-gestartet/!5587001
[3] /Protest-gegen-deutsche-Urananlage-Gronau/!5122037
[4] /Umweltaktivist-Sliwjak-ueber-Russland/!5815631
[5] /Ausgestrahlt-Sprecher-ueber-Endlagersuche/!5945318
[6] /Brennelementefabrik-ohne-Russen/!5983201
[7] /Vorfall-in-Atomanlage-im-Iran/!5698453
[8] /!506916/
[9] https://ostermarsch-gronau.de/
[10] https://www.gov.uk/government/news/pm-announces-national-endeavour-to-stre…
[11] https://www.world-nuclear-news.org/Articles/UK-to-launch-HALEU-production-…
[12] https://www.wn.de/muensterland/kreis%20borken/gronau/urenco-uran-russland-…
[13] /Ostermaersche-in-Deutschland/!6000832
[14] http://s9y.ostermarsch-ruhr.de/
## AUTOREN
Andreas Wyputta
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