# taz.de -- Ein Jahr ohne Atomstrom: Und Deutschland gibt es immer noch | |
> Die düsteren Prognosen für Deutschland nach Abschalten der letzten AKWs | |
> haben sich nicht bewahrheitet. Das Thema kann endgültig ad acta gelegt | |
> werden. | |
Bild: Der Kühlturm des abgeschalteten AKW Isar 2 in Essenbach am 26. August 20… | |
Es ist an der Zeit, in der Atomdebatte verbal abzurüsten. Genau ein Jahr | |
ist es nun her, dass in Deutschland die letzten drei Reaktoren vom Netz | |
gingen. Und was ist passiert? Das Ereignis ging recht geräuschlos über die | |
Bühne. Nehmen wir die Kohle. Allen Unkenrufen zum Trotz lag die | |
Kohleverstromung in Deutschland im ersten Jahr ohne AKW um ein Viertel | |
niedriger als im Jahr davor. Entsprechend [1][sanken trotz des | |
Atomausstiegs die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde] im deutschen Strommix. | |
Das hatten Kritiker anders prophezeit. Die Gründe für die Bilanz sind | |
vielfältig. Rein summarisch wurden die weggefallenen Kilowattstunden | |
[2][komplett durch den Zubau an Erneuerbaren kompensiert]. Aber auch ein | |
leicht reduzierter Stromverbrauch aufgrund der wirtschaftlichen Lage in der | |
Industrie und ein extrem milder Winter drückten den Bedarf an Kohle. Die | |
Stabilität der Stromversorgung war – auch das hatten Kritiker infrage | |
gestellt – weiterhin gegeben. | |
Aber die Stabilität hängt ohnehin mehr am Zustand der Netze und an den | |
Organisationsstrukturen der Branche (der IT-Sicherheit etwa) als an der | |
Frage, ob es drei Kraftwerke mehr oder weniger gibt. Verändert hat sich | |
durch den Atomausstieg vor allem eines: die Importbilanz des Stroms. Die | |
reagiert nämlich sensibel auf minimale Änderungen im nationalen Preisgefüge | |
an der Strombörse. Deutschland, seit 20 Jahren per saldo Stromexporteur, | |
wurde mit dem Ende der letzten drei Meiler zum Importeur. | |
Nun kann man diskutieren, ob eine solche Momentaufnahme der große störende | |
Begleiteffekt des Ausstiegs ist – nur wozu? Es ändert nichts mehr. | |
Zumindest was die Leichtwasserreaktoren des 20. Jahrhunderts betrifft, ist | |
die Atomkraft hierzulande Geschichte. Wenn jemand zur persönlichen | |
Profilierung eine Rückabwicklung des Ausstiegs fordert, ist das ein | |
Scheingefecht. | |
## Auf Entscheidungsspielräume konzentrieren | |
Zielführender wäre stattdessen, wenn sich politische Akteure auf jene | |
Punkte der Energiewende konzentrieren würden, bei denen es tatsächlich | |
Entscheidungsspielräume gibt. Denn Gründe für Kritik an der Energiepolitik | |
gibt es wahrlich genug. Die planwirtschaftliche Herangehensweise an den | |
Kohleausstieg ist so ein Punkt; hier wäre es eleganter, das Ganze per | |
[3][CO2-Preis] zu regeln. | |
Auch drohen Marktverwerfungen durch den unkoordinierten Ausbau der | |
Photovoltaik und der Windkraft. Weitere Anlagen werden nämlich vor allem | |
dann Strom liefern, wenn ohnehin schon genug davon da ist. Trotzdem soll | |
mit immer mehr Steuergeld immer mehr Strom erzeugt werden, der im Moment | |
der Erzeugung angesichts fehlender Speicher wertlos ist. Das wäre mal ein | |
vordringliches Thema für die Debatte – die Atomkraft ist es aktuell nicht | |
mehr. | |
13 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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