# taz.de -- FC Bayern verpasst Meisterschaft: Ein Land atmet auf | |
> Der FC Bayern wird nicht Meister. Doch das bleibt ein Einzelfall, denn | |
> der deutsche Fußball ist im Sinne der Münchner organisiert. | |
Bild: Damals noch nicht in Serie gewonnen: die Bayern Meisterelf von 1969 rund … | |
Ein Land atmet auf. Der FC Bayern dankt ab. Elf lange Jahre hat er über die | |
deutschen Fußballlande geherrscht. Meistens war der Klub überlegen. Und | |
selbst wenn die edlen Kicker von der Isar nicht wirklich besser waren als | |
die anderen, [1][sind sie am Ende doch Meister geworden] – so wie in der | |
Vorsaison. Vorbei. Meister wird nun ein anderer Klub. Die Diktatur geht | |
ihrem Ende entgegen. Wird jetzt alles gut? Können ab jetzt alle, die es nur | |
genug wollen, Meister werden? Schön wär’s. Die höchste deutsche Spielklasse | |
ist weit davon entfernt, eine klassenlose Gesellschaft zu werden. | |
Wie jetzt? War es nicht der drollige Provinzklub [2][FC Heidenheim], der | |
den Bayern den entscheidenden Hieb verletzt hat? Sagen wir so: Oft werden | |
die Heidenheimer den FC Bayern nicht besiegen. Nach Gründen dafür braucht | |
man nicht lange zu suchen. Die Münchner haben vor der Saison für einen | |
Spieler mehr Geld ausgegeben als der FC Heidenheim für die gesamte | |
Mannschaft. | |
Und nicht einmal ein Tor jenes Harry Kane hat den Münchnern den Sieg | |
beschert. Da ist etwas passiert, was im modernen Fußball eigentlich nicht | |
vorgesehen ist. Das ist es ja, was zu dem emotionalen Vollrausch geführt | |
hat, der das ganze Land nach der Bayernpleite an der Brenz erfasst hat. Es | |
wird ein Einzelfall bleiben. Man darf ihn ruhig als Wunder bezeichnen. | |
Deutscher Männermeister wird Heidenheim sowieso nicht werden. So wie all | |
diese vermaledeiten Traditionsklubs nie den Titel holen werden, auch wenn | |
deren Fans auf Schalke, beim FC in Köln, beim FCK in Kaiserslautern oder | |
bei den 60ern in München noch so sehr mit Inbrunst singen: „Und wir werden | |
wieder deutscher Meister sein!“ Nix da! So wie der Fußball organisiert ist, | |
kann es nichts werden mit dem Comeback all der untoten Klubs, die meist | |
mehr schlecht als recht von den Erinnerungen an gute alte Zeiten leben. Es | |
wird normal bleiben, dass der FC Bayern die Meisterschale auf dem | |
Marienplatz präsentiert. | |
Eltern, deren fußballbegeisterte Kinder noch nicht lange genug leben, um | |
sich eine Bundesliga vorstellen zu können, an deren Spitze am Ende nicht | |
der FC Bayern steht, müssen in diesen Tagen erklären, was da eigentlich | |
gerade passiert in Fußballdeutschland. Sie werden erläutern müssen, welch | |
merkwürdige Konstruktion dieses Bayer Leverkusen ist, das sich nun | |
anschickt, dem Stern des Südens ein wenig von seiner Strahlkraft zu nehmen. | |
Die sogenannte Werkself spielt auch deshalb so häufig oben mit in der | |
Tabelle, weil sie weitgehend von wirtschaftlichen Zwängen befreit agieren | |
darf. Zur Not gleicht der namensgebende Chemieriese die Bilanz eben aus, am | |
Geschäftsjahresende. | |
Während sich herkömmliche Fußballklubs nicht nur in einem sportlichen | |
Wettbewerb, sondern auch in einem wirtschaftlichen Rennen befinden, können | |
sie sich beim kommenden deutschen Meister weitgehend risikobefreit auf das | |
Spiel auf dem Rasen konzentrieren. Die kitschig-schöne Geschichte vom | |
Triumph der elf Zwerge vom Eingang ins Bergische Land gegen die | |
Fußballriesen von der voralpenländischen Schotterebene ist das nun nicht | |
gerade. | |
Es ist kein Fußballmärchen, was da gerade aufgeführt wird. „Ausgerechnet | |
Leverkusen!“ mögen all jene ausrufen, die sich seit Jahren nichts | |
sehnlicher wünschen als eine Meisterschaft für einen Klub, der nicht FC | |
Bayern München heißt. | |
## Geld scheffeln | |
Sie werden wie alle anderen Fußballromantiker, die immer noch das Hohelied | |
von den elf Freunden, die man sein müsse, anstimmen, dennoch heilfroh sein, | |
[3][dass es nicht Rasenballsport Leipzig ist], der die Bayern vom Thron | |
stößt. Jener Scheinklub, der zu Marketingzwecken von einem Hersteller | |
koffeinhaltiger Erfrischungsgetränke gegründet worden war, gilt in den | |
meisten Kurven deutscher Stadien als der I[4][nbegriff alles | |
Verachtenswerten], was der kommerzialisierte Fußball neben | |
Weltmeisterschaften in Russland oder Katar hervorgebracht hat. | |
Da ist ja selbst der FC Bayern noch besser, könnte man da einwenden, auch | |
wenn jenes WM-Emirat zum Legende gewordenen Festgeldkonto der Münchner so | |
einiges beigetragen hat. | |
Das ist auch deshalb so gut gefüllt, weil die Bayern als ständiger | |
Teilnehmer an der Champions League jedes Jahr derartig viel Geld von der | |
Europäischen Fußballunion Uefa überwiesen bekommen, dass der ganze Kader | |
gleichzeitig ein Talerbad nehmen könnte, wenn die Spieler das denn möchten. | |
Und weil die Hunderte von Millionen aus Vermarktungserlösen der Bundesliga | |
so verteilt werden, dass der Klub am meisten bekommt, der am höchsten in | |
der Tabelle steht, konnten die Bayern ihren Konkurrenten so weit enteilen, | |
dass sie schlicht nicht mehr einzuholen sind. Nein, es spricht wirklich | |
nicht viel dafür, dass die Bayern lange brauchen werden, um an die | |
nationale Spitze zurückzukehren. Der Fußball ist in ihrem Sinne | |
organisiert. | |
## Arroganz kostet den Titel | |
Der Fußballrevolution dieses Jahres folgt also garantiert eine | |
Restauration. Längst bauen sie in München an einem Fußballkonzern der | |
Zukunft. Die drittklassige Spielvereinigung Unterhaching soll zum | |
Partnerklub der Münchner werden und wird künftig dafür bezahlt, jungen | |
Profis aus dem Bayernnachwuchs Spielpraxis zu geben. | |
Die Bayern unterhalten nicht nur Büros in New York, Schanghai und Bangkok, | |
sie betreiben zusammen mit dem Los Angeles FC auch ein Joint Venture, das | |
sich „Red & Gold Football“ nennt. Darüber hinaus kooperieren sie mit | |
Fußball-Akademien in Afrika und sind nun auch Eigentümer eines ersten Klubs | |
in Südamerika. Der Racing Club de Montevideo soll dereinst Talente an den | |
FC Bayern ausliefern. Der Marketingclaim des Klubs braucht nirgendwo auf | |
der Welt übersetzt zu werden. [5][„Mia san Mia“ verstehen die Menschen | |
überall]. | |
Kein Wunder also, dass die Münchner bei Spielen an Standorten des deutschen | |
Profifußballprekariats wie Darmstadt oder Bochum so auf den oft schlecht | |
bespielbaren Rasen herabblicken wie ein gestandener Münchner Stadtpatrizier | |
auf einen Obdachlosen in der prächtigen Maximilianstraße. Diese schier | |
unerträgliche Arroganz mag dem FC Bayern diesmal den Titel gekostet haben. | |
Natürlich hätten sie ihn gewinnen können. Wie immer. | |
13 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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