# taz.de -- Actionfilm „Monkey Man“ von Dev Patel: Abstieg in die Unterwelt | |
> Zwischen Faustkampf, indischer Mythologie und Nationalismus: Dev Patel | |
> legt mit „Monkey Man“ einen wilden Thriller als Regiedebüt vor. | |
Bild: Suche nach der eigenen Identität: Kid (Dev Patel) in „Monkey Man“ | |
Ein indischer Slum, flirrende Bilder, schnelle Schnitte und Dev Patel in | |
der Hauptrolle. Aber nein, die Rede ist nicht von [1][„Slumdog Millionär“, | |
Danny Boyles] vielfachem Oscar-Gewinner, der den damals 18-jährigen Dev | |
Patel berühmt machte, sondern von „Monkey Man“, einem wilden, durchge- und | |
manchmal auch überdrehten Action-Exzess, mit dem Patel ein bemerkenswertes | |
Regiedebüt abliefert, das auch seine Suche nach Identität spiegelt. | |
Aus gutem Grund wird seit einigen Jahren viel darüber diskutiert, wer über | |
welche Sujets Filme machen kann und darf, welche Perspektiven und | |
Blickwinkel in der modernen Welt einfach nicht mehr akzeptabel erscheinen, | |
warum es etwas für sich hat, wenn Filmemacher aus einer bestimmten Welt | |
Filme über diese Welt drehen und nicht irgendjemand, der diese Welt | |
vielleicht nur als exotischen Hintergrund ge- und missbrauchen will. | |
Doch aus welcher Welt stammt der inzwischen 33-jährige Dev Patel? Seine | |
Eltern kommen aus der indischen Provinz Gujarat, er selbst wurde am Rand | |
von London geboren und kann makelloses Upperclass-Englisch sprechen, mit | |
dem er in Oxbridge nicht auffallen würde. Dass seine Hautfarbe jedoch | |
dunkler ist, ließ Ewiggestrige aufmucken, als [2][Patel in „David | |
Copperfield“] den britischen Autor spielte oder in [3][„The Green Knight“ | |
einen der Ritter der Tafelrunde]. | |
Andererseits wurde der Brite Patel von Indern dafür kritisiert, dass er in | |
„Hotel Mumbai“ oder „Best Exotic Marigold Hotel 2“ Inder spielte, er al… | |
„richtigen“ Indern die Rollen wegnehmen würde. | |
## Produktion, Regie, Hauptrolle | |
Man darf getrost davon ausgehen, dass diese von allen Seiten auf Patel | |
einprasselnden Vorwürfe, die Frage, welche Identität ihn besonders prägt, | |
Einfluss auf sein Regiedebüt „Monkey Man“ hatte. Patel entwickelte dafür | |
nicht nur die Geschichte, schrieb am Drehbuch mit, agierte als Produzent | |
und führte Regie, sondern spielte auch noch die Hauptrolle. Vielleicht ein | |
bisschen viel, vielleicht ein Grund, warum das Ergebnis manchmal zu | |
zerbersten droht, aber gewiss auch der Grund, warum „Monkey Man“ auf so | |
spannende Weise östliche und westliche Einflüsse zu einem sehr zeitgemäßen | |
Film verknüpft. | |
Es dauert eine Weile, bis man Patels Gesicht sieht. Lange trägt seine Figur | |
Kid eine Maske, agiert in brutalen Fights als Wiedergänger von Hanuman, | |
einer indischen Gottheit in Affengestalt. Seine rechte Hand ist vollkommen | |
vernarbt, sein Körper gestählt, sein Wille anfangs nur auf Rache gepolt. | |
In der fiktiven Stadt Yatana spielt die Geschichte, gedreht wurde in | |
Mumbai, bewusst werden die extremen Gegensätze der Stadt betont: Auf der | |
einen Seite die Slums, die Armut, Menschen, die im Dreck leben, auf der | |
anderen die Clubs der Reichen, der Elite, die sich bedienen lassen, koksen | |
und Prostituierte benutzen. Einer dieser Clubs wird von Queenie (Ashwini | |
Kalsekar) geleitet, bald wird Kid hier arbeiten, versuchen, in die Nähe des | |
korrupten Polizisten Rana (Sikandar Kher) zu kommen, der einst seine Mutter | |
ermordete. | |
Simpel und archaisch läuft diese Ebene der Geschichte ab, überdeutlich von | |
den „John Wick“-Filmen beeinflusst, deren in Neon getauchte Actionszenen | |
Patel augenscheinlich inspiriert haben. Mit dem Unterschied, dass hier | |
weniger mit Pistolen als mit Fäusten agiert wird, besonders eine | |
spektakuläre Prügelei in einer Toilette bleibt in Erinnerung, nach der Kid | |
kaum lebend in die Unterwelt absteigt. | |
Hier nimmt „Monkey Man“ seine ungewöhnlichsten Wege, streift Patel nicht | |
nur die klassische indische Mythologie, sondern thematisiert auch den | |
zunehmenden Nationalismus des inzwischen bevölkerungsreichsten Landes der | |
Erde. Ein finsterer Guru taucht auf, der einen korrupten Politiker | |
protegiert, das immer noch existierende Kastensystem wird gestreift, bei | |
einem in einem unterirdischen Tempel inklusive Bodhibaum lebenden | |
Transsexuellen findet Kid eine Heimat und erkennt seine Bestimmung. | |
## Sympathie für die Außenseiter der Gesellschaft | |
In der Rolle eines Außenseiters begann vor 15 Jahren Patels Karriere, und | |
ungeachtet seines Erfolgs hat er sich die Sympathie für die Außenseiter der | |
Gesellschaft bewahrt. Nicht selbstverständlich für den Sohn von Migranten, | |
wie die politische Haltung des aktuellen britischen Premiers Rishi Sunak | |
beweist, der die Regeln zur Einwanderung in einer Weise verschärfen will, | |
die es seinen Eltern unmöglich gemacht hätten, nach Großbritannien zu | |
emigrieren. | |
Dev Patel dagegen hat die Suche nach seiner Identität auf künstlerisch | |
inspirierende Weise genutzt, Einflüsse aus Ost und West aufgenommen, die | |
sich inhaltlich, aber nicht zuletzt stilistisch in „Monkey Man“ | |
wiederfinden: Manche Bilder erinnern an indische Historienepen, andere | |
könnten direkt aus „John Wick“ stammen; manche Figuren leben tief in der | |
indischen Mythologie, andere stammen deutlich aus dem Hollywood-Fundus. | |
Dass „Monkey Man“ am Ende keine konzeptlose Aneinanderreihung | |
unterschiedlicher Einflüsse bleibt, sondern sie zu etwas Eigenem werden, | |
macht dieses im besten Sinne globalisierte Actionepos besonders | |
bemerkenswert. | |
9 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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