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# taz.de -- Thumbnails bei YouTube: Vor dem Klick schon rechts
> Bevor man auf ein YouTube-Video klickt, sieht man ein Vorschaubild, das
> eine Botschaft kommuniziert. Das machen sich auch rechte Kräfte zunutze.
Bild: Mehr Reichweite mit starken Emotionen
Thumbnails sind ein Vorgeschmack auf das, was Zuschauer:innen in einem
Video erwartet. Gleichzeitig müssen die kleinen rechteckigen Vorschaubilder
genug Interesse wecken, damit auch tatsächlich geklickt wird.
Die Voransicht folgt dabei keiner festen Logik. Manche der Thumbnails haben
bereits im Vorschaubild viel Text, andere haben nur eine griffige, meist
wortkarge Überschrift oder auch nur ein aussagekräftiges Bild. Der Kanal
der „Tagesschau“ zum Beispiel hat überwiegend Vorschaubilder in ihrem
ikonischen Blau, dazu eine simple Überschrift. Dagegen hat der Kanal
[1][des amerikanischen Fernsehsenders Fox News] keine Schlagzeilen in
seinen Thumbnails, sondern nur ein für sich sprechendes Bild und das Logo
im unteren linken Bild. Viele Kanäle, insbesondere die mit professionellen
Agenturen im Hintergrund, entwickeln ab einer gewissen Größe und Reichweite
ein einheitliches Auftreten und eine Optik mit Wiedererkennungswert.
[2][Das Video hinter dem Thumbnail] kann mehrere Minuten, Stunden oder auch
nur ein paar Sekunden dauern – doch der erste Eindruck entsteht durch das
kleine Vorschaubild. Die Assoziationen, die dadurch entstehen, machen sich
auch populistische und radikale Kräfte zunutze.
Dieses Framing durch Thumbnails sieht man auch in der deutschen
Medienlandschaft, vornehmlich auf YouTube. „AfD TV“, der offizielle Kanal
der antidemokratischen Partei, ist ein Musterfall dafür. Der Aufbau der
Vorschaubilder folgt einer klaren Struktur: Ein:e AfD-Politiker:in
präsentiert sich auf dem Thumbnail, daneben ein kerniges, meist aggressives
und feindseliges Zitat aus einer Rede.
Es dominieren die Farben Weiß, Rot und das typische Hellblau der Partei.
Das Zitat geht größtenteils nur über wenige Worte, bestimmte Wörter sind
unterstrichen oder hervorgehoben. „Neue Rekordschulden“, „Klima-Ideologie…
„Corona-Lügen“, „Ukrainer zurück in die Heimat“, „Scholz aus dem
Bundestag“, „Verschwenderische Ampel“, „Obdachlos mit der Ampel“,
„Re-Migration“ – die Inhalte, wenn man sie denn so nennen will, werden
farblich hervorgehoben und rot hinterlegt.
## Kampf um Aufmerksamkeit
Auch die umstrittene Rede von Alice Weidel, in der sie der Regierung Ende
Januar vorwarf, Deutschland zu hassen, wird mit einem markanten Thumbnail
präsentiert. „Diese Regierung hasst Deutschland“ liest sich auf dem
Vorschaubild, daneben ein Bild der Politikerin am Rednerpult. Das Wort
„hasst“ ist dabei überdimensional groß und vereinnahmt das Bild.
In einer kaum überschaubaren Masse an täglich hochgeladenen YouTube-Videos
müssen Thumbnails umso mehr hervorstechen, damit das Publikum auf das Video
aufmerksam wird. Dabei vermitteln die Vorschaubilder schon vor dem Ansehen
einen Ersteindruck und damit auch eine Erwartungshaltung.
„Durch ein Thumbnail kann ein Framing, also ein Rahmen beziehungsweise eine
Deutungsperspektive vorgegeben werden, der die Rezeption des Videos im
Anschluss lenkt“, bestätigt die Kommunikationswissenschaftlerin Julia
Metag. Die Professorin für Kommunikationswissenschaft der Universität
Münster setzt sich mit politischer Kommunikation auseinander und weiß um
die Suggestionskraft der Bildvorschau.
„Wenn ich also mit dem Thumbnail einen bestimmten ersten Eindruck erwecke,
kann es sein, dass dieser beeinflusst, wie das Video rezipiert und
eingeordnet wird“, so Metag. Sie macht besonders auf den Personenkult
aufmerksam, den die AfD betreibt. Denn: „Bei Thumbnails rechter
YouTube-Kanäle stehen oft Personen im Vordergrund.“ Zwar sind die
Internetauftritte von Parteien oft personenzentriert, doch präsentieren
sich gerade die AfD-Politiker:innen in ihren Thumbnails als Kämpfende.
## Das Spiel mit der Angst
„Brandner sprengt die Phoenix-Runde“, heißt es in einem Thumbnail. In einem
weiteren behauptet Martin Reichardt: „Nicht einmal unsere Fahne darf man
noch zeigen.“ Kommunikationswissenschaftlerin Metag erkennt in den
Vorschaubildern auch die erste Protestbotschaft: „Insgesamt zeigt sich
schon in den Thumbnails, dass YouTube hier als eine Art alternatives Medium
benutzt wird. So wird in diversen Texten in den Thumbnails ein Protest
gegen die angeblichen Mehrheitsmeinungen oder den bürgerlichen,
hegemonialen Diskurs erwähnt.“
Laut der Kommunikationswissenschaftlerin verstehen sich die Videos als
Korrektiv, das eine angebliche Wahrheit enthüllen und den öffentlichen
Diskurs beeinflussen will. Immer wieder finden sich auf AfD TV Bezüge auf
das Coronavirus. So behauptet der Politiker Kay-Uwe Ziegler: „Nicht Corona
hat die Kinder krank gemacht, sondern Ihre Politik“, während Martin Sichert
meint: „Wir haben ihre Corona-Lügen entlarvt.“ Hört man sich die Reden und
Argumente dann einmal an, gibt es aber weder Enthüllungen noch Beweise für
die Thesen der AfD.
Dazu betont Metag, dass es ein entscheidender Teil der
Kommunikationsstrategie rechter Thumbnails ist, Angst und Empörung
zu schüren. Mit starken Emotionen lassen sich mehr Aufmerksamkeit und
dadurch Reichweite generieren. Letztendlich sind das die großen
Klicktreiber auf YouTube: Angst, Ekel, Empörung und Wut. Mit Überschriften
wie „Neue Rekordschulden: Die Ampel umgeht schon wieder das Grundgesetz“
spielt die AfD genau auf dieser emotionalen Klaviatur.
Metag sieht darin eindeutig Populismus. Besonders auffällig sei, dass die
Vorschaubilder immer wieder einen Gegensatz zwischen Bürger:innen und
den Eliten herbeireden. „Dieses Narrativ, das Volk gegen die Eliten, wird
häufig schon in den Thumbnails angesprochen. Auch ein Merkmal von
Verschwörungstheorien, nämlich dass die Elite einen geheimen Plan hat, den
die Akteure aufgedeckt haben, lässt sich in einigen Thumbnails finden“,
sagt Metag.
## Der Wunsch nach Spaltung
Gerade bei dem [3][rechtsextremistischem Medium Compact ] sieht man, wie
stark die Thumbnails eine gesellschaftliche Spaltung propagieren. In einem
Video von Dezember letzten Jahres lautet der Titel eines Thumbnails: „Das
Volk leidet – Die Ampel baut Paläste!“, daneben eine Karikatur von Habeck
im französischen Adelsgewand. Ähnlich extrem ist ein Bild des Kölner Doms
in Flammen, gepaart mit einem schreienden Imam im Vordergrund. Compact
macht bereits in den Thumbnails deutlich, welches Narrativ sie bedienen und
auf welches Feindbild sie abzielen.
In der rechten Thumbnailgestaltung und -kommunikation sieht Metag viele
Parallelen. Die Vorschaubilder rechter Kanäle zielen im Kern auf die
gesellschaftliche Spaltung und wollen mit dieser Angst ihr Publikum
ansprechen. Was die Menschen aufregt – Ampelpolitik, Klimaschutz,
Flüchtende, Religion – scheint beinahe nebensächlich zu sein. Hauptsache,
die Vorschau festigt bereits bestehende Meinungen und radikalisiert sie
noch mehr.
Doch der Fokus auf Hass und Panik hat System. Die Vorschaubilder bilden
einen festen Bestandteil der rechten Medienstrategie. Die populistische
Aufmachung ist letzten Endes eine visuelle Version der reißerischen
Schlagzeile, eine bildliche Version der verschmähten
Clickbait-Überschriften. Dadurch schafft es die Rechte, selbst eine
Kadrierung für ihre Zwecke zu politisieren.
7 Apr 2024
## LINKS
[1] /Tucker-Carlson-interviewt-Wladimir-Putin/!5991060
[2] /Rechtsextremismus-auf-YouTube/!5619514
[3] /Ludwig-und-Press--Book-kicken-Compact/!5987446
## AUTOREN
Martin Seng
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Kolumne Der rechte Rand
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