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# taz.de -- Zeche Zollverein in Essen: Mächtig viel Kohle und Kultur
> Einst war sie die größte Steinkohlezeche der Welt. Heute ist die Zeche
> Zollverein ein Gesamtkunstwerk und Ort der Begegnung für Anwohner und
> Touristen.
Bild: Eintauchen in eine ehemalige Industrielandschaft
Essen taz | Essen Hauptbahnhof: Ich schlängele mich vorbei an Schülern mit
Basecaps und Chipstüten, an Menschen mit Kinderwagen, mit baumelnden
Einkaufstaschen und Rollkoffern, die einander im Gemenge nur knapp
verfehlen. Ich nehme die Rolltreppe runter zur „KulturLinie 107“ in
Richtung Katernberg. Nach ein paar Stationen fährt die Bahn über Tage. Grau
verputzte Einfamilienhäuser reihen sich hier etwas ratlos an den
Straßenrand. Links liegt ein Friedhof und das Krankenhaus Stoppenberg, ein
eindrucksvoller Rotklinkerbau. Seine historischen Wurzeln hat das Haus
1881: Die steigende Zahl der Unfallverletzten und Lungengeschädigten aus
dem Bergbau machten eine Klinik notwendig.
## Eiffelturm des Ruhrgebiets
Kurz darauf hält die Bahn an der [1][Zeche Zollverein]. Da ragt er auf, der
markante rostrote Förderturm, auch „Eiffelturm des Ruhrgebiets“ genannt, 55
Meter hoch zwischen riesigen Hallen und Querbauten, das Symbol einer ganzen
Region.
Die Zeche Zollverein, einst war sie die größte Steinkohlezeche der Welt,
inzwischen ist sie mit ihren 100 Hektar Fläche ein Gesamtkunstwerk, seit
2001 Unesco-Welterbe. Verantwortlich für die komplett durchrationalisierte
Schachtanlage im Bauhausstil waren die Architekten Fritz Schupp und Martin
Kremmer.
Mit dem Unternehmer Franz Haniel hatte alles begonnen: Ihm gelang es 1834
erstmals, die als undurchdringlich geltende „Mergelschicht“ der Steinkohle
zu durchstoßen. 1847 gründete er die Zeche Zollverein, in der anschließend
139 Jahre lang Kohle abgebaut wurde. An die 8.500 Menschen haben hier
gearbeitet. Unter, in manchmal 1.000 Meter Tiefe, und über Tage. Haben
täglich bis zu 10.000 Tonnen Kohle aus der Erde geholt und für die
Weiterverarbeitung vorbereitet.
All das lerne ich bei der Führung „Über Kohle und Kumpel“ mit Rolf. S.,
einem ehemaligen Bergbauarbeiter. Vom zollfreien Warentausch erfahre ich,
von Ewigkeitslasten und von der gefährlichen Gas-Freisetzung beim
Kohleabbau, weshalb die Versorgung mit „frische Wetter“ – unverbrauchter
Luft – unter Tage so enorm wichtig war. Ich sehe Schrauben so groß wie
Kindsköpfe, gehe durch riesige Hallen mit Eisenbahnschienen und einer
ausgeklügelten Wipperanlage. Ein „fast geräuschloser Vorgang, können Sie
sich ja vorstellen“, kommentiert Rolf S. trocken. Fahl fällt das
Sonnenlicht durch die Fenster, während ein Soundschnipsel den
Besucher*innen eine ungefähre Ahnung davon gibt, wie brüllend laut es
hier zu Betriebszeiten war. Die Luft ist kalt. Es riecht nach Metall.
Steile Stahltreppen führen wieder nach unten. „Gehen Sie immer weiter. Da
sehen Sie meine Freundin, Sie können Sie nicht verfehlen“, ruft Rolf S.
fröhlich. An einer Backsteinwand breitet eine Frauenstatue sanft ihre Arme
aus: Es ist die „Heilige Barbara“, die Schutzpatronin der Bergleute.
Draußen folgt eine französische Schulklasse brav ihrem Tagesprogramm,
zwischen zwei Hallen haben ein paar Spielfreudige einen
Geschicklichkeitsparcours aufgebaut, während im Besucherzentrum Magnete mit
„Komm mal bei mich bei“-Schriftzügen verkauft werden. Die Wolkendecke hat
sich wieder zugezogen. Fast übermütig wirken die Magnolienblüten am
Wegrand, die ihre zarten, violett-weißen Blätter ins kalte Frühjahr
strecken.
## Millionenschwere Sanierungsphasen
Als „strukturschwachen Norden“ bezeichnet man mittlerweile jene Stadtteile,
die damals stetig um das Kohlebergwerk herum gewachsen waren. So lange, bis
die Zeche am 23. Dezember 1986 geschlossen wurde. Arbeitsplatzverluste und
soziale Probleme folgten. Eine Internationale Bauausstellung (1989/90), ein
auf zehn Jahre (1989–1999) angelegtes Zukunftsprogramm des Landes
Nordrhein-Westfalen, millionenschwere Sanierungsphasen nach dem Prinzip
„Erhalt durch Umnutzung“ und eine „Kulturhauptstadt Europa“ (2010) spä…
ist die Zeche ein internationales Zentrum für Kultur und Kreativwirtschaft
und ein Ort der Begegnung. Für Anwohner, Studierende und Tourist*innen
aus aller Welt.
Man trifft sich etwa beim Klavier-Festival Ruhr im Salzlager der Kokerei,
auf dem sommerlichen Zechenfest, im Werkschwimmbad, auf dem Stone Techno
Festival oder an der Folkwang Universität der Künste. Es gibt
Ausstellungen, Parkour-Trainings, zahlreiche Workshops, Design- und
Street-Food-Märkte sowie ein Erzählcafé für Menschen aus dem Quartier.
Im Norden des Geländes, hinter der ehemaligen Kompressorenhalle – seit 1996
das „Casino“, eine begehrte Eventlocation – und noch hinter dem ehemaligen
Kesselhaus – seit 1997 das von Norman Foster gestaltete Red Dot Design
Museum – liegt das Kulturzentrum PACT Zollverein. PACT wie: Performing Arts
Choreographisches Zentrum NRW Tanzlandschaft Ruhr. Dass dort einst die
Waschkaue war, die Umkleide und Dusche der Bergleute, davon erzählen die in
die Wände eingelassenen Seifenschalen. In manchen liegt sogar noch ein
Stück Seife.
7 Apr 2024
## LINKS
[1] https://www.zollverein.de/
## AUTOREN
Katrin Ullmann
## TAGS
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