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# taz.de -- Die Wahrheit: Jeden dritten Euro für die Antifa
> Der wahre Ortstermin: Unterwegs mit einem, der die deutsche
> Bierwirtschaft ankurbelt. Mit Prozenten.
Bild: Gluck, gluck, zum Glück ein Schluck
Unter dem Beifall von rund vierhundert meist männlichen Zuschauern legt
Paul Kowalski dem neuen Bierbauch-Schönheitskönig seine güldene
Siegerschärpe um. Der Gewinner, ein 60-jähriger Staubsaugervertreter aus
Radevormwald, reibt sich im Blitzlichtgewitter zunächst zaghaft über seinen
kapitalen Wanst. Als er zeitgleich zum explosionsartig einsetzenden
Goldschnipsel-Regen den von Kowalski überreichten Wanderpokal in die Höhe
reckt, geschieht es. Im Saal wird jede Vorsicht im Hinblick auf das
Konsumieren riesiger Alkoholmengen über Bord geworfen. Türen schwingen auf.
Kellner stürzen sich mit eimerähnlichen Trinkgefäßen ins Gewühl. Am Ende
der als Frühschoppen ausgelegten Veranstaltung soll kein einziger Tropfen
überleben.
Wir treffen Kowalski zur späten Mittagszeit im völlig verwüsteten Festzelt
beim Zählen seiner Einnahmen. Seitdem die deutsche Bierwirtschaft tief in
der Krise steckt, muss der 56-jährige Kleinbrauerei-Besitzer aus Remagen
neue Wege gehen, um sich mit seiner Traditionsmarke „Kowalski Kenneralt“
über Wasser zu halten. „Die Unzufriedenheit in der Gesellschaft ist so hoch
wie nie, überall wird gejammert und genörgelt, dabei liegt die Lösung doch
auf der Hand“, keckert der Bier-Sommelier und führt grinsend ein imaginäres
Altglas zum Mund.
Solange die Ampelregierung noch an der Macht ist, möchte Kowalski das
vorhandene Frustpotenzial nutzen und großflächig Schluckanreize bieten.
Dazu gehört die Möglichkeit, an jedem ersten Mittwoch im Monat in einem von
seinen riesigen Braukesseln zu baden und dabei so viel zu trinken, wie man
möchte. Laut Kowalski ein Arrangement, von dem durchaus beide Seiten
profitieren. „Allen Hygienebedenken zum Trotz hat sich unser Alt durch das
Entwickeln einer leicht miefigen Stammwürze kombiniert mit blumigen
Herrenkörper-Aromen über Nacht zum Bestseller gemausert.“
Mit einem stattlichen Koffer voller Bargeld fahren wir anschließend bei
Kowalskis Hausbank vorbei und dann im Firmenbus zu einem seiner angesagten
„No-More-Health-Stores“ auf der Düsseldorfer Königstraße. Hier bietet der
Meisterbrauer alternative Medizinprodukte für diejenigen an, die gepflegten
Besäufnissen mit anschließendem Vollrausch zwar eine Absage erteilt haben,
sich der wohltuenden Heilkraft des Altbiers aber grundsätzlich nicht
verschließen.
## Traditionen
„Die Älteren unter uns können sich wahrscheinlich noch gut an warmes Bier
als traditionelle Erkältungsmedizin erinnern“, fachsimpelt der Brauer.
„Dieses Prinzip habe ich in Zusammenarbeit mit heilkundigen Alpenschamanen
auf ein komplettes Sortiment ausgeweitet. Von Bier als Hustensaft für
Kinder über Halsbonbons mit Bierfahnen-Aroma bis hin zu Bier-Schmerzcreme
und Bier-Rescue-Tropfen für das kommende Superwahljahr ist praktisch alles
dabei. Sogar Tiermedizin. Schauen Sie mal hier!“
Der geschäftige Unternehmer Kowalski reicht uns eine Pulle seines
Kennerbräus, deren Inhalt im Napf von nervös dauerkläffenden Kleinhunden
wahre Wunder wirken soll. Allzu viel verdient er mit der taufrischen
Medizinsparte im Gegensatz zu seinem „Kowalski Kenneralt“ bisher noch
nicht. „Und ganz im Gegensatz zu meinen Catering-Diensten für die Bundes-
und Landespolitik. Schön für Sie, dass heute just in der Nähe wieder ein
extrem lukrativer Termin ansteht!“
Nach kurzer Weiterfahrt erreichen wir mit unserem Brauereimogul und einer
mobilen Starkbier-Zapfeinheit die von ihm gepriesene Goldgrube. Wir sind
leicht irritiert, bringt Kowalski sich doch ausgerechnet vor der
Parteitags-Location der nordrhein-westfälischen AfD in Stellung.
## Ein Prosit
Kaum hat er an einem eilig ins Gras gerammten Flaggenmast das
schwarz-rot-bierfarbene Banner nach oben gekurbelt, drängen sich vor dem
14.000-Liter-Tankwagen mit der Aufschrift „Bier nur für Deutsche“ bereits
zahllose Delegierte. Das Kowalski-Bräu fließt in Strömen. Der Alkoholpegel
steigt. Dass ihm die Kundschaft zutiefst missfällt und er kackdreisten
Demokratiefeinden dennoch frisch Gezapftes kredenzt, ist für den
Schaumschläger kein Widerspruch. „Sie glauben doch nicht, dass die da
drinnen überhaupt irgendwas gleich auf die Kette kriegen würden, so
besoffen, wie die sind“, lacht Kowalski, der für die Zubereitung seines
zwölfprozentigen Spezialtrunks selbst mit Bürste, Schwamm und
Hornhaut-Fußraspel in den Kessel gestiegen ist.
Vom heutigen Bierwagen-Erlös spendet er zudem jeden dritten Euro an die
örtliche Antifa. Auf dem Weg zurück zum Bus bringt der Entrepreneur noch
eben einige komatöse Delegierte in die stabile Seitenlage. Dem bereits
schwer angeschickerten AfD-Landesvorsitzenden, der sich gerade vor
laufender Kamera um Kopf und Kragen lallt, drückt er im Vorbeigehen
vorsorglich einen weiteren, frisch befüllten 2-Liter-Krug in die Hand.
Indes geht es für uns an den immer zahlreicher eintreffenden
Übertragungswagen und Pressefahrzeugen vorbei zu Kowalskis Hausbrauerei.
Dort hat er uns zum Ausklang des Tages ein ausgiebiges Bad im Braukessel
mit anschließender Spezial-Flaschenabfüllung versprochen.
Das edle Wahrheit-Reporter-Bräu wollten wir uns eigentlich für einen
Regentag aufheben. Als jedoch die Eilmeldung „Skandal! AfD-Parteitag
versinkt im Suff“ als Pushnachricht auftaucht, lassen wir den
Bügelverschluss zur Feier des Tages doch noch ploppen. „Auf Sie, Herr
Kowalski. Prost!“
5 Apr 2024
## AUTOREN
Patric Hemgesberg
## TAGS
Die Wahrheit
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Bier
AfD Nordrhein-Westfalen
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Kolumne Speckgürtelpunks
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Schwerpunkt AfD
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