| # taz.de -- Tödlicher Unfall in der Leipziger Straße: Populismus hilft jetzt … | |
| > Nach dem Tod von zwei Menschen gibt es viel Kritik an der Verkehrspolitik | |
| > des schwarz-roten Senats. Die scheint nicht wirklich durch Fakten | |
| > gedeckt. | |
| Bild: Blumen und Kerzen erinnern an den Tod von zwei Menschen bei einem Verkehr… | |
| Wenn Menschen sterben und dann auch noch ein Kind dabei, ist das meistens | |
| schrecklich, egal ob wie jetzt in der Leipziger Straße im Verkehr oder | |
| zuhause. Was es dabei nicht braucht: Versuche, diese Todesfälle für die | |
| eigenen Ziele zu nutzen, ja, zu instrumentalisieren. Das aber passierte | |
| nach dem tödlichen Unfall am vergangenen Samstag, durch Äußerungen im Netz | |
| wie auch bei einer Mahnwache am Tag darauf. | |
| Von der Deutschen Umwelthilfe etwa war [1][beim Kurznachrichtendenst „X“] | |
| zu lesen: „Jeder, der die Verkehrssituation auf der Leipziger Straße kennt, | |
| weiß: Die Toten von Berlin sind die Opfer einer autogerechten Stadt.“ | |
| Leider habe Berlin momentan einen schwarz-roten Senat, „der dieses Problem | |
| ignoriert und stattdessen Tempo-30-Zonen abschafft“. | |
| Der Verein Fuss wiederum beließ es nicht bei einer Attacke auf den Senat | |
| insgesamt, sondern [2][griff Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) direkt | |
| an]: „Sie haben angekündigt, dass Sie hier auf diesem Stück Straße sowie an | |
| 29 anderen Hauptstraßen das aktuelle Tempolimit wieder von 30 auf 50 | |
| hochsetzen wollen“, hieß es im Rahmen der Mahnwache von der | |
| Fußverkehrs-Lobby. Spätestens seit den Todesfällen „sollten Ihnen die Augen | |
| geöffnet sein.“ | |
| Und im Bundestag riefen grüne Verkehrspolitiker schnell nach | |
| [3][Fahrtauglichkeitstests bei Senioren] – weil der mutmaßliche | |
| Unfallverursacher 83 Jahre alt war. | |
| ## Tragischer Fall mit mehr als einer Facette | |
| Die Sache ist bloß: Zum Unfallzeitpunkt galt auf der Leipziger Straße das | |
| geforderte Tempo 30 – und [4][der renommierte Unfallforscher Siegfried | |
| Brockmann] ordnete die berichtete Raserei des 83-Jährigen im Tagesspiegel | |
| als „eher typisch für junge Fahrer“ ein: „Für einen Senior ist dieser | |
| Unfall völlig untypisch.“ Gleichzeitig weist er den Unfallopfern bei aller | |
| Tragik eine Mitverantwortung zu: „Der gesunde Menschenverstand verbietet | |
| es, dort diese Straße zu überqueren.“ | |
| Nach bisheriger Kenntnis hatte die von dem Auto erfasste Frau mit ihrer | |
| Tochter die Leipziger Straße zwischen sich dort stauenden Autos überquert | |
| statt rund 100 Meter entfernt an einer Fußgängerampel. Durch eine Lücke | |
| zwischen den Autos traten sie auf den Radweg, wo der 83-Jährige | |
| widerrechtlich, wiederum nach bisherigem Kenntnisstand, am Stau vorbei zu | |
| fahren versuchte und das mit überhöhter Geschwindigkeit. | |
| Richtig ist: Wäre der Radweg von der Fahrbahn abgetrennt gewesen, mit | |
| Pollern oder einer Seitenwand, hätte das Auto dort nicht hinkommen können. | |
| Was aber genauso hätte passieren können: Mutter und Tochter hätten abrupt | |
| vor einem Radler stehen können, der dort völlig legal mit 30 km/h unterwegs | |
| ist. Auch das hätte zu schwersten Verletzungen bis zum Tod führen können, | |
| auch beim Radfahrer. | |
| Und auch eine Absperrung allein schützt nicht komplett: An Kreuzungen ist | |
| sie zwangsläufig unterbrochen – gegen Raser, Rot-Ignorierer und | |
| Schulterblick-Vergesser hilft dort bloß, selbst vor allem auf Abbiegespur | |
| und einmündenden Verkehr zu schauen. | |
| ## Klärung der Schuldfrage ist Sache der Justiz | |
| Den Unfall mit der schwarz-roten Verkehrspolitik in Verbindung zu bringen, | |
| ist durch die vorliegenden Fakten des Unfalls nicht gedeckt. Führt man die | |
| Debatte auf derart populistische Weise, könnte man auch den Grünen | |
| Versäumnisse vorhalten. Dann ließe sich fragen: Warum gibt es an dieser | |
| Stelle nicht aus deren Regierungszeit heraus längst einen geschützten | |
| Radweg? | |
| Immerhin wurde das Mobilitätsgesetz schon im Sommer 2018 im | |
| Abgeordnetenhaus zur Zeit einer rot-rot-grünen Koalition beschlossen. Und | |
| während die CDU-Politikerin Schreiner seit weniger als elf Monaten | |
| Verkehrssenatorin ist, besetzten die Grünen ab Dezember 2016 fast | |
| sechseinhalb Jahre lang dieses Amt. | |
| Schuld ist aber keine Grüne und auch keine CDU-Verkehrssenatorin. Schuld | |
| ist, folgt man Unfallforscher Brockmann, auch nicht das Alter des Fahrers. | |
| Mit der Schuldfrage wird sich die Staatsanwaltschaft befassen und | |
| mutmaßlich ein Gericht. Was sich konkret an der Leipziger Straße verbessern | |
| muss, ist nüchtern zu klären – und nicht mit verkehrspolitischem | |
| Populismus. | |
| 15 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/sascha_m_k/status/1766813745169190931 | |
| [2] /!5994682/ | |
| [3] https://www.rnd.de/politik/fuehrerschein-im-alter-gruene-fordern-fahrtaugli… | |
| [4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/gibt-es-konsequenzen-nach-dem-crash-wie-… | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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