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# taz.de -- Neuer Bremen-„Tatort“: Alt aussehen im Wald
> Im Tatort „Angst im Dunkeln“ geht es um drei Kinder, die ihre Mütter im
> Wald aussetzen. Das muss sich auch erstmal jemand ausdenken. Aber wozu?
Bild: Die Teenager-Kinder Lily Seifert, Anselm Klem und Deniz Ömer machen schn…
Ein Geständnis vorweg: Ich schaue normalerweise keinen Tatort und bin
deshalb ein Laie, was Krimis angeht. Als Kind habe ich mich am Sonntagabend
gerne zwischen meine Eltern gekuschelt, die den deutschen Heiligtümern
[1][Lindenstraße] und [2][Tatort] huldigten. Das ist lange her. Jetzt hab
ich den Tatort Bremen, der am Ostermontagabend im Ersten ausgestrahlt
wird, gesehen.
Ich hatte den Vorsatz, dem Tatort eine Chance zu geben. Vielleicht stimmt
das Klischee, was sich in meinem Kopf festgesetzt hat, gar nicht,
vielleicht wird es gar nicht so schlecht und peinlich wie erwartet.
Im Tatort „Angst im Dunkeln“ geht es um drei Kinder, die ihre Mütter im
Wald aussetzen – quasi Hänsel und Gretel auf den Kopf gestellt. Eigentlich
wollten die Mütter ihre Kinder im Wald aussetzen. Sie nennen das „Dropping“
und sehen darin [3][eine erbauliche Maßnahme: Die Kinder sollen nur mit
Zelt, Proviant, Kompass und Karte bewaffnet wieder aus dem Wald heraus
finden.] Aber weil das ein bisschen gefährlich sein könnte, wollten die
Mütter es erstmal selbst ausprobieren. Der Versuch geht schief, eine von
ihnen stirbt. Getötet, in der zweiten Nacht im Wald, wie die beiden
Kommissarinnen schnell herausfinden.
Eine der Ermittlerinnen ist Liv Moormann (gespielt von Jasna Fritzi Bauer).
Klein und burschikos trägt sie ihr Herz auf der Zunge: „Scheiß Wald“, mur…
sie immer wieder – und wer möchte ihr da widersprechen. Ihre Kollegin Linda
Selb (gespielt von Luise Wolfram) ist eher verhalten, will etwa ungern
darüber reden, dass sie demselben Milieu der oberen Mittelschicht Bremens
entstammt, aus dem sich auch das Opfer sowie einige der potenziellen
Täter:innen rekrutieren.
## Mit der Schusswaffe fuchteln
Dort, hinter den feinen Fassaden von Schwachhausen, liegt einiges im Argen,
das wollen uns die Tatort-Macher:innen glauben lassen. Aber was sich
dahinter auftut – Affären, Intrigen, Mobbing – wirkt so gestelzt und
aufgesetzt, dass ich es aller guten Vorsätze zum Trotz nicht kaufen kann.
Die Kinder hängen erst zusammen auf einem Rooftop ab und fuchteln
irgendwann mit einer Schusswaffe herum.
Eine Gartenparty zu Ehren der Verstorbenen endet fast in einer Schlägerei.
Das alles kommt leider gar nicht authentisch rüber, sondern eher, als hätte
jemand eine Künstliche Intelligenz beauftragt, sich ein grün-bürgerliches
Familiendrama zwischen Goethebüsten und Pianoflügeln auszudenken.
Immer wieder blendet der Film zur tödlichen Waldexpedition der drei Frauen
zurück. Eine von ihnen wird dort von ihrem Liebhaber besucht, nur damit sie
kurz rumknutschen können. Blöd nur, dass sie dabei beobachtet werden: What
happens in the forest, doesn’t stay in the forest.
Wenn die Kinder sich nicht gegenseitig mit Pistolen bedrohen, sind sie
irgendwie auch ständig im Wald, einmal um ihren Müttern Angst einzujagen
und ihnen den Kompass wegzunehmen, dann wieder um sie zu suchen, weil es
vielleicht keine gute Idee war, ihnen den Kompass wegzunehmen. Natürlich
muss es dann noch eine Verfolgungsjagd im Wald geben. Zum Abschluss die
dramatische Endszene in Slow Motion, hinterlegt mit gefühlvoller Musik –
Bingo!
Ich kann mangels aktueller Vergleichswerte nicht einordnen, ob [4][dieser
Tatort eher besser oder eher schlechter als der Durchschnitt] ist – hoffe
aber auf letzteres. Mich ließ er mit einem dumpfen, unbehaglichen Gefühl
zurück. Es war cringe.
1 Apr 2024
## LINKS
[1] /Initiator-ueber-Lindenstrasse-Demo/!5566349
[2] /Corona-und-seine-Folgen/!5821258
[3] /Prepper-in-Taiwan/!5978932
[4] /Schauspieler-Uwe-Preuss-ueber-Krimis/!5891896
## AUTOREN
Leon Holly
## TAGS
Wochenendkrimi
TV-Krimi
Bürgerliche Mitte
Tatort
Mütter
Wald
TV-Krimi
Schwerpunkt Femizide
Lesestück Recherche und Reportage
Tatort Bremen
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