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# taz.de -- „Tatort“ aus Bremen: Brrrreeemm, Brrrreeemm
> Dicke Karren, toughe Mädels, und das alles in Bremerhaven. Der neue
> „Tatort“ spielt in der Tuner-Szene, Kulisse ist ein altes
> Karstadt-Gebäude.
Bild: Das Ermittlerteam fragt sich: Was weiß der Tallyman, Spitzname Pinkie?
Dieser neue „Tatort“ von Radio Bremen ist besonders, wartet er doch mit
einer längst überfälligen Premiere auf, weil er erstmals zum großen Teil in
Bremerhaven spielt und dort auch gedreht wurde und nicht wie sonst immer
allein in Bremen. Und auch, weil man den Krimi auf gleich dreifache Art
besprechen könnte.
„Donuts“ verhandelt erstens einen spannenden Kriminalfall. Dabei geht es
nicht um die Lebensmittelindustrie, wie der Filmtitel nahelegen könnte,
sondern um Autos. Denn auf einem der größten Automobilumschlaghäfen Europas
(wenn man das zum ersten Mal sieht: diese irren Ausmaße, die vielen Autos!)
wird eine Leiche gefunden. Aus einem Wagen tropft Blut auf den Asphalt.
Schnell wird klar, dass es sich bei dem Toten im Kofferraum um den
Bereichsleiter der Fahrer handelt.
Zuständig sind die Polizeikollegen aus Bremerhaven. Eigentlich. Denn die
Bremer sind am Zug, weil vor 200 Jahren, so erzählt es jedenfalls
Ermittlerin Linda Selb (Luise Wolfram), das Hafengrundstück für viele
Goldtaler an Bremen ging. Selb aber, wie immer spröde und arrogant bis zum
Anschlag, ebenso brillant und unbestechlich, macht sich schnell vom Acker
(und man vermisst sie nicht), weil Europol in Brüssel ruft – genau das wird
sich gegen Ende des Falls noch auszahlen. So ist vor Ort Ermittlerin Liv
Moormann (Jasna Fritzi Bauer) auf sich allein gestellt, wird aber vom
Bremerhavener (schwulen) Kollegen Robert Petersen (Patrick Güldenberg)
unterstützt. Und siehe da: die beiden kennen sich gut von früher.
Der Fall, der in der örtlichen Auto-Tuning-Szene angesiedelt ist, zieht
weite Kreise. Marie (Luisa Böse), Gheorghe (Adrian But) und Oleg (Jonas
Halbfas) spielen dabei eine tragend-tragische Rolle. Das Trio – eine Art
Ersatzfamilie – lässt vom Hafen heimlich Wagen mitgehen für nächtliche
Rennen mit viel cooler Mucke und Alk und anderen Drogen. Toughe Jungs und
Mädels messen sich beim „Donuts“-Drehen, wenn das Auto mit qualmenden
Reifen im Kreis schliddert.
Der Bremerhavener „Tatort“ ist zweitens eine höchst ästhetisch bebilderte
Stadtnovelle, wenn man so will. Sebastian Ko hat am Drehbuch mitgeschrieben
und in seiner Heimatstadt Regie geführt und sagt im Pressematerial zum
Film: „Das war mit Abstand der aufwendigste ‚Tatort‘, den ich bislang
drehen durfte.“
Das sieht man in etlichen stylishen Szenen, allen voran bei den vielen
temporeichen Autostunts. Aber auch sonst: „Ich schätze, wir haben gut ein
Drittel mehr Schnitte als ein durchschnittlicher Tatort“, sagt Ko. Gedreht
wurde übrigens im abrissreifen Karstadt-Gebäude. Der Krimi, der immer mal
den ein oder anderen Twist bereithält, ist ein Hingucker und auch akustisch
gelungen (Musik: Olaf Didolff).
Dieser „Tatort“ ist drittens so etwas wie eine Familiengeschichte, na ja,
eigentlich sind es gleich mehrere (siehe das Trio; der schwule Kollege). Im
Mittelpunkt steht aber die Geschichte von Hauptkommissarin Moormann, denn
die taucht unfreiwillig in ihre Vergangenheit ein. Hier in Bremerhaven lebt
ihre Mutter. Das Verhältnis als schwierig zu bezeichnen ist noch
beschönigend. „Schon wieder Weihnachten?“, wirft die Mutter der Tochter hin
und dann fangen die gegenseitigen Vorwürfe schon an. Familie ist verdammt
schwierig; Kriminalfälle knacken dagegen ein Kinderspiel. Und wie das alles
geschrieben, gespielt und gefilmt wurde: herrlich. Lasst doch den Bremer
„Tatort“ öfter mal in Bremerhaven spielen!
2 Apr 2023
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Tatort Bremen
Diebstahl
Bremerhaven
Karstadt
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