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# taz.de -- Tatort aus Bremen: Und dann auch noch Klassismus
> Die Geschichte ist überladen, die Dialoge überdramatisch, die Kommissarin
> gebeutelt vom Kindheitstrauma. Und wer Unterhemd trägt, ist verdächtig.
Bild: Feinripp, Flecken und ein ausgestopftes Tier. Na wer da wohl verdächtigt…
Als Kommissarin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und BKA-Ermittlerin Linda
Selb (Luise Wolfram) vor der Leiche im roten Hochzeitskleid stehen, sind
sie sich uneinig, ob man überhaupt ermitteln sollte. Susanne Kramer (Ilona
Thor) starb an einem Kopfschuss, an den Wänden stehen kryptische
Nachrichten („Der Teufel spricht durch die Wände“). Ist das nun ein
Mordfall oder ein Suizid?
Von Anfang an wirkt der neue [1][Bremer „Tatort“] überladen: Da sind
einfach zu viele Verdächtige, wirre Wendungen und seltsame Seitenstränge.
Ständig flackern düsterere Rückblenden über den Bildschirm, penetrant
untermalt von bedrohlicher Musik.
Denn parallel zum ohnehin verwirrenden Hauptplot arbeitet sich Kommissarin
Liv an einem Kindheitstrauma ab. Das soll als Erklärung für jede noch so
absurde Handlung der Kommissarin herhalten: Liv reibt mal ihren Kopf am
Kleid der Leiche. Mal geht sie nach Feierabend alleine zum Tatort, legt
sich ins Totenbett und wispert dramatisch: „Was willst du mir sagen?“ Den
Nachbar der Verstorbenen Gernot Schaballa (Aljoscha Stadelmann) schreit die
Ermittlerin grundlos an („Du dummes Arschloch!“), besucht ihn „mehr so
privat“ in seiner Wohnung und rammt ihm ohne Vorwarnung eine Gabel in die
Hand.
Dabei ist Schaballa ein Verdächtiger ohne Motiv. Er lebt in einer engen,
vollgestellten Wohnung, trägt ein fleckiges Feinripp-Unterhemd, unter dem
ein Stück Bauch raushängt. Diese [2][klassistische Darstellung] genügt
offenbar, dass der Nachbar als verdächtig gilt, ohne dass Indizien oder gar
Beweise gegen ihn vorlägen.
## Ein sexistisches Klischee-Bingo
Gleichermaßen wird bei der Freundin von Kramers Ex-Mann, Jacqueline Deppe
(Milena Kaltenbach), kein sexistisches und klassistisches Klischee
ausgelassen. Regisseurin Anne Zohra Berrached ist es nicht zu cringe,
K-Pop-Fangirl Jaqueline in unauthentischer Jugendsprache mit den Beamtinnen
sprechen zu lassen.
Die Dialoge sind auch an anderen Stellen so gestellt und künstlich, dass
sie unfreiwillig komisch wirken. Da antwortet Ermittlerin Linda Selb auf
die Frage, warum sie im Fall ermitteln will, mit unheilvoller Stimme: „Weil
der Gegner der Teufel ist, und der ist nie satt, wenn es um den Tod geht.“
Geht’s nicht auch eine Nummer kleiner?
Immerhin: Einen Krimi mit so vielen Twists, Nebenhandlungen und trashigen
Schreckmomenten dermaßen langweilig zu gestalten, auch das ist irgendwie
eine Leistung.
29 May 2022
## LINKS
[1] /Der-Bremen-Tatort-macht-es-sich-schwer/!5818607
[2] /Klassismus/!t5027872
## AUTOREN
Bo Wehrheim
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