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# taz.de -- München-„Tatort“: Arschloch sein ist nicht strafbar
> Lustlosigkeit liegt in der Luft beim ARD-„Tatort“ mit den Ermittlern
> Leitmayr und Batic. Dafür geht's in den Norden, ins Münchner
> Glasscherbenviertel.
Bild: Batic (Miroslav Nemec, l), Leitmayr (Udo Wachtveitl, rs) und Hackl (Burgh…
Echt, schon so viel, so lange? Im neuen München-„Tatort“ mit dem kurzen
Titel „Hackl“ ermitteln Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo
Wachtveitl) bereits das 92. Mal. Dass die beiden seit sage und schreibe 32
Jahren zusammenarbeiten, sieht man ihnen an. Eine gewisse Lustlosigkeit
liegt in der Luft. „Die Stimmung zwischen Franz und Ivo ist auf dem
Tiefpunkt“, steht passend im Pressematerial zum Film.
Mitten in der Nacht verunglückt im [1][Münchner Hochhausviertel
„Hasenbergl“] ein junger Mann tödlich mit seinem Motorrad. Adam, gerade mal
22 Jahre alt, wird von seiner Freundin quasi vor der Haustür gefunden.
Schnell wird klar, dass das kein Unfall war. Doch um das klinisch belegen
zu können, muss der Pathologe dem Toten ein Auge herausnehmen und ins
Speziallabor schicken. Und Bingo.
Batic und Leitmayr gehen nicht so gewissenhaft vor, weil sie mit
Vorannahmen arbeiten. Denn im anonymen Hochhaus gleich nebenan wohnt ein
älterer Herr. Hackl (mit großer Spielfreude: Burghart Klaußner) ist
vorbestraft und zudem ein stadtbekannter Störenfried, ein
obrigkeitsfeindlicher und mürrischer Grantler, ein einsamer Mann ohne
Freunde.
Einerseits denkt man: Von solchen Querulanten wie Hackl wimmelt es auf
deutschen Straßen. Anderseits hat man irgendwie auch Mitleid. Die
Kommissare aber nicht. Ja, der Hackl schießt doch auch auf Tauben mit dem
Luftgewehr, zwei stehen auf dem Balkon, und hat Dreck am Stecken, wissen
Batic und Lemayer. Letzterem hatte der Hackl vor Jahren einmal in den
Finger gebissen, die Narbe ist noch heute zu sehen. Na, dann … Und auch die
Nachbarn erzählen dies und das, aber so richtig kennt ihn halt keiner.
## Bewiesen ist ja noch nichts!
Die Ermittler finden Hackl in seinem Garten, man könnte auch sagen: Die
Staatsmacht treibt ihn in die Enge. Denn: Bewiesen ist ja (noch) nichts. Er
soll aber in Untersuchungshaft. Hackl bleibt seinem Ruf treu und rebelliert
mit seinen Mitteln: Mal gibt er keinen Ton von sich oder streckt einfach
die Zunge raus, randaliert später in Untersuchungshaft mit dem Tisch, an
den er gekettet ist, oder lässt sein „Bla, bla, bla“ in Dauerschleife
ertönen – und schafft es am Ende tatsächlich, abzuhauen.
Hackl benimmt sich wie ein renitentes Arschloch. Aber das ist ja kein
Straftatbestand (wenn auch schwer zu ertragen). Und so ist die Causa Hackl
der eigentliche „Fall“ in diesem Krimi. Weil man sich fragen könnte, warum
ein Mensch zu so einem vereinsamten Grantler wird. Ob er Hilfe bräuchte und
Beistand? Psychologische Hilfe? Oder doch eine Zwangseinweisung? Oder nur
einen Freund?
Es gibt Szenen, in denen das alles eine dezente Rolle spielt. Etwa dann,
wenn die junge Frau im Gartenlokal in unverhofft verständnisvollen Worten
über Hackl und seine Zeichenkünste spricht. Oder wenn Hackl unter Tinnitus
leidet. Oder wenn Ludwig ins Bild kommt, ein Dackel, der im Garten einfach
da ist. Und Ludwig kann den Hackl offenbar gut leiden. „Wem gehört der?“,
fragt Leitmayr, als sie Hackl abführen. „Der gehört sich selbst“, lautet
die Antwort.
Interessant auch: Im Laufe des dann doch wendungsreichen Krimis kommt man
zu dem Schluss, dass all diese Überlegungen nicht nur auf Hackl, sondern
auch auf andere Bewohner:innen dieses „sozialen Brennpunkts“ zutreffend
wären.
Ach ja, in einer Gastrolle spielt der FC-Bayern-Fußballer Joshua Kimmich
einen Fitnesstrainer. Netter PR-Gag, mehr aber auch nicht.
12 Mar 2023
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Hasenbergl
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Tatort
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