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# taz.de -- Neuer Münster-“Tatort“: Stadt unter Einfluss
> Dieser „Tatort“ ist ein Quotenschlager. Warum hat ein halbgares
> Comedyformat Erfolg? An den künstlerischen Leistungen kann es kaum
> liegen.
Bild: Immer gut. Professor Boerne im Münster-Tatort „Magic Mom“
Die letzte Folge des Münster-„Tatorts“ bescherte den Verantwortlichen
[1][die beste Quote des Traditionsformats seit drei Jahrzehnten]. Uwe
Preuss, als Leiter der Mordkommission Rostock beim internen
Konkurrenzunternehmen „Polizeiruf“ aktiv, [2][sagte kürzlich im
taz-Interview], das überbordende Krimisegment im deutschen TV halte „die
Leute wach oder sie schlafen dabei ein und haben im besten Fall eine gute
Erinnerung an das Produkt“.
Wenn, wie bei mir, der Laptop mit der Folge „MagicMom“ weiterläuft, obwohl
ich schon schön schnarche, dann würde ich zur Live-Sendezeit auch zur
Zählgemeinde gehören. Meine Erinnerung ist allerdings auch im wachen
Zustand, nachdem ich mir den Rest der Sache angeschaut habe, nicht gut.
Objektiv gibt es hier eine schwache Ensembleleistung mit Ausrutschern nach
unten und nach oben (Monika Oschek glänzt als Obere-Mittelschicht-Mom
Thekla Cooper mit Begehrlichkeiten auf den sexy Nachbarn). Die Musik ist
tausendmal gehört, die Dramaturgie schleppend, und die zweimalige
Hubschrauberperspektive auf Münster wirkt wie aus dem WDR-Vorabendprogramm
herausgeschnitten: Hallo wach, wir sind in Münster!
Nun ist mir klar, dass – siehe Quote – viele Menschen die erzählten
Geschehnisse rund um die moderne Kombination aus Heinz Rühmann/Ekel Alfred
alias [3][Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Pathologe Prof.
Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers)] spannend, lustig oder eben
zumindest befriedigend einschläfernd finden. Und das Drehbuch von Regine
Bielefeldt spiegelt vielleicht tatsächlich wider, wie in deutschen
Betrieben und Amtsstuben um die Institution einer
„Sensibilitätsbeauftragten“ und anderen „Genderkram“ herumgewitzelt wi…
Aber als zufällig in die Sache Reingepurzelter kann ich diese Art von
Abendunterhaltung doch nur als deutschen Sonderweg einordnen.
In „MagicMom“ geht es um Influenzerinnen, an denen in Münster offenbar kein
Mangel besteht. Aus vollautomatisierten Vorstadtvillen youtuben sie, was
das Zeug hält, über ihr tolles Leben, stecken aber eigentlich bis zum Hals
in Ehe-, Eifersuchts- und Empfängnisproblemen. Dieses Milieu liefert die
notwendige Leiche, deren Todesursache dann umständlich aufgeklärt wird.
Eigentlich ist der Münster-„Tatort“ ein Comedyformat, das dann aber auch
noch mit den Mitteln von Opas Politkabarett und dem deutschen Soziokrimi
der 1970er Jahre gesellschaftliche Debatten abbilden soll.
Das ist natürlich eine Überfrachtung eines 88-minütigen Formats, ein
bisschen so wie die Post-Corona-Vorstadtrestaurants, auf deren Karten alles
steht, vom Schnitzel bis zum Burger, vom Flammkuchen bis zur Holzofenpizza.
Nichts davon schmeckt, aber alle fühlen sich mitgenommen und sind
anschließend gesättigt. Und oft sind diese verbliebenen
Allroundgastronomien halt die einzigen, die Sonntags noch offen haben –
wer’s spezieller oder billiger haben will, bedient sich längst bei den
Lieferdiensten oder den Tiefkühltruhen der Tankstellen. Er fände es gut,
sagt entsprechend Uwe Preuss im erwähnten Interview zum Modell
öffentlich-rechtlicher Rundfunk, dass das im Zuge des RBB-Skandals nun
aufgebrochen werde, „dass das bröckelt. Ich könnte mir vorstellen, dass da
in einigen Jahren nur ein paar Free-TV-Sender übrig sind, die Headlines
durchschicken, der Rest ist nur noch Streaming.“
Es wäre zumindest fair.
5 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.stern.de/kultur/tv/tatort/-tatort---der-neue-fall-aus-muenster-…
[2] /Schauspieler-Uwe-Preuss-ueber-Krimis/!5891896
[3] /Muenster-Tatort/!5891861
## AUTOREN
Ambros Waibel
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