# taz.de -- Neuer Münster- „Tatort“: Wenn Axel Prahl sich eine Pizza macht… | |
> Es sind die einfachen Dinge, die gar nicht so einfach zu machen sind, die | |
> Kunst ausmachen. Der neue „Tatort“ aus Münster fängt immerhin gut an. | |
Bild: Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, M.) ist völlig begeister… | |
Ein viel beschäftigter Mann macht sich zum Feierabend eine TK-Pizza warm. | |
Er holt sie behandschuht aus dem Ofen, er schneidet sie, glänzende | |
Vorfreude ist in seinem Gesicht, dieses kurze geile Vergnügen, das | |
unmittelbar nach Genuss schon von einem Gefühl der Fülle und der Leere | |
abgelöst wird. | |
Aber wie tief befriedigt er das erste Stück in die Hand nimmt! Wie er einen | |
kräftigen Haps nehmen möchte! Und wie er kurz darauf, aus ungemütlichen | |
Gründen, ein dick gefaltetes Capricciosa-Sandwich zum Mitnehmen formen wird | |
und wie ihm dann auch dieser Spaß zunichtegemacht werden wird: So was | |
scheinbar Banales muss man erst mal so spielen, dass es keinen Zweifel | |
gibt, dass es wirklich geschieht. Wenn da Details nicht stimmen, in einer | |
Szene, die jeder kennt, der sich noch nicht in den Gesundheitswahn | |
verabschiedet hat, dann klappt ein Film schon mal zusammen. | |
Axel Prahl als gewohnt verlotterter Kommissar Frank Thiel zeigt in diesem | |
Einstieg, dass er sein Handwerk beherrscht. Wir leiden mit ihm, wenn seine | |
kleine, große Freude durch den Besuch von Professor Karl-Friedrich Boerne | |
zerstört wird, der ihn zu einem Mordfall in die Uni ruft. | |
Von da an, also nicht zuletzt mit Auftritt Jan Josef Liefers, wird die | |
Sache gewohnt klamaukig. Dass der Münster-„Tatort“ eben damit Erfolg hat, | |
dafür steht nicht zuletzt ein Zitat von Ex-WDR Intendant und heutigem | |
Luxusrentner Tom Buhrow: „Der WDR-‚Tatort‘ aus Münster ist ein | |
Zuschauermagnet, der alle Altersgruppen – auch die Jüngeren – vor den | |
Fernseher holt. Das Format hat echte Straßenfegerqualität.“ | |
## Das ist dann halt so | |
Sollte das für die neueste Folge der Reihe mit dem durchaus angebrachten | |
Titel „Fiderallala“ auch gelten, dann kann man das Team nur | |
beglückwünschen. Es ist schließlich ein Teil des Auftrags, populär zu sein. | |
Dass es jenseits der handwerklich gut gemachten Eingangszene für manche ein | |
Rätsel bleiben wird, wieso eine abgeschmackte Genremischung das Publikum | |
anderthalb Stunden bei der Stange hält – das ist dann halt so. | |
Ein Gedanke, der sich vielleicht produktiv anschließen lässt, wäre die | |
Beziehung eines deutsch-öffentlichen TV-Produkts zu der nicht umsonst heiß | |
diskutierten und viel gelobten Netflix-Serie „Adolescence“, zweifellos ein | |
Meilenstein der TV-Geschichte, und zwar nicht zuletzt in ästhetischer | |
Hinsicht. In [1][der FAZ hieß es dazu leicht verwundert,] es handle sich um | |
einen weltweiten Erfolg, obwohl „die britische Fernsehserie weder spannend | |
noch schön anzusehen“ sei. | |
Womit wir schon wieder bei der Capricciosa sind. Es geht eben – vielleicht | |
gerade heute, vielleicht schon immer – bei Kunst nicht darum, ob sie | |
spannend ist oder schön. Es geht darum, dass sie wahr ist und dass die | |
Gebilde, die dem Publikum vorgesetzt werden, aus ihrer eigenen Kunstlogik | |
heraus zwingend sind. | |
Wenn man „Adolescence“ mit „Fiderallala“ vergleichen will, dann ist es … | |
Vergleich zwischen einem gelungenen Stück epischen Theater oder einem | |
Lars-von-Trier-Film wie „Dogville“ auf der Seite jenseits des Ärmelkanals | |
und dem „Musikantenstadl“ auf der deutschen Seite. Wer noch weiter ausholen | |
will, kommt zu dem alten Raymond-Chandler-Satz über die Natur des modernen, | |
realistischen Krimis, der „den Mord zu der Sorte von Menschen | |
zurückbrachte, die mit wirklichen Gründen morden“. Vielleicht zeigt | |
„Adolescence“ ja, dass wir nach reichlich Mystery und Comedy nun wieder | |
dahin zurückkommen. Die Pizzaszene mit Axel Prahl wäre ein Anfang. | |
Münster-„Tatort“: „Fiderallala“, So., 20.15 Uhr, ARD | |
6 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien-und-film/serien/adolescence-a… | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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