| # taz.de -- Münster-Tatort: Ein Anwalt kommt selten allein | |
| > Der Krimi handelt von Rechtsanwälten und vom schmalen Grat zwischen | |
| > Mitwissen und Mitmachen. Aber gewohnt klamaukig. | |
| Bild: Kommissar mit Goldfisch: Axel Prahl im Tatort „Ein Freund, ein guter Fr… | |
| Außerhalb von Münster weiß man über Münster, dass es dort eine Kirche gibt. | |
| Und man weiß, dass Menschen von außerhalb von Münster gerne nach Münster | |
| kommen, um dort die Eisenkäfige hoch oben an der Kirche zu betrachten. Die | |
| hängen da schon seit dem späten Mittelalter. Damals hatte man dort die | |
| Leichen der grausam zu Tode gefolterten Protagonisten des „Täuferreichs von | |
| Münster“ ausgestellt und verrotten lassen. | |
| [1][Der neue Münster-„Tatort“] erzählt nichts von der Wiederauferstehung | |
| brutaler Foltermethoden der Strafjustiz in Münster und auch nichts von den | |
| Wiedergängern der mittelalterlichen Täuferbewegung, die die katholische und | |
| protestantische Kirche radikal bekämpfte. | |
| Aber um Justiz, Folter und Brutales geht es in der neuen Folge aus der | |
| Reihe rund um die Männerfreundschaft zwischen [2][Kommissar Thiel (Axel | |
| Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers)] durchaus. „Ein Freund, ein | |
| guter Freund“, wie der Titel der Folge lautet, geht es zwar auch um | |
| Freunde, aber vor allem wird ein Milieu beleuchtet, das nicht so oft | |
| Gegenstand intimer Betrachtung deutscher Krimis ist, geht es hier doch | |
| meistens zentral um Mörder, Mitwisser und ihre Motive. Am Sonntag geht es | |
| mal nicht um das Gangster-, Drogen- oder Bankermilieu, sondern das | |
| Rechtsanwaltsmilieu. | |
| Der Krimi handelt von den extremen Gewissensspannungen dieser Berufsgruppe, | |
| von der Balance zwischen Wahrheit und Lüge, Gewissen, Gewinn und | |
| Gemauschel, vom schmalen Grat zwischen Mitwissen und Mitmachen. Er handelt | |
| aber auch vom besonderen Verhältnis der Justiz zur Mafia und von einem | |
| Capo, der zu verhindern weiß, dass seine Machenschaften justiziabel werden. | |
| ## Wer hat hier eigentlich wen erpresst? | |
| Der Mafia-Boss Nino Agostini ist dabei ein Wiedergänger des legendären Tony | |
| Soprano, des Mafiabosses aus der Serie „The Sopranos“. Agostini ist wie | |
| Soprano einer, der sich in der Provinz im Kreise seiner Kleinfamilie und | |
| seiner Garage wohl fühlt, im Morgenmantel durch die Gegend läuft und sich | |
| wie ein Kind über eine marmorne David-Statue für seinen piefigen Garten | |
| freut. | |
| Agostini steht im Verdacht, einen der Rechtsanwälte umgebracht zu haben, | |
| weil der zu viel wusste. Allerdings hat sich das Problem des Mafioso mit | |
| dem toten Rechtsanwalt nicht erledigt, denn im Laufe des Krimis vermehren | |
| sich die Rechtsanwälte, die was wissen, und geraten teilweise selbst in | |
| Verdacht, Hand an ihren Kollegen angelegt zu haben. | |
| Es ist irgendwann grandioserweise kaum noch zu trennen, wer von den | |
| Beteiligten die Mafiamethoden des Bluffs, der organisierten Kriminalität, | |
| des kaltblütigen Mords oder der illegalen Gewinnbeschaffung besser | |
| beherrscht. Wer hat am Ende nun eigentlich wen erpresst, hintergangen, | |
| belogen und betrogen? Die Mafia oder die Rechtsanwälte? | |
| Weniger gelungen ist diesmal der Sprachbattle zwischen Boerne und | |
| Assistentin Haller (Christine Urspruch). Die immer gezielt danebenlandenden | |
| Giftpfeile des professoralen Sprachwitzes hat Haller schon mal | |
| schlagfertiger pariert. Trotzdem ist die im Münster-„Tatort“ gewohnt | |
| klamaukige Verkleidung des seriösen Kerns wie immer unterhaltsam, | |
| vorausgesetzt, man findet das Schauspiel der überzogenen Arroganz des | |
| Professors unterhaltsam. Ist das nicht der Fall, braucht man dieser | |
| „Tatort“-Folge keine Chance zu geben. | |
| 13 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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