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# taz.de -- „Tatort“ aus Dresden: Ein kleines Verwirrspiel
> Der neue „Tatort“ aus Dresden plätschert vor sich hin, selbst
> ungeschriebene TV-Gesetze werden gebrochen. Mit Aufklärungen hält er sich
> kurz.
Bild: Karin Hanczewski und Cornelia Gröschel im Dresdener Tatort
Nu isse tot, die Heike Teichmann, ihres Zeichens Chefin einer gut laufenden
Gärtnerei in Dresden. Erschlagen wurde sie, mit einem Vorschlaghammer.
Gefallen ist sie, in ein Blumenbeet, wenigstens das ist ja doch ein klein
bisschen schön. Sonst ist aber gar nicht so viel schön im neuesten, ein
bisschen langatmig geratenen [1][Krimi aus der sächsischen Hauptstadt].
Die sehr patent wirkenden Ermittlerinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski)
und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) haben schnell einen Verdächtigen im
Visier: den Gärtnereihelfer Juri Novak (Alexander Schuster), der mit einem
Hämmerchen und Blut im Gesicht am Tatort gesehen wurde. Doch dies könnte
natürlich ein vorschneller Schluss sein, wie die einzige zumindest leicht
sächselnde Person im Polizei-Team, nämlich Peter Michael Schnabel (Martin
Brambach) zu berichten weiß.
Und so schaut man sich doch ein bisschen in der Teichmann’schen Blumenwelt
um und stellt schnell fest: In Ordnung sind hier eigentlich nur die
Pflanzen. Das Ehepaar Nadine und Patrick Teichmann (Kristin Suckow und Nico
Rogner) hat sich schon lange auseinandergelebt und erträgt sich nur noch
wegen ihrer Tochter Anna (Amelie Zappe). Patrick hat eine Affäre mit der
Gärtnerin Swetlana Novak (Lara Feith). Nadine Teichmann hingegen ist die
harte Frau, die ja auch selbst schuld ist, wenn der Mann fremdgeht.
Was ist sie denn nur auch so kalt geworden? Sind in diesen
zwischenmenschlichen Querelen Motive zu finden, möchte da etwa jemand den
florierenden Familienbetrieb schon vor der Zeit übernehmen? Offensichtliche
Fragen sind es, die gestellt werden.
## Tote Hunde und verschleppte Töchter
Aufregender wird es da schon in der Pathologie, denn dort wird der alten
Teichmann neben Tod durch Hammer ein „Broken Heart Syndrom“ attestiert. Sie
muss wohl etwas sehr Aufrüttelndes erlebt haben; ebenso wie der vom letzten
Fall noch traumatisierte Kommissariatsleiter Schnabel, der als „harter
Ossi“ aber natürlich nicht zur [2][Therapie] geht.
So plätschert die Story vor sich hin, bis der Familienhund vergiftet wird.
Gab es nicht das ungeschriebene TV-Gesetz, das Hunden nichts passieren
darf? Gleich danach wird auch noch die Tochter des Hauses entführt, aber
keine Bange, immerhin sie darf wohlbehalten zu ihrer Familie zurück.
Interessant wird es, als die Ermittler*innen dem Grund für das
gebrochene Herz von Heike auf die Schliche kommen: Sie war anno 1985 mit
weiblichen Zwillingen schwanger, von denen aber nur eine, nämlich Nadine,
offiziell die Geburt überlebte. Das andere Kind war wohl während der Geburt
verstorben, so verkaufte das damals zumindest der behandelnde Arzt Dr.
Erwin Stirn (Lutz Blochberger). In Wahrheit spielte er Gott und übergab das
zweite Kind einem anderen guten sozialistischen Paar, die leider selbst
keine Nachwuchs bekommen konnten.
Und so mündet dieser „Tatort“ in einem kleinen Verwirrspiel mit einem
doppelten Lottchen und einem großen Hang zur Unglaubwürdigkeit, was das
Ersetzen von Leuten angeht. Richtig stark werden erst die letzten fünf
Minuten, in denen der Weg eines Racheengels nachgezeichnet wird. Eine
Antwort auf die Frage nach dem Warum bleibt der Film leider schuldig. Das
ist schade, da die Problematik des auch staatlich gestützten Kinderentzugs
in der DDR ja historisch belegt ist.
8 Jan 2023
## LINKS
[1] /Tatort-aus-Dresden/!5894717
[2] /Psychotherapie-in-Deutschland/!5852667
## AUTOREN
Almuth Müller
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