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# taz.de -- Schwarzwald-Tatort „Unten im Tal“: Betont bedächtig
> Im neuen Tatort wird keine Dynamik suggeriert, die Spannung liegt eh in
> der Luft. Denn Geschichte und Atmosphäre sind bedrückend genug.
Bild: Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) am…
Der nun schon zehnte Schwarzwald-“Tatort“ – [1][seit 2017 im
Regionalportfolio] der ARD-Krimireihe – beginnt mit viel Wald und noch mehr
Nebel und sofort denkt man, ach Mensch, muss denn so ein klischeehafter
Auftakt sein?
Aber dann rücken wenige Sekunden später tote Schafe auf einer Wiese ins
Bild und ein einsamer Wolf (puh, noch so ein Klischee) – und Schnitt: An
einem See taucht bei Erdarbeiten ein toter Mensch auf, die Arbeiter halten
betroffen inne. Und wieder schneller Ortswechsel: Wir sind in einer Kirche;
Antonia, von allen Toni gerufen, feiert Konfirmation. Man kommt kaum
hinterher. Und dann nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Die beiden [2][Schwarzwald-Ermittler], wie immer wohltuend unaufgeregt und
uneitel und obendrein stets kollegial, müssen diesmal zwangsläufig einen
längst abgeschlossenen Fall wieder hervorholen. Vor über einen Jahrzehnt
verschwand die damals 15-jährige Rosa spurlos. Der Teenager war zu diesem
Zeitpunkt bereits schon Mutter einer Tochter – eben jener Toni, die wir
eingangs beim Konfirmationsgottesdienst sahen.
Franziska Tobler (gespielt von Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen
Wagner) hatten seinerzeit erfolglos ermittelt. Nun stehen sie wieder vor
der Tür der Familie Winterfeld. Die beiden alten Winterfelds haben ihre
Enkelin bei sich aufgenommen, Toni hat aber auch Kontakt zu ihrem Vater
Axel. „Vielleicht gibt es doch noch Gerechtigkeit“, sagt Oma Meike
Winterfeld (Inka Friedrich), eine resolute und trinkfeste Person.
## Man macht das eben so, wenn man familiär verbandelt ist
Sie hatte damals schnell einen Verdächtigen ausgemacht, ach was, den Täter.
Es handelt sich um den mehrfach vorbestraften Werner Tröndle (Aurel
Manthei), der seit Kurzem wieder „Unten im Tal“ – so der Filmtitel – le…
Und ja, Tröndle macht mitunter einen etwas zwielichtigen Eindruck. Aber das
ließe sich im Lauf des Krimis auch von fast allen anderen Beteiligten –
außer dem Ermittlerduo und Toni – sagen.
Da ist zum Beispiel Opa Josef Winterfeld (Cornelius Obonya), ein eher
stiller Typ, der den Verdächtigen unterstützt, weil die beiden Cousins sind
und man das eben so macht, wenn man familiär verbandelt ist (oder steckt da
mehr dahinter?) „Du und dein versoffener Cousin“, meckert Oma Winterfeld
und gießt sich noch einen Rotwein ein.
Noch auffälliger verhält sich Axel Leibing, Tonis Vater, der einst mit
gerade mal 17 Jahren Vater wurde. Und auch Elif Topcu, früher die beste
Freundin der Toten, benimmt sich merkwürdig, als sie extra auf Einladung
der Ermittler anreist. Denn die beiden Kriminalhauptkommissare – die sich
eigentlich nie so nennen – rekonstruieren Rosas letzten Abend noch einmal.
Dazu sehen sie sich (und wir mit ihnen) die alten Aufnahmen mit den
Zeugenbefragungen an. Dazu kommen die neuen oder besser: wiederholten
Aussagen, gewissermaßen von der Zeit überlagerte Erinnerungen. Die werden
in Rückblenden lebendig.
## Kein Kommissar muss einen Sprint hinlegen
Die Szene, quasi die letzten Minuten vor Rosas Verschwinden, wiederholt
sich im Film zwangsläufig, da alle Beteiligten erzählen, sie variieren aber
in Nuancen. Fest steht, dass Rosa nach Berlin wollte, zu ihrem Baby, das
bei einer Tante lebt – das hatte ihre eigene Mutter so bestimmt. In Berlin
aber ist Rosa nie angekommen, sie kam nicht weit, wie wir jetzt wissen.
Man tut „Unten im Tal“ nicht Unrecht, wenn man ihn bedächtig nennt. Hier
wird – danke dafür! – nicht gerannt, kein Kommissar muss einen Sprint
hinlegen, wie er etwa im Münchner „Tatort“ Standard ist. Hier wird also
keine Dynamik suggeriert. Spannung liegt eh in der Luft. Auch wenn die
mitunter zu penetrant von „spannungsgeladener Musik“ (wie es dann so oft in
den einblendbaren Untertiteln heißt) unterlegt ist – naja, weniger wäre da
mehr. Die Geschichte trägt doch.
Und die Atmosphäre ist bedrückend genug. Allein dieses Holzhaus der Familie
Winterfeld, so dunkel, so knarrend, so erstarrt, so eng. Und klar, es gibt
wie bei jedem guten Krimi viele Wendungen und falsche Spuren und am Ende
auch eine Überraschung, wenn die Wahrheit zutage tritt.
## Tatort überzeugt: Wanderurlaub ist gebucht
Bleibt zu sagen: Das winterliche Mittelgebirge mit seinen Tälern und Bergen
und Wäldern und Wiesen ist ein paar Mal zu oft im Bild. Fast ließe sich
mutmaßen, dass der produzierende SWR einen tourismusfördernden Ansatz mit
diesem „Tatort“ verfolgt.
Mich hat das jedenfalls überzeugt, ich plane jetzt einen Wanderurlaub im
Schwarzwald. Oberflächlich, das legt dieser unaufgeregte, grundsolide
Whodunit-Krimi nahe, eine heile Welt, doch das Böse lauert bekanntlich
überall. Allerdings sollte ein Schafe reißender Wolf als Metapher dafür in
deutschen (Land)Krimis ausgedient haben. Das Böse geht ja auch hier wie
immer vom Menschen aus.
13 Feb 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Hergeth
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