Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Tatort“ aus Dortmund: Familiendrama mit viel Schmerz
> Der neue Tatort aus Dortmund ist ein atmosphärisch dichter Krimi. Es gibt
> keine Leiche, dafür geistern die Toten trotzdem in der Geschichte.
Bild: Kommissar Peter Faber wird von Rosa Herzog an einer Staumauer ausfindig g…
Schon wieder ein „Tatort“, in dem die männliche Hauptfigur, diesmal in der
Dortmunder Filiale der ARD-Reihe, seine aus dem Leben gerissene weibliche
Hauptfigur betrauert. Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) mit seinen
langen lockigen Haaren und Rauschebart hat es schwerer erwischt als seinen
Kollegen Karow, der im [1][letzten Berliner „Tatort“] um Kommissarin
Rubin weinte.
Faber haust in seinem Manta, so geht der Krimi „Du bleibst hier“ los: Er
wacht auf, sieht – nun ja – scheiße aus, geht dann aber doch
erstaunlicherweise joggen und springt wenig später nackt ins Wasser. Und
Schnitt.
Die Spusi ist schon vor Ort im [2][Dortmunder Westpark] und empfängt die
Ermittler Jan Pawlak (Rick Okon) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger)
mit einem „Heute mal keine Leiche.“ Aber da sind zwei Liter Blut auf dem
Boden – „Das überlebt kein Mensch.“ Die Kollegin von der Spurensicherung
fragt Herzog auch nach Faber: „Immer noch krankgeschrieben?“ Die aber
sagt nur „Hm“ und zuckt mit der Schulter. Ein symptomatisches Bild.
Es gibt keine Leiche, aber schnell einen Namen. Andreas Richter wird
vermisst, Chef einer Immobilienfirma. Diese kauft ein Haus nach dem anderen
im [3][Kreuzviertel] auf, einem Kiez mit vielen Altbauten, aus deren
Mietwohnungen sich prima Luxuseigentumswohnungen machen lassen.
## Haufenweise Verdächtige
Und natürlich führt Pawlak und Herzog eine erste Spur in so eine von
Umwandlung betroffene Wohnung, in der ein alter Herr lebt. Dieser entpuppt
sich, was für eine Überraschung, als Vater von Peter Faber. Beide hatten
scheinbar seit Jahrzehnten keinen Kontakt.
Dazu kommen weitere Handlungsstränge und damit Verdächtige. Da ist zum
einen die Ehefrau des Vermissten, der sich scheiden lassen wollte. Oder der
Sohn, der nach einem Trip mit verunreinigten Ecstasy zum Pflegefall wird.
Sein Dealer übrigens ist verschwunden. Und dann sind da ein paar
Jugendliche, die im Westpark abhängen und Fabers Vater überfallen. Also
ziemlich viel Plot für eineinhalb Stunden, daraus hätten andere locker eine
achtteilige Serie gestrickt.
„Du bleibst hier“ ist ein spannender, weil stimmiger, atmosphärisch dichter
Krimi, der eine ethnologische Beschreibung eines vielleicht bald
aussterbenden Milieus in einem Dortmunder Viertel liefert, in dem Kneipen
„Fusel“ heißen.
Dieser Film, der in vielen Momenten berührt, ist auch ein psychologisches
Familiendrama. Er führt vor Augen, was sich Familienmitglieder antun, wie
viel Schmerz und seelische Deformation Menschen ein Leben lang mit sich
herum tragen. Und zeigt, wie ungeübt unsere Spezies darin ist, über das
Erlebte zu sprechen, um es zu verarbeiten, statt immer alles nur in sich
hineinzufressen und daran kaputtzugehen.
## Nachricht von den Toten
Das eint die übrig gebliebenen Ermittler Herzog, Pawlak und Faber mit ihren
verkorksten Familienkonstellationen. Über den Tod von Kollegin Martina
Bönisch können sie ja auch nicht reden – da braucht es erst einen
trunkenen, ausufernden Abend zu dritt.
Faber hat von der toten Kollegin, der Liebenden, ein in der Sterbeminute
hingehauchtes „Du bleibst hier“ als Vermächtnis erhalten. Nach diesem
Krimi weiß man, was die drei Worte bedeuten: Der arg lädierte Faber soll
sich nicht davonstehlen, sondern weiterleben.
15 Jan 2023
## LINKS
[1] /Neuer-Tatort-aus-Berlin/!5900336
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Westpark_(Dortmund)
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzviertel_(Dortmund)
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Tatort
Krimi
Wochenendkrimi
Tatort
Familie
Tatort
Tatort Berlin
Wochenendkrimi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neuordnung im Dortmund- „Tatort“: Erzählstränge für alle
Nach seiner Auszeit wirkt Kommissar Faber noch grauer. Dann gibt es erst
einen, dann noch einen Toten und schließlich einen Zeugen im Wachkoma.
Schwarzwald-Tatort „Unten im Tal“: Betont bedächtig
Im neuen Tatort wird keine Dynamik suggeriert, die Spannung liegt eh in der
Luft. Denn Geschichte und Atmosphäre sind bedrückend genug.
Ludwigshafen-“Tatort“: Ein Mord wegen Massenmord
Der neue „Tatort“ aus Ludwigshafen setzt sich mit der Verantwortung für die
Massenmorde der NS-Zeit auseinander.
„Tatort“ aus Dresden: Ein kleines Verwirrspiel
Der neue „Tatort“ aus Dresden plätschert vor sich hin, selbst
ungeschriebene TV-Gesetze werden gebrochen. Mit Aufklärungen hält er sich
kurz.
Neuer „Tatort“ aus Berlin: Urlaub „vom Leben“
Kommissarin Nina Rubin ist tot. Ihrem Kollegen Karow fehlt sie, dem
Berlin-„Tatort“ aber nicht. Der kommt vielschichtig und unerwartet daher.
„Tatort“ aus Dortmund: 90 Minuten Geraune
Dass die Sache in Dortmund ein schlechtes Ende nimmt, ahnt man irgendwie.
Aber wir werden nichts verraten, nein, das tun wir nicht!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.