Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schwarzwald-Tatort „Goldbach“: Unterm Schnee die Ödnis
> In Freiburg ermitteln jetzt Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner – und wie!
> Ein großer „Tatort“ darüber, wie eine kleine Gemeinschaft zerfällt.
Bild: Schon eingespielt: die KommissarInnen Franziska Tobler (Eva Löbau) und F…
Der Baum muss weg. Er liegt quer über einem schmalen Bach hinterm Haus,
mitten im verschneitesten Schwarzwaldwinter. Zwei Männer, zwei Frauen
ziehen und zerren, sie lachen, sie wissen, sie haben keine Ahnung, was sie
da gerade tun. Städter halt, die irgendwann aufs Land gezogen sind, Ärzte,
IT-ler, drei Höfe, drei Familien.
Und auf einmal tauchen zwei von der Kripo aus Freiburg an der Auffahrt auf,
räumen beiläufig den Schlitten zur Seite. Eines der Kinder liegt tot im
Wald, erschossen. Die anderen: spurlos verschwunden.
Man muss es wohl Filmer-Glück nennen, dass ausgerechnet zum geplanten
Drehbeginn der Schnee kam. Für diesen ersten neuen Freiburger Tatort sorgte
das Wetter für den perfekten Effekt: „Goldbach“ bekommt so etwas
Kammerspielhaftes, die Enge der Gegend schnürt einem die Kehle zu. Und der
zuckerbäckrige Schnee deckt eben alles zu, was oll und trostlos ist.
Schon allein dieses Setting sorgt dafür, dass dieser Tatort von Regisseur
Robert Thalheim nicht wie ein Tatort wirkt. Sondern wie ein feines
Spielfilmdrama. Und das ist ein Kompliment.
Und dann kommen Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg
(Hans-Jochen Wagner) dahergestapft. Der Tod des Mädchens stürzt nicht nur
ihre Eltern (Godehard Giese und Victoria Mayer) in den Abgrund, sondern die
kleine Hofgemeinschaft der drei Familien. Der Sohn der einen kommt
wohlbehalten zurück, der der anderen bleibt verschwunden. Und dann hat
einer der Väter wegen seiner Biathleterei auch noch einen Schrank voller
Waffen.
Wie sich die Aggressionen, die Verdächtigungen so langsam Bahn brechen, wie
sich aus den sechs Freunden Gruppen und Untergruppen bilden, ist umwerfend
in Szene gesetzt.
Jede dieser Interaktionen hat ein Echo, ein Nachhall wie er auch in der
phänomenal passenden Musik von Uwe Bossenz und Anton Feist steckt, die nach
düsterer Keyboard-Orgel und vernebeltem Synthesizer klingt.
## Ein altes neues Team
Dass dieser Auftakt so rundum gelungen ist, liegt auch daran, dass hier
augenscheinlich die richtigen Menschen zusammengearbeitet haben. Man muss
es so sagen: Löbau und Wagner sind ein Glücksgriff – und dass sie so
beiläufig spielen dürfen, liegt auch an dem Beginn, den ihnen Drehbuchautor
Bernd Lange verpassen durfte. Die beiden Kommissare sind, anders als so oft
bei neuen Tatort-Duos, eben nicht neu. Dass sie seit Langem ein Team sind,
aufeinander eingespielt, frotzelnd, verzeihend, gibt diesem „Tatort“ eine
Lässigkeit, wie man sie lange nicht gesehen hat.
Wie sie den Kindern, den Verdächtigen gegenüber treten, wirkt wahrhaftig
und echt, wie sie sich mit einem Blick über die Ermittlung verständigen
auch. Sie wissen, wo der andere den Schnaps versteckt hat, in welcher
Stimmung einer ins Alemannische rutscht, wann ein Augenrollen genügt, um
die Alleingänge des anderen zu kommentieren. Gerade, wenn es darum geht,
der korrekten Vorsitzenden Harms (Steffi Kühnert – die Rolle, die wohl
eigentlich Harald Schmidt zugedacht war; gottlob kam es anders) entgegen zu
treten.
Bernd Lange (er schrieb auch das Buch zu „Was bleibt“, oder ganz aktuell,
mit Hans Christian Schmid zusammen die ARD-Miniserie „Das Verschwinden“)
wie auch Regisseur Robert Thalheim („Eltern“) haben mit ihrem Schaffen
immer und immer wieder bewiesen, dass ihnen das Kleine liegt: die Familie,
das Dorf. Jener Mikrokosmos, in dem man aufeinander angewiesen ist. Und in
dem kleinste Verschiebungen die größten Lawinen auslösen.
Auch innerhalb des „Tatort“-Kosmos dürfte mit diesen beiden neuen
Kommissaren einiges ins Rutschen kommen. Der Sog der Freiburger ist enorm.
1 Oct 2017
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
Tatort
Schwarzwald
Krimi
Maria Furtwängler
Borussia Dortmund
Tatort
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Tatort“ aus Hannover: Männer, Macht, Gewalt
Der Hannover-„Tatort“ hat nur zufällig Aktualitätsbezug zur #MeToo-Debatt…
Besser so: Lindholm zuzusehen tut weh statt zu moralisieren.
Anschlag auf BVB-Bus: Zimmer mit Aussicht
Der Tatverdächtige des Anschlags in Dortmund sitzt nun in
Untersuchungshaft. Er plante wohl ein Massaker am gesamten BVB-Team.
Harald Schmidt spielt im „Tatort“ mit: Hallo! Hier! Guckt mal!
Der SWR will endlich auch einen Promi im „Tatort“ und engagiert Harald
Schmidt. Doch wenn es nur noch um Gesichter geht, leidet der Krimi.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.