# taz.de -- Anschlag auf BVB-Bus: Zimmer mit Aussicht | |
> Der Tatverdächtige des Anschlags in Dortmund sitzt nun in | |
> Untersuchungshaft. Er plante wohl ein Massaker am gesamten BVB-Team. | |
Bild: Zerstörerische Derivate: Blick auf den Zaun um das Hotel „L'Arrivee“… | |
Berlin taz | Der Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor einer Woche | |
hatte wohl keinen islamistischen Hintergrund. Als mutmaßlicher Täter wurde | |
am Freitagmorgen ein 28-jähriger Mann mit deutscher und russischer | |
Staatsangehörigkeit festgenommen. Der Täter hatte nach Angaben der | |
Bundesanwaltschaft (BAW) vermutlich aus finanziellem Interesse gehandelt. | |
Er wollte mit dem Anschlag wohl einen Absturz der BVB-Aktie auslösen, auf | |
den er zugleich mit dem Kauf von zehntausenden von Optionsscheinen gewettet | |
hatte. | |
Der Täter Sergej W. stammt nach Medienberichten aus Freudenstadt im | |
Schwarzwald, arbeitete aber als Elektriker in einerm Kraftwerk in Tübingen. | |
In Rottenburg/Neckar hatte er ein Zimmer zur Untermiete, wo er auch die | |
letzte Nacht verbrachte. Die Festnahme wurde von der GSG 9-Spezialtruppe | |
der Bundespolizei durchgeführt. | |
Anschließend durchsuchten Polizeikräfte vier Objekte in Baden-Württemberg, | |
wohl die beiden Wohnungen Ws., seinen Arbeitsplatz sowie eine Immobilie in | |
Haiterbach (Kreis Calw), die auch mit Sergej W. in Verbindung stehen soll. | |
Derzeit geht die Bundesanwaltschaft jedenfalls davon aus, dass W. keine | |
Komplizen hatte, sondern Alleintäter war. | |
Zur Vorbereitung des Anschlags hatte sich W. schon im März im Hotel | |
L'Arivée eingemietet, dem späteren Team-Hotel von Borussia Dortmund. Auch | |
für die möglichen Spieltage des Viertelfinales hatte sich W. im Hotel ein | |
Zimmer mit Blick auf den Tatort reserviert. Vermutlich hat er von dort aus | |
per Funk drei Sprengladungen aktiviert, die an der Route des BVB-Busses | |
platziert waren. Die Sprengsätze waren laut BAW mit sieben Zentimeter | |
langen und 15 Gramm schweren Metallstiften bestückt. | |
## Zündung der drei Sprengsätze „zeitlich optimal“ | |
BAW-Sprecherin Frauke Köhler beendete Spekulationen, wonach die Sprengsätze | |
eine Sekunde zu spät gezündet worden seien und deshalb nur relativ geringen | |
Schaden anrichten konnten. Tatsächlich sei die Zündung der drei Sprengsätze | |
„zeitlich optimal“ erfolgt. Allerdings sei das mittlere der drei | |
Sprengpakete zu hoch platziert gewesen, so dass die Metallstifte vor allem | |
über den BVB-Bus hinweg flogen. Der erste und dritte Sprengsatz waren in | |
Bodennähe deponiert, der mittlere in etwa einem Meter Höhe. | |
Nach den bisherigen Erkenntnissen wollte W. mit dem Anschlag einen | |
Kurzsturz der BVB-Aktie auslösen. Dazu hätte er aber wohl große Teile der | |
Mannschaft töten oder schwer verletzen müssen. Ob die Sprengsätze dazu | |
geeignet waren, ist zweifelhaft. Der erste und der dritte Sprengsatz hatten | |
zwar Schäden am Bus angerichtet, mehrere Sicherheitsscheiben zerbarsten, | |
der BVB-Verteidiger Marc Batra wurde durch Splitter an Hand und Arm | |
verletzt und ein Metallstift bohrte sich in eine Kopfstütze im Bus. Ein | |
Massaker an der ganzen Mannschaft war aber eventuell doch nicht möglich. | |
W. hatte mit einem Anfang April aufgenommenen Verbraucherkredit über rund | |
40.000 Euro am Tattag mehrfach Optionsscheine gekauft, mit denen er | |
faktisch auf einen Kursverlust der Vereinsaktien wettete (so genannte | |
Put-Optionen). Je größer der Kursverlust, umso größer wäre der Gewinn von | |
W. gewesen. | |
Bei Spekulationen mit solchen Derivaten sind Gewinne (und Verluste) | |
möglich, die das eingesetzte Kapital um ein Mehrfaches übersteigen. Zum | |
maximal möglichen Gewinn wollte die BAW noch nichts sagen. Die Bild-Zeitung | |
schätzte ihn auf 39 Millionen Euro, Spiegel Online dagegen nur auf 200.000 | |
Euro. | |
Die Ermittler kamen W. auf die Spur, nachdem eine Bank ungewöhnliche Käufe | |
von BVB-Optionsscheinen meldete. Anhand der IP-Adresse konnte festgestellt | |
werden, dass diese Geschäfte ausgerechnet aus dem Hotel Arivée, dem | |
Teamhotel des BVB getätigt wurden. W. hatte sich im Hotel auch schon | |
anderweitig verdächtig gemacht, weil er darauf bestand, Zimmer zur Straße | |
zu buchen. Außerdem habe er nach dem Anschlag ganz unaufgeregt ein Steak | |
bestellt, während andere Gäste sehr aufgeregt gewesen seien, berichtete | |
Bild. | |
Am Freitagnachmittag wurde W. in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter am | |
Bundesgerichtshof vorgeführt. Der Richter erließ dann einen Haftbefehl | |
entscheiden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm zwanzigfachen versuchten Mord | |
vor. | |
21 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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