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# taz.de -- Doppel-„Tatort“ aus Berlin: Rechte Umsturzversuche
> Doppelfolge aus Berlin: Der „Tatort“ hat eine neue tolle Ermittlerin und
> spielt im rechten Milieu von Polizei und Verfassungsschutz. Aber, ach.
Bild: Corinna Harfouch als Susanne Bonard ermittelt erstmals an der Seite von R…
Der zweite [1][Berliner „Tatort“] nach dem Ableben der Ermittlerin Nina
Rubin (Meret Becker) tischt ziemlich opulent auf. Verdächtige und
Handlungsort sind Polizei und Verfassungsschutz. Hochbrisant! Der Tatort
ist eine Doppelfolge mit drei Stunden Platz zum Erzählen. Cool! Mark
Waschke spielt weiter den Ermittler Karow. Yeah! [2][Seine neue Partnerin
ist eine der prominentesten deutschen TV-Schauspielerinnen, Corinna
Harfouch]. Ja, Wahnsinn!
„Es ist größer, als ich dachte“, sagen zwei Polizistinnen im Laufe des
Films. Beide sterben. Was genau da größer ist, bleibt zunächst
unausgesprochen, wird aber jedem Zuschauer sofort dämmern: die Kreise und
Ziele der Rechten in der Polizei.
Man will diesen Tatort gerne gut finden. Aber, ach. Oh Mann. Oh je. Wo
bisher ein Ermittlerduo war, das immer etwas nach Späti, Drogen, Sex, Club,
Großstadt gerochen und was Dunkles, Unsauberes, Nicht-Ausdiskutiertes
hatte, ist jetzt alles spiegelglatt. Die Neue, Spitzname „Heilige Susanne“,
hat kein dreckiges -ow oder -ic im Namen, sondern klingt nach französischer
Patisserie: Bonard. Karow hat jetzt längere Haare und entwickelt sich ob
der Noblesse seiner neuen Kollegin sogar zum Charmeur.
Auch ansonsten scheint alles, was an früher erinnert, aufgegeben. Die
Farben sind meist in grau, braun und dunkelblau abgetönt. Selbst die
Buntstifte des kleinen Matti, dessen Mutter vor seinen Augen erschossen
wird, wirken blass. Die mal durch Elektroklänge, mal durch Panflöte
inszenierte Hintergrundunheimlichkeit nervt: Ist ja gut, wir haben
verstanden, es ist ein düsteres Thema und die Abgründe sind tief, sehr
tief.
So gut wie alles in diesem Tatort wirkt falsch, verstellt, gekünstelt,
bemüht künstlerisch inszeniert, unglaubwürdig. So sieht man zum Beispiel
mehrfach Finger in Großaufnahme, wie sie gerade Sim-Karten in Laptops
stecken. Und so wie die neue Ermittlerin mit ihrem Ehemann spricht bzw. der
mit ihr, wirkt das nicht wie bei einem echten Alltag solcher Paare
abgeschaut, sondern als hätte sich der Regisseur bei seiner Recherche von
Influencerpaaren auf Instagram inspirieren lassen.
Ansonsten sieht man viel Gesicht. Vor allem das von Harfouch. Das guckt man
natürlich ganz gern an, so wie auch das von Waschke. Aber keine einzige
Einstellung in den drei Stunden hat Witz oder ist so intensiv, dass man
vergisst, dass der Rest der Erzählung irre langatmig ist. Dazu gibt es
ständig unglaubwürdige Entwicklungen, wie der Umstand, dass sich die neue
Ermittlerin einfach selbst eingesetzt hat, obwohl sie gerade offiziell in
den Ruhestand geschickt wurde.
Um auch mal etwas zum Thema zu sagen: Ja, auch in echt gibt es
Rechtsextreme in der Polizei und es gibt den Verfassungsschutz, dessen Chef
bis vor Kurzem ein Rechtsextremer war. Und es gibt guten Grund, wegen
Waffen sammelnder und schießender Reichsbürger besorgt zu sein. Aber der
Tatort tut so, als hätten die Rechtsextremen den deutschen Staat im Prinzip
schon so gut wie in der Hand.
Was genau will so eine Erzählung erreichen? Dass die Nazis sich diebisch
freuen, weil hier suggeriert wird, dass sie kurz davor sind, ihr Ziel, ihre
eigene Zeitenwende, den Umsturz erreicht zu haben? Sicher liefert der
Tatort Anlass, um den rechten Filz in den Sicherheitsbehörden zu
thematisieren. Weniger apokalyptische Überinszenierung, mehr glaubwürdigere
Erzählung hätte trotzdem gutgetan.
9 Apr 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Tatort Berlin
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