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# taz.de -- „Tatort“ aus Hannover: Hannover im Schatten
> Kommissars Thorsten Falke und seiner Kollegin Julia Grosz sollen ein
> Schleusernetzwerk in Hannover aufdecken. Achtung: Nichts für schwache
> Nerven.
Bild: Szene aus dem Tatort mit Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring, Mitte)
Zum zehnjährigen Jubiläum des Hamburger Kommissars Thorsten Falke (Wotan
Wilke Möhring) und seiner Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) von der
Bundespolizei bekommen die beiden es mit einem wenig erbaulichen Fall zu
tun. Sie sollen ein Schleusernetzwerk in Hannover aufdecken. Denn in einer
kleinen Europaletten-Box eines Lkws wurde ein toter junger Mann gefunden,
dessen Identität unklar ist. Er hat weder einen Pass noch ein Handy bei
sich; seine Fingerkuppen sind abgeschliffen. Lediglich eine Bibel mit einem
handschriftlich eingetragenen Vers trug er bei sich.
Etwa zur selben Zeit als Grosz und Falke ihr improvisiertes Büro im Revier
Hannover beziehen, fasst der Familienvater Jon Makoni (Alois Moyo) einen
Entschluss: Sein 17-jähriger Sohn Noah ist seit einiger Zeit verschwunden
und Jon möchte entgegen dem Willen seiner Frau Hope (Sheri Hagen) die
Polizei hinzuziehen. Doch warum ist das, was für die meisten Menschen in
Ausnahmesituationen völlig normal ist, für Jon und Hope ein so schwieriger
Schritt?
Die beiden sind vor elf Jahren aus Simbabwe geflohen, da sie dort der
Opposition nahe standen und vor Ort kein sicheres Leben führen konnten.
Doch auch die Situation in Deutschland ist für die beiden nicht wirklich
besser, denn sie erhielten nie eine Aufenthaltsgenehmigung. Nun schlagen
sie sich mit Putz- und Gelegenheitsjobs in Hannover durch und versuchen,
durch ein überangepasstes Auftreten unter dem Radar zu bleiben. Bloß nicht
auffallen ist die Devise. Und was könnte auffälliger sein, als auf ein
Polizeirevier zu gehen?
Verschwundener Sohn
Doch Jon zerreißt die Sorge um seinen verschwundenen Sohn und so steht er
nun im Revier einem Beamten gegenüber, der ihm ohne das Vorzeigen eines
gültigen Ausweises weder helfen kann noch will. Einzig die Zufallsbegegnung
mit Kommissar Falke nutzt Jon: Falke ist die Ausweisgeschichte egal und er
will Noah finden, da er Parallelen zu dem aktuellen Fall mit dem
unbekannten toten Jungen im Lkw sieht.
So führen die Ermittlungen das Team in eine Welt, die sich einzig und
allein auf die Ausbeutung von ohnehin schon marginalisierten Menschen
ausrichtet. Sei es das teure Restaurant, in dessen Küche nur junge schwarze
Männer schuften, sei es die Baustelle, wo sie als billige Arbeitskräfte
keine Rechte haben, oder sei es das schicke Hochhaus, in dem in der Nacht
schwarze Frauen putzen.
Und auch Menschen, die es eigentlich gut meinen, wie die Ärztin Simone
Kemper (Rebecca Rudolph), die Menschen ohne Papiere kostenfrei behandelt,
leistet ihren Beitrag zum Funktionieren dieser Schattenwelt: Denn gut
gemeint ist halt noch lange nicht gut gemacht.
„Tatorte“, die sich mit der Situation von Geflüchteten in Deutschland
auseinandersetzen, gab es schon viele, doch diesem gelingt es ausgesprochen
gut: Er zeigt seine Protagonist*innen auf Augenhöhe und wird dabei
weder zum Heldenepos noch zum Flüchtlingsdrama.
Das ist das Verdienst der Drehbuchautorinnen Julia Drache und Sophia
Ayissi. Besonders die Szenen, in denen Kommissar Falke Leuten, die ihm
geholfen haben, eine Duldung anbietet, offenbaren die Absurdität des
Systems. Was nützt eine Duldung, wenn doch das große Ganze
menschenverachtend ist und nicht einmal im Ansatz das Leben sichert?
Leichte Sonntagsabendkost ist diese Hannoveraner Folge definitiv nicht –
dennoch ist sie in all ihrer grausamen Wucht überaus sehenswert.
16 Apr 2023
## AUTOREN
Almuth Müller
## TAGS
Tatort
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