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# taz.de -- „ARD Radio Tatort“ aus dem Grunewald: Im Schlamm versinken
> Im Fall des getöteten Jägers im Berliner Grunewald ist derKommissar im
> „ARD Radio Tatort“ keine große Hilfe. Er stochert lieber in seiner
> DDR-Zeit.
Bild: Berlin-Grunewald: Man denkt an Villen, Natur und Wald
Christian Wonder ist Oberkommissar und muss sich um einen Mord im Grunewald
kümmern. Schick, denkt man sich beim aktuellen, sehr gelungenen „ARD Radio
Tatort“: Grunewald. Villen und Natur und Wald, [1][der im Sommer brennt].
Wonder aber denkt an so was nicht, sondern vor allem an: Schlamm, „mitten
in einem hochzivilisierten Land, in dem es keine bösen Geister mehr gibt“.
Damit meint er aber nicht den chronisch vertrockneten Grunewald, sondern
das wiedervereinte Deutschland und seine eigene Familiengeschichte, die
immer wieder den Plot sprengt und ablenkt vom eigentlichen Mordfall.
Wonder sieht sich selbst im Mann im Schlamm. „Sobald er sich bewegt, sinkt
er tiefer in die zähe, saugende Masse hinein.“ Wonder hat Angst vor der
eigenen Vergangenheit und trotzdem recherchiert er ihr nach und dadurch
wird’s eben problematisch, inklusive Anruf von Herrn Weber vom
Bundesministerium des Innern.
Gegenüber dem tut Wonder so, als würde er sich nicht bewegen, nicht
recherchieren. Tatsächlich aber fragt er sich und andere ganz genau, warum
seine Eltern die DDR und ihn, als er noch ein Baby war, verlassen haben
Richtung militärische Uranforschung im Iran.
## Vom Hochsitz geschossen
Gedanken über den Fall macht sich nur Wonders Kollegin Ariane Kruse. Dafür
kommt die auf wirklich gute Einfälle. Im Grunewald eben wurde ein Jäger
erschossen. Dann hat jemand der Leiche auch noch eigenartigen Schlamm in
den Mund geschmiert. Der stinkt und ist schwarz und keiner weiß, was es
ist, also vorsichtshalber mal Schutzklamotten an.
Schade, dass man den Reißverschluss nicht hört. Der Jäger stand auf dem
Hochsitz und dann – zack – von unten ein Schuss schräg in die Seite:
Leonard Löber, die Spitze der Nahrungskette im raubtierarmen Grunewald,
und wie sich rausstellt, auch ein Teil der Spitze im Klassensystem, wurde
von seinem Hochsitz gestürzt.
Löber ist einer, der dann doch ein paar Feinde hatte. Den ehemaligen Jäger
des Reviers füllte er erst ab und zeigte ihn dann wegen Trunkenheit am
Steuer bei der Polizei an, sodass er das Revier verlor. Den Sohn hatte
Löber lange ausgehalten, aber dann war der Geldhahn plötzlich zu, die
Wohnung gekündigt. Und: Löber betreibt ein Unternehmen, das für
Mülltransport zuständig ist.
Auftritt Mülldetektiv: Hätte man sich auch sparen können. Ariane Kruse
kommt von selbst auf Ideen, was hinter dem Mord stecken könnte: „Hypothese
1: Rache. Hypothese 2: organisierte Kriminalität.“ Das erklärt sie auch
Wonder, der so tut, als gäbe es auch bessere Ansätze, dann aber keine Ideen
liefert. Stattdessen darf Kruse ihn die 53 Minuten lang mitschleppen durch
die Ermittlungen und durch Brandenburg und dann auch noch retten aus einer
verseuchten alten Kiesgrube.
## Ermittlungen auf Metaebene
Autor Tom Peuckert hat damit eine eher wenig gesunde Arbeitsdynamik für die
Ermittler*innen geschaffen, aber auch eine Chance für Wonder, das Ganze
mal auf eine Metaebene zu heben, die dem Radio Tatort oft eigen ist und dem
Fernseh-„Tatort“, der sich ja [2][bereits in der Sommerpause befindet], oft
gänzlich fehlt.
Also philosophiert Wonder über seine Familie, aber auch den fortwährenden
Kampf von Natur und Kultur: „Manche Menschen halten die Biosphäre der Erde
für einen lebenden Organismus. Wie jedes Lebewesen ist die Biosphäre zur
Selbstregulation fähig. Schädliche Zustände im Inneren führen zu
Abwehrreaktionen. Für die Biosphäre ist der [3][Mensch heute der größte
Feind].“
25 Jun 2023
## LINKS
[1] /Waldbraende-in-Berlin-Brandenburg/!5931031
[2] /Der-Tatort-aus-Stuttgart/!5938583
[3] /Epoche-des-Menschen/!5941047
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
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