# taz.de -- Mietenwahnsinn in Berlin: Gemeinsam gegen Vonovia | |
> Im Kampf gegen überhöhte Heizungs- und Betriebskostenforderungen setzt | |
> die Mieter*innenbewegung auf eine stärkere, auch bundesweite | |
> Vernetzung. | |
Bild: Klare Forderung an einer Hauswand in Berlin | |
BERLIN taz | Am Wochenende haben sich rund 100 Aktivist*innen der | |
bundesweiten Mieter*innenbewegung in den Räumen der | |
Rosa-Luxemburg-Stiftung am Ostbahnhof getroffen, um sich im Kampf gegen | |
Wohnungskonzerne wie Vonovia besser zu vernetzen. | |
Den Aktivist*innen sei es zuvorderst darum gegangen, sich darüber | |
auszutauschen, wie sich Mieter*innen gegen [1][die horrenden Heizungs- | |
und Betriebskostenforderungen] wehren können, die bei vielen im Winter im | |
Briefkasten lagen, sagt Daniel Katzenmaier zur taz. Er ist Vorsitzender der | |
Mietergewerkschaft und Mitorganisator der Konferenz am Wochenende. | |
Die höchste Nachzahlungsforderung in Berlin habe sich, so Katzenmaier, auf | |
über 9.000 Euro belaufen. Viele Mieter*innen hätten auch ihr Recht auf | |
Nichtbezahlung in Anspruch genommen. Aber nach dem Kampf sei vor dem Kampf: | |
„Denn die nächste Zahlungsaufforderung wird auf jeden Fall kommen.“ | |
Mit über 600.000 Wohnungen ist Vonovia Deutschlands größter | |
renditeorientierter Wohnimmobilienkonzern. Und Rendite bringt hier nun mal | |
vor allem die – überhöhte – Miete. Gleichwohl hat Vonovia 2023 einen | |
Verlust von fast sieben Milliarden Euro gemacht. Auch das bekommen | |
Mieter*innen zu spüren. So wurde nicht nur der Neubau von Mietwohnungen | |
eingestellt, auch Instandsetzungen und Modernisierungen wurden | |
heruntergefahren, sanierungsbedürftige Wohnungen weiterverkauft [2][und der | |
Service reduziert]. | |
## Neue Strategien gesucht | |
Trotzdem, so die Berichte der Konferenzteilnehmer*innen, werden immer | |
höhere Mieten und intransparente, zum Teil extrem hohe und fehlerhaft | |
berechnete Betriebs- und Heizkosten verlangt. Diese solle man auf keinen | |
Fall zahlen, sondern die Belege einfordern. | |
„Die große Betroffenheit führt zu einem großen Kampfeswillen“, sagt ein | |
Aktivist aus dem nordrhein-westfälischen Bottrop, der seinen Namen nicht in | |
der Zeitung lesen will. Auch er ist fest davon überzeugt: Man müsse sich | |
gegen diese Geschäftspraktiken wehren, die regionalen Kämpfe zusammenführen | |
und neue Strategien entwickeln. | |
„Wir müssen die Geschäftsmodelle verstehen und kritisieren“, sagt Knut | |
Unger von der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen. Vonovia treibe | |
die Mieten weiter an, auch weil die Schulden des Unternehmens gestiegen und | |
der Wert der Immobilien „zusammengebrochen“ sei. Dass die Mieter*innen | |
jetzt die Leidtragenden sein sollen, gehe nicht an, so Unger, der auch von | |
einer „Neoliberalisierung des Wohnungsmarktes“ spricht. | |
Uwe Zoellner von Finanzwende-Recherche sieht das genauso. „Die Finanzmärkte | |
bestimmen das Handeln der Vonovia“, sagt er. Zoellner muss es wissen, | |
schließlich ist er selbst ehemaliger Fondsmanager. Da die Vonovia-Aktie | |
gefallen ist, müsse der Konzern „die Aktionäre bei Laune halten“. | |
Dagegen müsse man selbst aktiv werden, fordert wiederum Unger, die Mieten | |
müssten kontrolliert werden. Und vor allem: „Wir kommen um eine | |
Vergesellschaftung nicht herum.“ | |
## Vergesellschaftung als Problemlöser | |
Dem kann sich Karla Hildebrandt nur anschließen. Wenig verwunderlich, sie | |
engagiert sich im Kiezteam Tempelhof-Schöneberg der Initiative Deutsche | |
Wohnen & Co enteignen, die [3][die Bestände von großen | |
privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen vergesellschaften] und in eine | |
Anstalt des öffentlichen Rechts überführen will. | |
Letztlich gehe es darum, die Bestände langfristig dem Markt zu entziehen, | |
gemeinwirtschaftlich zu verwalten und zu demokratisieren. „Durch die | |
Vergesellschaftung von Vonovia und Co kann Berlin Probleme lösen, für die | |
der Politik heute jedes Mittel fehlt“, sagt Hildebrandt. Ihre Forderung: | |
„Lasst uns zusammen dafür kämpfen, dass Wohnen wieder ein echtes, | |
geschütztes Grundrecht wird und nicht länger nur eine Frage des Geldes.“ | |
Für Daniel Katzenmaier sind die Ergebnisse der Konferenz „sehr | |
motivierend“. Als Nächstes stünden Besuche bei den Aktionärsversammlungen | |
und eine große Mietendemonstration in Berlin auf der Agenda. Dazu kämen | |
Basisarbeit, die Gründung neuer Mietergemeinschaften, Seminare, Kampagnen. | |
„Vonovia übt sehr starken Druck auf die Mieter*innen aus, wir wollen | |
zeigen: Wir sind mehr“, so Katzenmaier. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde ein Zitat zur | |
Vergesellschaftung versehentlich Uwe Zoellner zugeordnet. Tatsächlich | |
stammt es von Knut Unger. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. taz | |
berlin | |
24 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Darius Ossami | |
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