# taz.de -- KInderbetreuung in Schleswig-Holstein: Millionenloch im Kita-System | |
> In Kiel demonstrierten Eltern und Beschäftigte für ein besseres | |
> Kita-Gesetz und mehr Geld. Derzeit vorgeschriebene Standards führten zu | |
> Schließungen. | |
Bild: Unterstützung von der zuständigen Ministerin Aminata Touré (Grüne): D… | |
HAMBURG taz | Mit 13 Bussen allein aus Flensburg fielen Eltern und | |
Kita-Beschäftigte am Donnerstag früh in die Landeshauptstadt Kiel ein, um | |
für die Kitas des Landes [1][„gemeinsam laut“ zu werden]. Der Demo-Appell | |
richtete sich auch an Sozialministerin [2][Aminata Touré] (Grüne), die es | |
sich nicht nehmen ließ, auch auf der Demo zu sprechen. | |
Schleswig-Holstein ist kita-politisch lange Schlusslicht gewesen und heute | |
das letzte Bundesland im Norden, das keine [3][kostenlose Betreuung | |
bietet]. Aber das Land brachte 2021 unter der Jamaika-Koalition eine | |
Kita-Reform auf den Weg, die immerhin dazu führte, dass die teils sehr | |
hohen Elternbeiträge pro Kind einheitlich gedeckelt sind, auf maximal 232 | |
Euro im Monat. Mit dem neuen Kindertagesförderungsgesetz (Kitag) wurde auch | |
eine neue Finanzierung eingeführt, mit der sperrigen Bezeichnung | |
„Standard-Qualitäts-Kosten-Modell“ (SQKM). Das besagt, dass das Land die | |
Kitas gruppenweise fördert und zwar dann, wenn der Schlüssel von zwei | |
Fachkräften pro Gruppe eingehalten wird. | |
„Hält man den Schlüssel nicht ein, muss man die Gruppe schließen“, sagt | |
Henning Fitch von der Interessengemeinschaft freier Kita-Träger in | |
Flensburg. Ein Träger sitze da zwischen allen Stühlen, also zwischen den | |
Vorgaben und der Bedarfssituation von Eltern und Kindern. Die Träger | |
müssten sich an die Regeln halten, verlören sonst die Zuschüsse. So stünden | |
Eltern allein da. „Da platzt vielen der Kragen.“ Besser wäre ein | |
flexiblerer Fachkraft-Kind-Schlüssel, sagt Fitch, der erlaube, eine Gruppe | |
am Morgen oder am Nachmittag, wenn wenige Kinder da sind, von einer Kraft | |
betreuen zu lassen. | |
„Das Kitag ist aktuell leider eine Belastung statt einer Entlastung“, sagt | |
auch Sylvia Klose von der Kreiselternvertretung Nordfriesland. Darum | |
kämpfen Eltern für eine „längst überfällige Anpassung“, die | |
Gruppenschließungen und die daraus resultierende Belastung der Eltern | |
verhindert. „Unsere Kinder brauchen eine zuverlässige Betreuung, sodass wir | |
Eltern verlässlich unserer Berufstätigkeit nachgehen können“, sagt Klose. | |
Und sie müsse auch für Eltern finanzierbar sein. | |
## Evaluation bestätigt häufige Gruppenschließungen | |
Dass es häufig zu [4][Gruppenschließungen] kommt, besagt auch eine im | |
Februar vorgelegte Evaluation des Kitag. Vier von zehn befragten | |
Kita-Leitungen gaben an, dass bei ihnen an mehr als fünf Tagen aufeinander | |
die Schlüssel nicht sichergestellt werden konnten und deshalb mit Kürzung | |
der Öffnungszeit oder Schließung reagiert wurde. „Das System erscheint | |
insgesamt nicht flexibel genug, zu bürokratisch, in Teilen zu wenig an der | |
Praxis orientiert“, sagte Ministerin Touré bei der Vorstellung und kündigte | |
an, dass es dazu eine Workshop-Reihe und schließlich eine Gesetzesreform | |
zum 1. Januar 2025 geben wird. | |
Die Evaluation hatte aber – neben der Hervorhebung positiver Wirkungen des | |
Gesetzes – noch eine brisante Botschaft: Das Kita-System mit seinem Volumen | |
von ungefähr 1,5 Milliarden Euro ist unterfinanziert, es fehlen zwischen 70 | |
und 130 Millionen Euro im Jahr, um die Qualität zu halten. | |
„Es muss mehr Geld ins System, damit es stabil bleibt“, sagt Sophia | |
Schiebe, Kita-Politikerin der SPD. Derzeit tragen die Eltern mit ihren | |
Beiträgen rund 20 Prozent der Kosten, die Kommunen 37 Prozent und das Land | |
Schleswig-Holstein 43 Prozent. Da Ministerin Touré davon sprach, alle | |
müssten ihren Beitrag leisten, sieht Schiebe die Gefahr, dass jetzt die | |
Elternbeiträge erhöht werden, die Kommunen mehr zahlen müssen oder die | |
Qualität gesenkt wird. „Da muss der Kita-Bereich laut sein, um dies zu | |
verhindern.“ | |
Für die grüne Kita-Politikerin Catharina Nies ist es zu früh, über konkret | |
fehlende Beträge zu reden. Sie sagt, dass Kita-Gesetz habe mehr Qualität | |
ins System gebracht. Deshalb arbeite man intensiv daran, Lösungen zu | |
finden. „Von der Neuberechnung der Ausfallzeiten, Randzeitenregelungen bis | |
hin zu der Einführung möglicher Personalspannen steht alles auf dem | |
Prüfstand.“ | |
Sozialministerin Touré sagte vor den Demonstranten: „Wir wollen mehr | |
Verlässlichkeit in den Kitas, starke Fachkräfte und eine faire Finanzierung | |
unter allen Beteiligten.“ Es sei ein „wichtiges Signal“, dass so viele | |
Menschen auf die Straße gingen. Auch Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) | |
sprach ein paar Worte. | |
Fitch ist mit dem Politiker-Besuch nur mäßig zufrieden. „Alle haben uns | |
gesagt, ihr habt recht. Wir wollten auch niemanden bashen oder schlechte | |
Laune verbreiten.“ Doch das Land müsse im Haushalt [5][eine Milliarde | |
einsparen]. „Da sagen wir: Spart das bitte nicht bei den Kleinsten.“ | |
22 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://demo.kita-eltern-sh.de/ | |
[2] /Aminata-Toure/!t5708995 | |
[3] /Fruehe-Bildung/!5371069 | |
[4] /Betreuung-in-Niedersachsens-Kitas/!5995102 | |
[5] /Schleswig-Holstein-praesentiert-Sparplaene/!5934825 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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