| # taz.de -- Bundeskanzler auf Nahost-Reise: Scholz übt Spagat über dem Jordan | |
| > Der Bundeskanzler stößt bei seinem Besuch in Jordanien auf Zurückhaltung. | |
| > Aber auch Israels Premier Netanjahu zeigt sich distanziert. | |
| Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einem Treffen mit dem jordanischen K… | |
| Akaba, Amman und Jerusalem taz | Es ist nicht viel, was Olaf Scholz gerade | |
| tun kann, um die Lage im Nahen Osten zu entspannen. Vielleicht ist er | |
| deshalb am Sonntagmorgen in Akaba erst einmal laufen gegangen. Um | |
| wenigstens sich selbst zu entspannen. Vormittags war Scholz mit dem | |
| jordanischen König Abdullah II. verabredet, nachmittags reiste er weiter | |
| nach Israel, traf dort zunächst den israelischen Ministerpräsidenten | |
| Benjamin Netanjahu, später auch Oppositionspolitiker Benny Gantz und | |
| Angehörige von Geiseln. Keine einfachen Gespräche. | |
| Das spiegelt auch die Organisation wider. Ein gemeinsames Pressestatement | |
| mit Netanjahu wird von dessen Büro am Sonntag kurzfristig gecancelt. Dann | |
| findet es doch statt. | |
| Netanjahu bekräftigte seine Pläne, die Hamas zu zerstören. „Sie ist ein | |
| genozidale Organisation. Sie wird Israel immer wieder angreifen.“ Scholz | |
| wiederholte erneut, dass Israel natürlich jedes Recht habe, sich selbst zu | |
| verteidigen. „Aber je länger dieser Krieg dauert und je höher die Zahl der | |
| zivilen Opfer, umso mehr stellt sich die Frage: Egal wie berechtigt das | |
| Ziel ist, kann es diese hohen Kosten rechtfertigen“. Es ist der | |
| diplomatische Versuch, Netanjahu von der angekündigten Bodenoffensive in | |
| Rafah abzubringen und seine Strategie im Gaza-Krieg zu ändern. Der Terror, | |
| so Scholz, könne nicht allein mit militärischen Mitteln besiegt werden. | |
| Doch Netanjahu gab sich unbeeindruckt. Er versicherte, dass man den | |
| Menschen in Rafah vor einer Bodenoffensive die Möglichkeit einräumen werde | |
| zu fliehen. Scholz hat Zweifel, ob das funktioniert. „Wo sollen 1,5 | |
| Millionen Menschen hin?“ Auch die Ermahnung des Bundeskanzlers, mehr | |
| humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen, konterte Netanjahu mit der | |
| Behauptung, man unternehme alle Anstrengungen zur Versorgung der | |
| Bevölkerung. | |
| ## Bitten ohne Konsequenz | |
| Der gemeinsame Auftritt hatte etwas von einem Schlagabtausch. Dass Scholz | |
| wirklich zu Netanjahu durchdringt, war allerdings von Anfang an zu | |
| bezweifeln. Zumal Scholz erneut darauf verzichtet hat, dem „Partner und | |
| Freund“ mit Konsequenzen zu drohen. | |
| Es ist [1][Scholz’ dritte Reise seit Amtsantritt nach Israel], die zweite | |
| seit Beginn des Krieges im Oktober. Der Krieg und die Situation im Nahen | |
| Osten, sagte Scholz kurz vor Abflug, werden immer schlimmer. „Wichtig wäre, | |
| dass es jetzt ganz schnell zu einer Verständigung über eine Waffenpause | |
| kommt, die es ermöglicht, dass die Geiseln freigelassen werden, und die | |
| gleichzeitig auch humanitäre Hilfe nach Gaza kommen lässt“, hatte der | |
| Kanzler seine Reisepläne skizziert, die in zunächst in die jordanische | |
| Hafenstadt Akaba führten. | |
| Jordanien ist Scharnier zwischen arabischer Welt und Israel und Drehkreuz | |
| [2][für die deutschen Hilfslieferungen aus der Luft], die die Bundeswehr am | |
| Samstag erstmals über Gaza abwarf. Nach Meinung von Hilfsorganisationen | |
| ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wichtig wären kontinuierliche | |
| Lieferung auf dem Land- und dem Seeweg. Das räumte auch Scholz am | |
| Sonntagvormittag nach dem Treffen mit König Abdullah II. ein. „Das, was | |
| heute dahin gelangt, ist viel zu wenig. Wir haben alle Sorge, dass es zu | |
| einer Hungerkatastrophe kommt.“ Es gebe nur einen Weg, wie humanitäre Hilfe | |
| in großem Umfang ermöglicht werden könne: „Indem mehr Lastwagen nach Gaza | |
| gelangen.“ | |
| ## Wachsende Distanz zu Deutschland | |
| Jordanien hat drei Grenzübergänge nach Israel, mögliche Tore für eine | |
| Trasse bis nach Gaza. Den Vereinten Nationen zufolge ist der Hunger längst | |
| Realität. Das palästinensische Flüchtlingswerk UNRWA meldet, dass ein | |
| Drittel der Kleinkinder im Norden Gazas akut unterernährt seien. | |
| Der jordanische König hatte den Bundeskanzler in seiner Privatresidenz am | |
| Roten Meer empfangen. Ein gemeinsamer Auftritt im Anschluss an das Gespräch | |
| war nicht vorgesehen. Wohl auch Ausweis der Distanz, die in der arabischen | |
| Welt mittlerweile gegenüber Deutschlands bedingungsloser Solidarität mit | |
| Israel herrscht. Also stand Scholz allein am Meer in Blickweite der | |
| israelischen Küste und berichtet, dass er sich mit dem König auch über Wege | |
| zu einer Waffenruhe und einer Freilassung der Geiseln „sehr sorgfältig“ | |
| ausgetauscht habe. Aus der Ferne mahnte er Israel auch, sich an die Regeln | |
| des Völkerrechts zu halten. | |
| Die indirekten Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Israel | |
| und der Hamas über Katar als Vermittler laufen seit Monaten ergebnislos. | |
| Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Am Freitag sollte eine israelische | |
| Delegation erneut zu Verhandlungen nach Katar aufbrechen. Die Hamas hat | |
| einen mehrstufigen Waffenstillstand gegen den Austausch von Gefangenen und | |
| Geiseln angeboten. | |
| ## Über 30.000 getötete Zivilisten | |
| Zuvor hatte Israels Premier Netanjahu allerdings Pläne für eine | |
| Bodenoffensive in Rafah gebilligt. Die Stadt an der Grenze zu Ägypten gilt | |
| als letzter Rückzugsort der militanten Hamas. Doch dort haben auch 1,5 | |
| Millionen Menschen vor dem Krieg Schutz gesucht. Im Gleichklang mit | |
| US-Präsident Joe Biden ruft Scholz zur Mäßigung auf. Israel habe jedes | |
| Recht, sich gegen Hamas zu verteidigen, wiederholte der Bundeskanzler in | |
| Jordanien. „Gleichzeitig darf es nicht dazu kommen, dass jetzt viele, die | |
| nach Rafah geflohen sind, unmittelbar bedroht sind von dem, was an | |
| militärischen Handlungen dort vorgenommen wird“, so Scholz auf Scholzisch. | |
| Eine Bodenoffensive in nächster Zeit müsse verhindert werden. Im Klartext: | |
| Eine Militäroperation gegen die Hamas ist schon o. k., aber nicht um den | |
| Preis hoher ziviler Opferzahlen. | |
| Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gaza-Gesundheitsbehörde sind | |
| seit Beginn des Krieges 31.600 Menschen gestorben, mehrheitlich Frauen und | |
| Kinder. Unabhängige Zahlen gibt es dazu keine. | |
| „Ohne die Unterstützung der USA und Deutschlands wäre Israel nicht | |
| imstande, den Krieg in Gaza auf diese Weise fortzuführen“, sagt Tsafrir | |
| Cohen, Geschäftsführer der Hilfsorganisation medico international, zur taz. | |
| Deutschland müsse Waffenlieferungen und die politische Unterstützung | |
| deshalb an Bedingungen knüpfen: „Israel muss die Grenzübergänge nach Gaza | |
| öffnen, damit ausreichend Nothilfe dorthin gelangen kann.“ Einem | |
| Sipri-Bericht zufolge bezieht Israel 30 Prozent seiner Waffen aus | |
| Deutschland, darunter Maschinengewehre und Munition. | |
| Traditionell galt auch Jordanien als Vermittler im Nahostkonflikt. Doch der | |
| Krieg in Gaza, mit den vielen Toten auf palästinensischer Seite, [3][hat | |
| die jordanische Regierung dazu gebracht, harte Töne gegenüber Israel | |
| anzuschlagen.] Auch das Verständnis gegenüber Deutschland schwindet. Der | |
| Druck auf Jordaniens Regierung sei gerade hoch, so Saud al-Sharafat, | |
| Direktor des Shorufat Center for Globalization and Terrorism Studies und | |
| ehemaliger Brigadegeneral des jordanischen Geheimdienstes. Vor allem | |
| angesichts der kommenden Wahlen, bei denen Oppositionsparteien wie die | |
| Islamische Aktionsfront, die sich stets gegen Israel positioniert haben, an | |
| Zustimmung gewinnen könnten. | |
| Langfristig sind jedoch Jordaniens gute Kontakte zur Palästinensischen | |
| Autonomiebehörde gefragt. Mehr als die Hälfte der Jordanier*innen hat | |
| palästinensische Wurzeln. Eine Reform der Autonomiebehörde gilt als | |
| Voraussetzung, um langfristig eine Zweistaatenlösung zu ermöglichen. Diese | |
| sieht auch Scholz nach wie vor als einzigen Weg, um Frieden im Nahen Osten | |
| herzustellen. Der jedoch weiter entfernt scheint denn je. | |
| 17 Mar 2024 | |
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| [2] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!5998585 | |
| [3] /Jordanierinnen-gegen-Israel/!5975976 | |
| ## AUTOREN | |
| Serena Bilanceri | |
| Anna Lehmann | |
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