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# taz.de -- Argentiniens Präsident vor dem Kongress: Wuttirade als Debütrede
> Javier Milei ist noch nicht über das Scheitern seines Gesetzespakets im
> Parlament hinweg. Seinem Ärger machte er dort zu Beginn der
> Legislaturperiode Luft.
Bild: Die Politik des Populisten Milei stößt nicht überall in Argentinien au…
BUENOS AIRES taz | Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei hat die
Legislaturperiode des neu gewählten Kongresses mit einer düsteren
Bestandsaufnahme eröffnet. „Die letzten 20 Jahre waren ein wirtschaftliches
Desaster, eine Orgie öffentlicher Ausgaben und unkontrollierter
Geldemissionen, die zum schlimmsten Erbe geführt haben, das eine Regierung
in der argentinischen Geschichte je antreten musste“, erklärte Milei.
Traditionell beginnt die Legislaturperiode am 1. März und wird gemäß der
Verfassung vom Präsident eingeläutet. In seiner Rede vor dem gemeinsamen
Plenum von Abgeordnetenhaus und Senat gibt der Präsident einen Bericht zur
Lage der Nation ab und benennt seine Regierungsvorhaben. Eine Aussprache
darüber findet nicht statt.
Mileis erste Rede im Kongress war mit Spannung erwartet worden, hatte er
das Repräsentantenhaus doch erst vor wenigen Tagen als „Rattennest“
bezeichnet. Statt wie üblich um 12 Uhr mittags hatte Milei den Zeitpunkt
seines Auftritts auf 21 Uhr verlegt. Begründung: Die Öffentlichkeit sollte
live dabei sein können.
Linke Parteien und Basisorganisationen hatten sich schon früh mit Fahnen,
Trommeln und Protestplakaten auf dem Platz vor dem Kongressgebäude
versammelt, das rundherum abgesperrt war. Abgesehen von einigen
Handgemengen zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten verliefen die
Proteste friedlich.
Die Demonstrierenden sorgten auf dem Platz jedoch für eine völlig andere
Stimmung als jene, die bei der [1][Vereidigung von Milei im Kongress am 10.
Dezember] geherrscht hatte. In Erinnerung geblieben ist, wie er nach seiner
Vereidigung im Kongress auf dem Absatz kehrtmachte und seine Rede draußen
auf den Stufen des Gebäudes vor einer fahnenschwenkenden und jubelnden
Menge hielt.
Scharf kritisierte Milei am Freitagabend die Vorgängerregierungen. „Der
Populismus der letzten Jahre hat uns 90 Prozent unseres Einkommens
geraubt.“ Dagegen warb der 53-Jährige für seine rigorose Sparpolitik. „Zum
ersten Mal in der Geschichte bekämpfen wir die Ursache des Problems – das
Haushaltsdefizit – und nicht seine Symptome. Deshalb bitte ich um Geduld
und Vertrauen.“
Vor allem der Kaufkraftverlust der Einkommen macht den Menschen zu
schaffen. Rund die Hälfte der lohnabhängigen Bevölkerung schafft es nur
noch knapp über die Armutsgrenze. Gemäß einer Mitte Februar vom
renommierten Sozialobservatorium der Katholischen Universität in Buenos
Aires veröffentlichten Studie lagen 57 Prozent der 46 Millionen
Argentinier*innen unterhalb der Armutsgrenze.
Im Januar war die jährliche [2][Inflationsrate auf 254,2 Prozent
gestiegen]. Allein im ersten Monat des Jahres hatten die Preise um 20,6
Prozent zugelegt, wie die nationale Statistikbehörde Indec bekanntgab.
Dennoch lag die Teuerungsrate damit noch unter den im Dezember
verzeichneten 25,5 Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob dies der lang ersehnte
Abwärtstrend ist. Für Februar wird auf jeden Fall mit einem Wert von unter
20 Prozent gerechnet.
Wie erwartet sparte der libertäre Präsident nicht mit Kritik an den
Parlamentarier*innen, die erst vor wenigen Wochen ein von ihm vorgelegtes
[3][Mega-Gesetz scheitern ließen]. Mangels parlamentarischem Rückhalt
schlug Milei einen neuen Sozialpakt vor, der von der Regierung und den 24
Provinzgouverneuren ausgearbeitet und am argentinischen Nationalfeiertag am
25. Mai unterzeichnet werden soll.
Ob dies gelingt, ist mehr als fraglich, zumal der Präsident bereits zehn
nicht verhandelbare Punkte vorgegeben hat, darunter die Unverletzlichkeit
des Privateigentums, einen ausgeglichenen Staatshaushalt und drastische
Einsparungen der öffentlichen Ausgaben, so soll die Staatsquote soll auf 25
Prozent des BIP reduziert werden.
Wozu letzteres führt, hatte gerade Argentiniens größte
Bauarbeitergewerkschaft Uocra kritisiert, die den Präsidenten für den
Verlust von 50.000 direkten und mehr als 100.000 indirekten Arbeitsplätzen
in den letzten zwei Monaten verantwortlich macht. Als Grund für den
Jobabbau nennt die Gewerkschaft die von Milei gestoppten öffentlichen
Investitionsmaßnahmen.
Aber auch bei den Unternehmen herrscht Alarmstimmung. Die Kammer der
Bauwirtschaft hatte bereits Anfang Januar den landesweiten Notstand
ausgerufen und vor den drohenden Folgen für ihre 1.400 Mitgliedsunternehmen
gewarnt. „Wenn die derzeitige ernste Situation anhält, wird sie
irreversible Auswirkungen auf den Sektor im Besonderen und die Wirtschaft
im Allgemeinen haben“, hieß es damals. Rund 200.000 Arbeitsplätze seien in
Gefahr.
2 Mar 2024
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## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
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