Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rekordinflation in Argentinien: 25,5 Prozent in einem Monat
> In Argentinien stiegen die Preise allein im Dezember um 25,5 Prozent, im
> ganzen Jahr um 211 Prozent. Das ist auch Ergebnis politischer
> Entscheidungen.
Bild: Auch Grundnahrungsmittel werden in Argentinien immer teurer
Buenos Aires taz | „Der Liter Super kostet jetzt 740 Pesos.“ Martín Navarro
zeigt auf die Anzeige der Zapfsäule. Vor vier Wochen kostete der Liter noch
400 Pesos. „Was soll’s“, seufzt er und sagt „Bitte volltanken.“ Morge…
es mit der Familie in den Sommerurlaub an die Atlantikküste. „Zum Glück
haben wir alles schon vor Monaten gebucht“, sagt er. Einige seiner Freunde
hatten das nicht getan und mussten nun ihre Urlaubspläne auf Eis legen.
Der Anstieg der Benzinpreise ist nur die Spitze eines Eisbergs, der trotz
der Sommerhitze Rekordwerte erreicht hat. Allein im Dezember lag die
allgemeine Inflationsrate bei 25,5 Prozent, wie das nationale Statistikamt
Indec am Donnerstag mitteilte. Im November hatte sie noch bei 12,8 Prozent
gelegen. [1][Damit ist die Jahresinflation 2023 auf 211 Prozent geklettert,
dem höchsten Jahreswert seit 1990].
Die Regierung wertete die Dezemberrate dennoch als Erfolg. „Alles, was
unter 30 liegt, ist eine großartige Zahl“, hatte Präsident Javier Milei
bereits zuvor gesagt. Mit 29,7 Prozent lag die Inflationsrate im Bereich
Lebensmittel und Getränke jedoch nur knapp darunter.
[2][Bei seinem Amtsantritt] am 10. Dezember hatte der libertäre Präsident
Javier Milei harte Monate mit einen enormen Anstieg der Inflation
angekündigt. [3][Kaum im Amt ordnete er die Abwertung des Pesos um 55
Prozent gegenüber dem Dollar an und ließ sämtliche
Preisregulierungsvereinbarungen auslaufen]. Alles, was importiert wird,
verteuerte sich sofort. Zuvor regulierte Preise, wie etwa für Benzin, zogen
nach.
Preissprünge von bis zu 100 Prozent bei einzelnen Warengruppen waren die
Folge. Der Preisauftrieb lief derart aus dem Ruder, dass es zu einem
heftigen Streit zwischen den Großhandelslieferanten und einigen
Einzelhandelsketten kam. Letztere verweigerten die Annahme einiger Waren
und hängten Schilder an die leeren Regale: „Fehlt wegen unverhältnismäßig…
Preiserhöhung“.
## Wer muss zahlen?
„[4][Milei] hat gesagt, dass die politische Kaste die Kosten für seine
rigorose Sparpolitik tragen wird“, sagt Martín Navarro. „Wer immer das ist,
im Moment stemmt vor allem die Mittel- und Unterschicht die Kosten.“ Zur
Mittelschicht zählten in der Hauptstadt Buenos Aires vierköpfige Familien,
die im Dezember über ein Einkommen von mehr als 910 Dollar verfügten. Die
Armutsgrenze liegt in der Hauptstadt offiziell bei knapp über 600 Dollar
für eine vierköpfige Familie. Angesichts der Preissteigerungen wird sie für
Januar bereits auf 730 Dollar veranschlagt.
Der gesetzliche Mindestlohn von 156.000 Pesos wurde von der Regierung
Javier Milei noch nicht angehoben. Seit der Abwertung des Peso entspricht
dies umgerechnet 150 Dollar. Damit liegt er auf einem der niedrigsten
Plätze in Lateinamerika. Obwohl der durchschnittliche Bruttolohn zwischen
Januar und November um 130 Prozent gestiegen ist, hat er angesichts der
Inflation von 148 Prozent im gleichen Zeitraum stark an Kaufkraft verloren.
In nur einem Monat Milei sackte er um 13 Prozent ab. Argentiniens neue Arme
sind Beschäftigte, deren Gehälter und Löhne nicht mehr bis zum Monatsende
reichen.
Bei den Renten ist die Situation noch schlimmer. Die Kaufkraft der
Mindestrente sinkt seit September 2015, mit nur einer kurzen Erholungsphase
im Jahr 2022. In vier Wochen Milei ist die Kaufkraft der Renten derart
eingebrochen, dass die Regierung einen Sonderbonus von jeweils 55.000 Pesos
für Dezember und Januar für die Empfänger der Mindestrente auflegen musste.
## Proteste bleiben aus – bislang
Obwohl der Dezember in Argentinien traditionell ein Monat der sozialen
Proteste ist, verlief er überraschend ruhig. „Die Unterschicht kämpft seit
Jahren ums Überleben und die Mittelschicht hat noch Reserven“, erklärt
Navarro die Ruhe. Zusätzlich zu den Dezembergehältern gab es auch noch das
Weihnachtsgeld.
Mit der Ruhe könnte es bald vorbei sein. „Die privaten Krankenkasse haben
ihre Beiträge für Januar um 40 Prozent und für Februar um weitere 30
Prozent erhöht“, sagt er. Eine ähnliche Erhöhung erwartet er von der
Privatschule seiner beiden Kinder nach den Sommerferien. „Das alles wird
erst im Februar und März fällig.“ Dann wird sich zeigen, wie viel Sympathie
die Mittelschicht wirklich für den Präsidenten hat. Doch jetzt geht es erst
einmal in den Familienurlaub.
Auch die [5][Verbindlichkeiten Argentiniens aus dem
44-Milliarden-Dollar-Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF)] aus
dem Jahr 2018 werden bald fällig. Am Mittwoch verständigten sich beide
Seiten auf eine Finanzhilfe in Höhe von 4,7 Milliarden Dollar. [6][Die
Regierung konnte dabei mit ihrem neoliberalen Sparprogramm punkten]. „Es
wurde ein verstärktes Maßnahmenpaket vereinbart, um die makroökonomische
Stabilität wiederherzustellen und das laufende Kreditprogramm wieder auf
Kurs zu bringen“, teilte der IWF mit.
Für die Auszahlung der einzelnen Tranchen muss die Regierung nachweisen,
dass sie die vom IWF geforderten Reformauflagen erfüllt. Sie setzen jedoch
nur die bisherige Praxis fort, wonach der IWF fällige Tilgungen so lange
selbst bezahlt, bis Argentinien zur tatsächlichen Tilgung in der Lage ist.
Ein Schuldennachlass ist in den IWF-Statuten nicht vorgesehen. Die
Regierung vermeidet damit lediglich das IWF-Etikett „Zahlungsverzug“. Nicht
ein einziger Dollar wird tatsächlich zurückgezahlt.
12 Jan 2024
## LINKS
[1] /Inflation-in-Argentinien/!5965989
[2] /Amtseinfuehrung-in-Argentinen/!5978920
[3] /Neue-Regierung-in-Argentinien/!5980187
[4] /Argentinien-unter-Javier-Milei/!5981130
[5] /IWF-Kredit-fuer-Argentinien/!5511735
[6] /Mega-Gesetzentwurf-in-Argentinien/!5981749
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
Inflation
IWF
GNS
Argentinien
Argentinien
Argentinien
Argentinien
Argentinien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Argentinien auf Sparkurs: Keine Kohle für Unis
Das argentinische Bildungssystem hat einen guten Ruf. Doch nun überzieht es
der neue Präsident Javier Milei mit drastischen Sparvorgaben.
Proteststreik in Argentinien: Erster Widerstand gegen Milei
Ein Generalstreik der größten Gewerkschaften gegen das Schockprogramm des
neuen Präsidenten Javier Milei legt Teile Argentiniens für 12 Stunden lahm.
Mega-Gesetzentwurf in Argentinien: Milei will Gesetze selber machen
Um seinen radikalen Staats- und Sozialabbau ohne Parlament verwirklichen zu
können, legt Argentiniens Präsident Milei ein Ermächtigungsgesetz vor.
Argentinien unter Javier Milei: Abrissbirne gegen staatliche Regeln
Argentiniens neuer Präsident Javier Milei stellt sein umfangreiches
wirtschaftliches Schockprogramm vor. Tausende gehen dagegen auf die Straße.
Soziologe über Argentiniens Machtwechsel: „Die enorme Verdrehung der Dinge“
Javier Milei tritt die Präsidentschaft in Argentinien an – am Jahrestag der
Rückkehr zur Demokratie. Das alarmiert, sagt Soziologe Juan Carlos Torre.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.