# taz.de -- Ausstellung über Malerin Felka Platek: Aus dem Schatten getreten | |
> Felka Platek kennen viele nur als die Frau des jüdischen Malers Felix | |
> Nussbaum. Eine Ausstellung in Osnabrück zeigt eine sehr eigenständige | |
> Malerin. | |
Bild: Eigener Stil: Selbstbildnis Felka Plateks auf dem Balkon der Wohnung Rue … | |
Auch kleine Ausstellungen können groß sein. Klingt absurd? Ist es nicht. | |
Physische Größe sagt nichts über die Bedeutungsgröße aus, und die | |
[1][Sonderausstellung „Felka Platek. Eine Künstlerin im Exil]“, die mit | |
ihren eher kleinformatigen Bildern in einen einzigen Raum passt, selbst | |
nicht allzu groß, stellt das unter Beweis. | |
Das [2][Museumsquartier Osnabrück] (MQ4) besitzt mit 28 Arbeiten die | |
weltweit größte Platek-Sammlung, und Platek eigenständig zu thematisieren, | |
als Malerin, nicht nur als Ehefrau und Unterstützerin von Felix Nussbaum, | |
um den sich hier im gedenkstättenhaften Nussbaum-Haus des MQ4 alles dreht, | |
ist verdienstvoll. Dass es nicht schon längst geschah, darf irritieren. | |
Über Plateks Leben und Werk ist nicht viel bekannt. Sie hat in den 1920ern | |
in Berlin Kunst studiert. Sie ist, um dem NS-Regime zu entgehen, mit | |
Nussbaum ins Exil gegangen, hat lange mit ihm im Versteck gelebt, wurde im | |
KZ Auschwitz ermordet. Fast ihre gesamte Habe, auch viele ihrer Bilder, | |
gingen bei einem Brand verloren. In der öffentlichen Wahrnehmung stand sie | |
bisher in Nussbaums Schatten. Sie finanzierte beider Leben, indem sie | |
Porträt-Auftragsarbeiten annahm. Sie diente ihm als Motiv. In Zeiten der | |
Knappheit überließ sie ihm ihre Mal-Materialien. | |
## Vergessen in der männerdominierten Kunstwelt | |
Ihre künstlerische Eigenständigkeit geriet in Vergessenheit, ihr Leben als | |
moderne, selbstbewusste, unabhängige Frau. „Felka Platek. Eine Künstlerin | |
im Exil“ korrigiert das. Und die Schau füllt nicht nur eine | |
kunsthistorische Lücke. Ihr Ansatz ist feministisch, genderkritisch. | |
Plateks Dasein als Frau in der „männerdominierten Kunstwelt des 20. | |
Jahrhunderts“ habe, schreibt Kuratorin Adriana Martins Mota im Katalog, | |
„keine chancengleiche Vita“ zugelassen. Es gehe um das Ausbrechen aus | |
„partiarchalen gesellschaftlichen Strukturen ihrer Zeit, bei denen Frauen | |
gewisse Rollen, aber auch Typen zugeschrieben wurden“. | |
Wer sich Plateks Porträts und Selbstbildnisse ansieht, ihre Stadtansichten, | |
Landschaften und Stillleben, blickt, wie im Zeitraffer, auf Jahrzehnte, auf | |
stark differierende Malweisen, von den Studien der Akademiezeit über den | |
eher klassischen Duktus der Auftragskunst bis zur expressiven Freiheit des | |
Eigenen, oft flächig, oft mit starkem Hell-Dunkel-Kontrast, zuweilen mit | |
sehr symbolistischen Farben. | |
Da ist ein weiblicher Akt, da sind Boote am Strand, da ist ein | |
Tulpenstrauß. Platek malt in ihren Stillleben Alltägliches: Muscheln und | |
Makrelen, Käselaibe und Spiegeleier, einen Rochen und eine Pfeife, eine | |
Gießkanne und eine Agave. Sie malt Menschen, denen sie begegnet. Sie malt | |
Nussbaum, während er malt. Und in ihrem wohl persönlichsten, | |
beklemmendsten, stärksten Bild malt sie 1940 sich selbst, verkrümmt, mit | |
verschattetem Gesicht. Es ist ein Bild des Zweifels und der | |
Schutzlosigkeit, der Isolation und Angst. Es ist ein Bild, das zeigt: Auch | |
Platek hat in ihrer Kunst Widerstand gegen den NS-Terror geleistet, wenn | |
auch nicht direkt. Sie hat sie am Leben erhalten. Schon das – eine große | |
Tat. | |
Platek malt viel auf Papier und Karton, nutzt dabei Aquarell und Gouache, | |
Bleistift und Pastellkreide, Tempera und Öl. Und auch, wenn wir nur wenige | |
ihrer Bilder kennen, erkennen wir an ihnen: Platek, aus einfachen | |
Verhältnissen kommend, war nicht nur die fürsorgliche Begleiterin des | |
hochkulturell aufgewachsenen Nussbaum, als die ihre Zeit und ihre Nachwelt | |
sie gerne sah, ihr stand eine sehr eigene Handschrift zu Gebot, eine sehr | |
eigene Sicht auf die Dinge, auf die Welt. | |
## Achtsam kuratiert | |
An ihrem „Stillleben mit afrikanischer Skulptur“ von 1943 lässt sich das | |
deutlich ablesen. Nussbaums motivgleiches „Stillleben mit afrikanischer | |
Skulptur“ von 1943 hängt direkt daneben, und die leicht unterschiedlichen | |
Blickwinkel lassen vermuten, dass Platek und Nussbaum in ihrer Brüsseler | |
Wohnung nebeneinander saßen, als die Bilder entstanden. Nussbaum malt | |
detailakkurat, Platek reduziert, augenblickshaft. | |
Die Skulptur, offenbar im Besitz von Platek und Nussbaum, ist phallisch; | |
[3][womöglich stammt sie aus der Kolonie Belgisch-Kongo]. Bei Nussbaum | |
trägt sie eine Schnur um den Hals, die zu einem Nagel an der Wand führt. | |
Wie achtsam Adriana Martins Mota die Schau kuratiert hat, zeigt ein Text, | |
der daneben hängt und [4][die Kolonialzeit thematisiert]: Die Darstellung | |
sei gewaltvoll, lesen wir dort. „Dies kann als ein von Stereotypen | |
überlagertes und rassistisch geprägtes Fremdbild wahrgenommen und als | |
verletzend empfunden werden.“ In Tagen wie den unseren, in denen Rechte mit | |
rassistischer Verblendung Politik machen, sind solche Hinweise wichtiger | |
denn je. | |
Im Zentrum des Raums steht eine kleine Vitrine. In ihr ein | |
Zeitungsausschnitt, Plateks belgischer Fremdenpass, ein paar Fotos. Adriana | |
Martins Mota hofft, dass ihre Ausstellung neue Quellen öffnet. „Vielleicht | |
werden Menschen dadurch ja aufmerksam“, sagt sie der taz. „Vielleicht | |
entdecken wir dadurch ja völlig neue Bilder oder biografische Details.“ Sie | |
merkt, das klingt ein bisschen größer als es soll. „Das wäre doch schön�… | |
ergänzt sie. „Man darf ja träumen.“ | |
9 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.museumsquartier-osnabrueck.de/ausstellung/felka-platek-eine-kue… | |
[2] /Ausstellung-nichtmuedewerden/!5959135 | |
[3] /Unabhaengigkeitskaempfer-Patrice-Lumumba/!5978610 | |
[4] /Debatte-um-Spaniens-Kolonialgeschichte/!5992279 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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Felix Nussbaum | |
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