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# taz.de -- ARD-Serie „Sexuell verfügbar“: Frauenkampftag ist jeden Tag
> Die ARD-Serie „Sexuell verfügbar“ startete am Frauentag. Auf witzigste
> Art wirbelt sie Genderklischees und moderne Freiheitsbegriffe
> durcheinander.
Bild: Miki (Laura Tonke) zusammen mit Lady Bitch Ray (als Geist)
Ach du meine Güte, der [1][Weltfrauentag]. Einst aus gutem Grund im Zuge
der Erkämpfung des Frauenwahlrechts ins Leben gerufen worden, soll er
mittlerweile als Kristallisationspunkt für all das dienen, was an
feministischen Diskursen gerade so läuft. Einmal im Jahr, so lautet das
allgemeine Zugeständnis, wird Hurra geschrien und die Faust geballt. Und da
hat sich die [2][ARD] gedacht: Lassen wir doch genau am 8. März eine Serie
starten, die modern gedachten Feminismus und die Wut, die ihn am Köcheln
hält, thematisiert.
Vor einigen Jahren erschien das Buch „[3][Sexuell verfügbar]“ der
Journalistin und Schriftstellerin Caroline Rosales und sorgte für viel
Diskussion. In gereiztem Ton berichtete sie darin über ihr Leben als
weiblich gelesene Person, die es vom ersten körperlichen Erblühen bis zur
Hängetittenzeit nach dem Stillen mit Zuschreibungen von außen zu tun hat,
vorwiegend vonseiten der Männer, aber auch von Frauen, die es sich und
anderen permanent schwermachen müssen. Aus unterschiedlichen Gründen.
Rosales setzte damals den/die Leser:in in ein Karussell der schlechten
Laune, das sich permanent um geschlechtsspezifische Abwertungen und
Selbstermächtigungsanstrengungen drehte.
Der Text war weniger Pamphlet oder Kampfaufruf als vielmehr ein sehr
persönliches Mittel zur Selbstreflexion seiner Autorin. Darin liegt seine
Stärke.
## Romanautor*innen schreiben Serie
Nun ist Caroline Rosales das Wagnis eingegangen, auf Grundlage ihres Buches
ein Script zu verfassen und es für einen öffentlich-rechtlichen Sender
verfilmen zu lassen. Als Co-Autor zur Seite stand ihr dabei Timon Karl
Kaleyta, der zurzeit mit seinem Roman „Heilung“ Furore macht.
Entstanden ist eine mehrteilige Serie, die sich an der ursprünglichen
Textvorlage orientiert, den dort abgelegten Faden aber auf neue Weise
aufnimmt.
Die alleinerziehende Miki (wunderbar gespielt von Laura Tonke), ist am
Ende. Sie muss sich vor Gericht verantworten: Einer ihrer Lover hat sie der
Vergewaltigung mit einem Strap-on bezichtigt. Aber das ist nur der
Aufhänger. Im Verlauf der Handlung lernen wir Miki als ebenso komplexe wie
nach Halt suchende Person kennen, die sich ständig gegen Konventionen und
Rollenbilder wehrt und dabei im Grunde genau das für sich reklamiert, was
Männer seit Jahrhunderten ungebremst ausleben: sexuelle Freiheit,
berufliche und finanzielle Unabhängigkeit und trotzdem: Elternschaft.
Der Witz an dieser Versuchsanordnung ist, dass sie oft die gleichen
leichtfertigen Entscheidungen in Bezug auf ihr Leben trifft, sich aber
andererseits kaum von einem irgendwie gearteten Rollenkonsens ihres Umfelds
auffangen lassen kann.
## Alles droht den Bach runterzugehen
Als Regisseurin für misogyne Werbeclips besetzt Miki genau die Sorte Job,
die gerne von schmierigen Machtmissbräuchlern ausgeübt wird, aber „der“
Heimchen am Herd fehlt eben. Lediglich ein beleidigter Ex-Mann (Arnd
Klawitter) wuselt herum und will ihr das Sorgerecht für die zwei
gemeinsamen Kinder entziehen, wie auch ihr unzuverlässiger Vater und ihr
bisexueller Lebensabschnittsgefährte Heini (Merlin Sandmeyer). Und da ist
auch noch ihr Anwalt und Jugendfreund Ben (Florian Stetter) …
Alles droht den Bach runterzugehen, aber Miki macht weiter. Es ist herrlich
stressig, ihr dabei zuzusehen, denn es geht hektisch, entgrenzt und
fahrlässig zu und zu allem Überfluss erscheinen der Heldin ständig
„Geister“ in ihrem Badezimmer, gespielt von Lilo Wanders, Lady Bitch Ray
und Ines Anioli. Von ihnen wird sie wahlweise gedisst oder gecoacht, was
scharfen Pfeffer über die Handlung streut und großen Spaß macht.
Immer nah an der Protagonistin dran, stoßen wir zusammen mit ihr an
gesellschaftliche Behauptungsgrenzen und werden Zeug:innen ihres großen
Dauerkopfschüttelns ob der scheinbaren Unumstößlichkeit festgebackener
Strukturen im Alltag. Das ist anstrengend aber auch wahnsinnig komisch.
Die Hoffnung, alles möge sich am Schluss doch noch zum Guten wenden,
verlässt Miki nie. Das hält die Handlung am Laufen und den Zuschauer in
Atem. Die Musik zur Serie steuerte übrigens der Pianist Malakoff Kowalski
bei. Sie ist so gut und, uff, für Degeto-Verhältnisse endlich mal wieder
unpeinlich, dass es eine Freude ist. In weiteren kleinen Rollen sind,
Casting at it’s best, unter anderem Eva Löbau, Riccardo Simonetti und
Oliver Polak zu sehen. Also bitte: mehr derart gut konzeptionierte Serien
über Genderklischees wie „Sexuell verfügbar“. Nicht nur zum Weltfrauentag.
10 Mar 2024
## LINKS
[1] /Internationaler-Frauenkampftag/!5997033
[2] /Verbesserungsvorschlaege-fuer-den-ARD/!5989149
[3] /Buch-Sexuell-verfuegbar/!5567174
## AUTOREN
Rebecca Spilker
## TAGS
Frauenkampftag
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