# taz.de -- Klimaforscher Grimalda verliert Prozess: Kein Recht auf CO2-armes R… | |
> Ihm wurde gekündigt, weil er nicht mit dem Flugzeug fliegen wollte. Nun | |
> erlitt der Klimaforscher Grimalda auch vor dem Arbeitsgericht eine | |
> Niederlage. | |
Bild: Klimaneutrale Rückreise: Grimalda auf einem Boot auf der Pokpok-Insel | |
BERLIN taz | Im Nachtzug war Gianluca Grimalda von Italien nach Kiel | |
gefahren – und hatte noch [1][optimistisch auf X geschrieben]: „In Papua | |
habe ich gelernt, dass es keinen Konflikt ohne Lösung gibt“. | |
Doch der Sozialwissenschaftler und Klimaforscher, der seinen Job verlor, | |
weil er nicht fliegen wollte, hat seine Klage auf Wiedereinstellung vor dem | |
Arbeitsgericht in Kiel verloren. | |
Er sei „enttäuscht und frustriert“, schrieb [2][Grimalda am Freitag auf X]. | |
Der Richter habe sein „Recht auf CO2-armes Reisen nicht anerkannt“. Es sei | |
ein „Urteil aus dem tiefsten Anthropozän der vordigitalen Ära“. | |
Im vergangenen Oktober [3][hatte das Kieler Institut für Weltwirtschaft | |
(IfW) Grimalda entlassen]. Er war nicht zum gesetzten Zeitpunkt von einer | |
Dienstreise wiedergekommen. Um die Frist einzuhalten hätte er das Flugzeug | |
nehmen müssen. Das aber verweigerte Grimalda mit Verweis auf die | |
Klimakrise. | |
## Über 9.400 unterzeichnen Grimalda-Petition | |
Zuvor hatte er sieben Monate in einer autonomen Provinz von Papua-Neuguinea | |
verbracht, um die Auswirkungen von Globalisierung und Klimawandel auf den | |
sozialen Zusammenhalt zu untersuchen. Dabei war es zu Verzögerungen | |
gekommen, woraufhin ihm sein Institut die Frist für die Rückreise setzte. | |
Er bevorzugte dennoch die klimafreundliche Rückkehr mit Bus, Bahn oder | |
Schiff. Die 28.000 Kilometer lange Reise durch 16 Länder dauerte über zwei | |
Monate. Erst am 25. Dezember kam Grimalda in Mailand an. Nun verlangte er | |
vor Gericht die Rücknahme der Kündigung und eine Wiederaufnahme des | |
Arbeitsverhältnisses – mit der Begründung, dass er seine Arbeitsaufgaben | |
auch während der Rückreise nach Deutschland hätte erfüllen können. | |
Der klimafreundliche Rückweg des standhaften Klimaforschers erzeugte ein | |
breites Medienecho. Mehr als 9.400 Menschen unterzeichneten eine | |
[4][Petition für die Wiedereinstellung von Grimalda]. | |
[5][In einer Serie] schilderte Grimalda in der taz seine teilweise | |
abenteuerliche Rückreise – und seine Gedanken dabei: „In den vergangenen | |
Monaten habe ich mich so verletzlich gefühlt, wie lange nicht mehr“, | |
schrieb er nach seiner Ankunft in Italien am ersten Weihnachtsfeiertag. | |
„Ich habe meinen Job verloren. Die Rückreise aus Papua-Neuguinea hat mich | |
einen Großteil meines Ersparten gekostet. Ich musste Freund:innen um | |
Kredite bitten.“ | |
Auch Scientist Rebellion habe Spenden für ihn gesammelt, insgesamt über | |
1.700 Euro. Die Gruppe besteht aus Wissenschaftler:innen und hat sich | |
aus dem Umfeld der Klimabewegung Extinction Rebellion heraus gebildet. | |
Der Richter schlug in einem Vergleich die Zahlung von zwei Monatsgehältern | |
als Kompromiss in dem Rechtsstreit vor. Grimalda lehnte das jedoch ab. Das | |
IfW wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Verfahren äußern. Grimalda will | |
sich nun überlegen, ob er rechtlich gegen die Entscheidung des Gerichts | |
vorgeht. Es sei „noch unklar“, ob er 9.000 Euro für Prozesskosten zahlen | |
muss. | |
„Es ist außergewöhnlich, dass ein Forschungsinstitut einen Forscher | |
entlässt, weil er seine Arbeit zu gewissenhaft macht und während eines | |
Klimanotstands nicht fliegt“, sagte Julia Steinberger, Professorin für | |
gesellschaftliche Herausforderungen des Klimawandels an der Universität | |
Lausanne und eine der Autor:innen des letzten Weltklimaberichts, | |
[6][laut einer Mitteilung von Scientist Rebellion]. „Die Entlassung von | |
Gianluca durch das IfW Kiel scheint vor allem eine Vergeltungsaktion für | |
seine frühere Teilnahme an Protesten des zivilen Ungehorsams gegen den | |
Klimawandel mit Scientist Rebellion zu sein.“ | |
„Es ist ungewöhnlich, dass jemand so lebt, als seien die Fakten des | |
Klimakollapses real. Gianluca tut es“, sagte Molekularbiologin Nana-Maria | |
Grüning. „Das ist bemerkenswert in einer Gesellschaft mit einem so hohen | |
Grad an Verdrängung. Populistische Politiker:innen kriminalisieren | |
Klimaaktivist:innen statt unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Dass | |
das IfW einen Mitarbeiter dafür bestraft, dass er sich an der | |
physikalischen Realität orientiert, ist ein Skandal und für eine | |
wissenschaftliche Institution mehr als beschämend.“ | |
23 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/GGrimalda/status/1760126966856831041 | |
[2] https://twitter.com/GGrimalda/status/1761024908656594954 | |
[3] /IfW-Kiel-entlaesst-Verhaltensoekonomen/!5963313 | |
[4] https://innn.it/klimaforscher-entlassen | |
[5] /Am-Boden-geblieben/!t5968780 | |
[6] https://aav1x.r.a.d.sendibm1.com/mk/mr/sh/SMJz09SDriOHTaQ8GRnF79IBC11Z/R6MI… | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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