# taz.de -- Klimaaktivist:innen in Italien: Haftstrafen für „Öko-Vandalen“ | |
> Die Sanktionen der rechtslastigen Regierung gegen | |
> Klimaaktivist:innen in Italien werden immer drakonischer. Manche | |
> werden wie Mafiosi behandelt. | |
Bild: Aktion im Dezember in Venedig: Mit Gesang und grüngefärbtem Wasser für… | |
BOLOGNA taz | In Italien hat sich der Umgang mit Klimaaktivist:innen | |
in den vergangenen Monaten erheblich verschärft. Vizepremier und Lega-Chef | |
[1][Matteo Salvini] fordert nach Aktionen der Protestierenden regelmäßig | |
Haftstrafen als Allheilmittel, der Ton ist dabei stets rau: Das jüngste | |
Gesetz der [2][rechtslastigen Regierung] von [3][Giorgia Meloni], am 8. | |
Februar in Kraft getreten, trägt den Spitznamen „Dekret Öko-Vandalen“. | |
Darin steht, dass für die Verunstaltung oder Verschmutzung von Kulturgütern | |
und Landschaften verwaltungsrechtliche Geldstrafen in Höhe von 10.000 Euro | |
bis 40.000 Euro fällig werden. Bei dauerhaften Beschädigungen sind es sogar | |
bis zu 60.000 Euro. | |
Dabei existieren diese Tatbestände bereits im Strafrecht: Haftstrafen von | |
zwei bis fünf Jahren sowie Geldstrafen von 2.500 bis 15.000 Euro drohen | |
danach laut Artikel 635 und 639 bei einer dauerhaften Beschädigung von | |
öffentlichen Gebäuden, für die Verschmutzung sind sechs Monate bis drei | |
Jahre Haft sowie Strafgelder zwischen 1.500 und 10.000 Euro vorgesehen. Das | |
neue Gesetz legt nun Strafen für Verschmutzungen fest, wenn sie im Zuge | |
einer Demonstration oder Protestaktion stattfinden. | |
„Ich bitte die Menschen darum, uns zuzuhören, bevor sie über uns urteilen�… | |
sagt Fedora Favaretto ruhig. Die 26-jährige Klimaaktivistin wurde am 9. | |
Dezember in Venedig festgenommen, als sie als Fotografin eine Aktion von | |
Extinction Rebellion (XR) begleiten sollte, bei der der Canale Grande | |
vorübergehend grün eingefärbt wurde. Doch Favaretto kommt nicht so weit. | |
Sie wird noch im Wassertaxi auf dem Weg zur Aktion auf dem berühmtesten | |
Kanal der Stadt von der Polizei aufgehalten. | |
Der Tag endet für Favaretto unschön: Ihr wird ein Ausreisebefehl | |
ausgestellt, der ihr für bis zu vier Jahre verbietet, venezianischen Boden | |
zu betreten. Derartige Anordnungen sind im italienischen Antimafia-Kodex | |
für Personen vorgesehen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit | |
darstellen. „Ich war schockiert, ich habe doch nur Fotos gemacht. Das hätte | |
ich nie erwartet“, sagt Favaretto. | |
## Berufung gegen Ausreiseanordnung | |
Mit ihr im Vaporetto waren an jenem Tag Lotta Sarina und ihr Kontrabass. | |
[4][Die 21-Jährige macht mit Musik und Gesang auf den Klimawandel | |
aufmerksam]. An diesem Tag soll sie an der Rialto-Brücke singen. Die | |
Aktivist:innen stehen getrennt voneinander im Wassertaxi, um nicht als | |
Gruppe erkennbar zu sein. Als einige von ihnen den ungefährlichen Farbstoff | |
Fluoreszin ins Wasser geben, beginnen Fahrgäste, sie zu beschimpfen, | |
erzählt Sarina. Sie selbst sagt kein Wort, um sich nicht zu verraten. Wohl | |
ist ihr dabei aber nicht: „Ich stand kurz davor, die Aktion für mich | |
abzublasen.“ | |
Als sie allein aus dem Boot aussteigt, muss sie sich erstmal sammeln. Sie | |
sieht, wie die Aktion ihren Lauf nimmt, wie Passant:innen stehen | |
bleiben, wieder beschimpfen einige die Aktivist:innen. Aus der Wut schöpft | |
sie Kraft und beginnt zu singen, „My earth will go on“, in Anspielung auf | |
die untergehende Titanic. „Die Stille, die sich plötzlich einstellte, war | |
gewaltig“, erzählt Sarina. Auch sie wird an diesem Tag aufs | |
Polizeipräsidium gebracht. Vor der Polizei hätten die Aktivist:innen | |
keine Angst gehabt, sagt Sarina. Dafür hätten sich einige | |
Mitstreiter:innen Sorgen um die Reaktion ihrer Eltern gemacht. | |
Gegen Sarina wird nun ermittelt. Das hält sie aber nicht davon ab, weiter | |
zu demonstrieren. Kopfschüttelnd sagt sie: „Leider sieht es so aus, als ob | |
wir erst Märtyrer schaffen müssten.“ Fedora Favaretto hat gegen die | |
Ausreiseanordnung Berufung eingelegt und die XR-Gruppe in ihrer Heimat | |
Padua, 40 Kilometer von Venedig entfernt, wieder ins Leben gerufen – in die | |
Serenissima darf sie ja nun vorerst nicht mehr. | |
Wenn demnächst in Italien wieder Aktivist:innen Flüsse einfärben oder | |
den Senat mit abwaschbarer Farbe beschmieren, erwarten sie nun drakonische | |
Strafen. Viele fragen sich: Geht es Italiens Regierung um die öffentliche | |
Ordnung – oder will sie mit aller Härte diejenigen zum Schweigen bringen, | |
die sie an ihre Verantwortung erinnern? | |
3 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Judith Eisinger | |
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