# taz.de -- Kriminalisierung von Pipelineprotesten: Ab in den Hochsicherheitstr… | |
> In Uganda und Tansania kämpfen Aktivisten gegen eine gigantische | |
> Ölpipeline. Nun sitzen sie gemeinsam mit Terrorverdächtigen ein. | |
Bild: Proteste gegen die Öl-Pipeline EOCAP in Kampala am 15. September 2023 | |
KAMPALA taz | Es war kurz vor Beginn der [1][internationalen Klimakonferenz | |
in Dubai] im Dezember 2023, als sieben Klimaaktivisten vor dem Parlament im | |
Zentrum von Ugandas Hauptstadt Kampala Spruchbänder hochhielten: „Stoppt | |
EACOP!“ stand darauf. Dann kamen Polizisten mit Schlagstöcken, | |
überwältigten sie brutal und führten sie ab. | |
Die Ostafrikanische Rohölpipeline (EACOP) ist derzeit [2][eines der größten | |
Öl-Infrastrukturprojekte weltweit]. Sie verbindet die frisch angezapften | |
Ölfelder im Nordwesten Ugandas rund um den Albert-See und im berühmten | |
Murchison-Nationalpark, wo Giraffen und Elefanten grasen, mit den | |
Industriehäfen an der tansanischen Küste des Indischen Ozeans. Über 1.400 | |
Kilometer lang soll sie werden: quer durch Uganda und Tansania. | |
Da das Rohöl, das von chinesischen und französischen Firmen gefördert wird, | |
sehr zähflüssig ist, müssen die Rohre über die gesamte Strecke erwärmt | |
werden, damit das Öl auch fließt. Es ist die längste beheizte Pipeline | |
weltweit – das kostet zusätzlich Energie. Unter Umweltschützern höchst | |
umstritten, zumal sich die Weltgemeinschaft auf einen Ausstieg aus der | |
fossilen Energie geeinigt hat. | |
Wenige Tage später demonstrierten sieben andere Aktivisten mit denselben | |
Plakaten vor der chinesischen Botschaft in Kampala. Gerade waren Pläne der | |
Regierung in Peking bekannt geworden, deren Staatskonzern CNOOC bereits das | |
Öl in Ugandas auspumpt – auch um die umstrittene und über 5 Milliarden | |
US-Dollar teure Pipeline zu finanzieren. Polizisten nahmen auch sie mit. | |
Und als zwei Wochen später vier weitere Studenten für die Freilassung ihrer | |
Kollegen demonstrierten, wurden sie ebenfalls eingesperrt. | |
## Kaution keine Option | |
Der Haftrichter wollte offenbar ein Exempel statuieren. Er verweigerte | |
allen Protestlern die Option, bis zum Prozessbeginn auf Kaution | |
freigelassen zu werden. Sie landeten in Ugandas Hochsicherheitsgefängnis, | |
wo vor allem Terrorverdächtige einsitzen.Anfang Februar begann das | |
Verfahren. Anklage unter anderem: „Anstiftung zur Gewalt und öffentlichem | |
Ärgernis“, was mit einem Jahr Gefängnisstrafe geahndet werden kann. | |
„Willkürliche Verhaftung“ nennt die UN-Menschenrechtsagentur in Genf dieses | |
Vorgehen. | |
Der Bau des Megapipeline-Projektes war in Uganda von vorneherein | |
umstritten. Vor allem junge Leute wehren sich dagegen und schließen sich | |
zunehmend [3][internationalen Klimabewegungen wie Fridays for Future] an | |
oder gründen eigene Umweltschutzgruppen wie die Bewegung #StopEACOP, die | |
weltweit viele Anhänger gefunden hat. | |
Seit diese Proteste international Gehör finden, geht die Regierung gezielt | |
gegen die Klimabewegung vor. Laut der Menschenrechtsorganisation Human | |
Rights Watch (HRW) wurden seit 2021 über 30 Aktivisten festgenommen und ein | |
Großteil von ihnen angeklagt wegen „Anstiftung öffentlichen Ärgernisses“, | |
weil sie beispielsweise den Verkehr behindert hätten. | |
## „Crackdown“ für die Bewegung | |
Über 50 Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen wurden zudem von der | |
Regierung suspendiert, ihre Büros gestürmt und die Bankkonten eingefroren. | |
Viele mussten schließen, weil auch die europäischen Gelder für sie gesperrt | |
wurden. „Dieser gezielte Crackdown“, [4][so ein HRW-Bericht], habe ein | |
„abschreckendes Umfeld geschaffen, das die freie Meinungsäußerung im | |
Zusammenhang mit Bedenken hinsichtlich eines der umstrittensten Projekte | |
für fossile Brennstoffe der Welt unterdrückt“. | |
Mehrere [5][ugandische Umweltorganisationen waren 2020 vor den | |
Ostafrikanischen Gerichtshof (EACJ) gezogen, um den Bau der Pipeline zu | |
stoppen], weil ihrer Ansicht nach Umweltauflagen und | |
Menschenrechtsstandards der lokalen Bevölkerung nicht eingehalten werden. | |
Doch die Richter entschieden im November, der Klage nicht stattzugeben. Sie | |
argumentierten, die Aktivisten hätten den Prozess bereits in der | |
Planungsphase anstrengen sollen, bevor mit dem Bau begonnen wurde. Ugandas | |
Klimaaktivisten sollten auch die Gerichtskosten übernehmen. Sie gehen nun | |
in Revision. | |
3 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Abschluss-der-COP28/!5976259 | |
[2] /Aktivist-ueber-Pipeline-Plan-in-Ostafrika/!5920820 | |
[3] https://fridaysforfuture.org/ | |
[4] https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/uganda#0970b1 | |
[5] /Klage-abgewiesen/!5919204 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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