# taz.de -- Volkszählung in Uganda: Zuhause für den Zensus | |
> Dem Zensus stehen die Menschen in Uganda misstrauisch gegenüber. Die | |
> staatliche Kommunikation ist ein Desaster. Und dann beginnt die | |
> Regenzeit. | |
Bild: Luftaufnahme von Kampala, Hauptstadt von Uganda | |
KAMPALA taz | Gespenstische Stille liegt am Freitagmorgen über der sonst so | |
geschäftigen Hauptstadt Ugandas, Kampala. Wo sich normalerweise die Autos | |
stauen, herrscht gähnende Leere. Läden, Ämter, Schulen und Büros bleiben | |
zu. Nur die Polizei patrouilliert hier und da – um sicher zu gehen, dass | |
die Leute zu Hause bleiben. | |
Der Grund: Ugandas Präsident Yoweri Museveni hat spontan einen Feiertag | |
ausgerufen, „um den ersten Tag der Volkszählung durchzuführen“. Genaue | |
Bevölkerungsdaten seien notwendig für die Regierung, aber auch für | |
internationale Geber, um „angemessene soziale Dienstleistungen wie | |
Gesundheitsversorgung und Bildung zur Verfügung zu stellen“. | |
## Jährliches Bevölkerungswachstum: Eine Million Menschen | |
Uganda hat eine der höchsten Geburtenraten der Welt. Jährlich wächst die | |
Bevölkerung um mehr als eine Million. Mittlerweile sind es geschätzt knapp | |
50 Millionen. 80 Prozent sind unter 35. Die letzte Volkszählung wurde vor | |
zehn Jahren durchgeführt, damals wurden 34 Millionen Menschen erfasst. | |
Um möglichst genaue Daten zu erhalten, hat Ugandas Statistikbehörde UBOS | |
rund 180 Fragen vorbereitet: vom Geburtsort über die Zahl der Mobiltelefone | |
pro Haushalt bis hin zum Einkommen – all das soll in rund 45 Minuten | |
abgefragt werden. Zehn Tage lang sollen dafür landesweit 120.000 extra | |
geschulte Personen mit Tablets von Tür zu Tür gehen. | |
Doch bereits zu Zensus-Beginn protestierten viele „Volkszähler“. Die | |
Regierung hatte ihnen umgerechnet rund 10 Euro Lohn versprochen. Die | |
meisten hielten das für den Tagessatz. Doch als sie am Freitag die Tablets | |
abholten, mussten sie einen Vertrag unterschreiben, in dem die 10 Euro als | |
Gesamtlohn für zehn Tage ausgewiesen wurden. Vielerorts traten deshalb die | |
Zähler gar nicht erst an. | |
## Chaotische Kommunikation | |
Diese Art von Kommunikationschaos scheint gerade überall zu herrschen. Seit | |
über drei Wochen bemüht sich die Regierung über sämtliche Kanäle, den | |
Ugandern zu erklären, warum der Zensus wichtig sei. Nur mit diesen Daten | |
könne man vernünftig planen, so die Erläuterung. | |
Doch die Ugander sind skeptisch, es fehlt an Vertrauen. Die Infrastruktur | |
ist marode: Straßen sind Schlaglochpisten, fast alle Schulen und | |
Krankenhäuser wurden privatisiert. Gerade haben die Menschen gegen die | |
Einführung eines digitalen Steuersystems gestreikt. Das Geld würde von | |
korrupten Beamten geklaut, für Straßen und Schulen sei nichts übrig, so die | |
Protestler. | |
[1][Religiöse Führer haben ihre Anhänger gewarnt], dass die Volkszählung | |
„teuflisch“ sei und diejenigen, die gezählt würden, sterben könnten. | |
Deswegen droht Ugandas Statistikbehörde Verweigerern mit Geldstrafen von | |
150 Euro und sechs Monaten Haft. „Wenn wir zum dritten Mal an der Tür | |
klingeln und Sie weigern sich immer noch, bringen wir Sie vor Gericht“, so | |
James Muwonge von der UBOS. Mit dieser Drohung landete er auf den | |
Titelseiten sämtlicher Zeitungen. | |
Ugandas Medien weigern sich hingegen, die offiziellen | |
Aufklärungsbotschaften der Statistikbehörde zu veröffentlichen. Der | |
Medienverband weist in einer Erklärung darauf hin, dass für diese Kampagne | |
kein Medienbudget eingeplant worden sei. | |
## Angst vor Datenlecks | |
Am meisten sorgen sich die Ugander um die Sicherheit ihrer Daten. Wer kann | |
und darf auf diese zugreifen? Und welche Konsequenzen ergeben sich, wenn | |
sie ihr Einkommen angeben? „Wird meine Haushälterin eine Lohnerhöhung | |
fordern, wenn sie erfährt, wie viel ich verdiene?“, fragt jemand in einer | |
Whatsapp-Gruppe. „Was wird meine Frau sagen, wenn ich angebe, dass ich | |
Kinder mit anderen Frauen habe?“, fragt ein anderer. „Sollen wir nun zehn | |
Tage zu Hause sitzen?“, fragen sich viele. | |
Und wundern sich, warum eine Volkszählung ausgerechnet in der Regenzeit | |
stattfindet. Denn der Wetterdienst hat eine Unwetterwarnung herausgegeben: | |
„Was ist, wenn es regnet? Dann sitzen wir alle zu Hause. Und niemand kommt | |
vorbei, um uns zu zählen!“ Pünktlich zum Zensus-Beginn am Freitagvormittag | |
[2][setzte dann in Kampala auch der Starkregen ein]. Innerhalb von Minuten | |
stand die ganze Stadt unter Wasser. | |
12 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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