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# taz.de -- Neuwahlen in Portugal: Kampf um die Brandmauer
> In Umfragen liegen Sozialisten und das rechtskonservative Wahlbündnis
> gleichauf. Ein Bündnis mit den Ultrarechten schließen Letztere aus –
> bislang.
Bild: Kämpft dafür, dass die Sozialisten unter seiner Führung an der Macht b…
Madrid taz | Portugal steht vor seltsamen Neuwahlen: Nach dem Rücktritt des
bisherigen Ministerpräsidenten António Costa im vergangenen November wählt
das Land am Sonntag ein neues Parlament. Costa war im letzten Winter der
Korruption beschuldigt worden. Er trat umgehend ab, um „die Würde des Amtes
nicht zu beschädigen“.
Wenige Tage darauf stellte sich heraus, dass sein Name nur dank eines
[1][Transkriptionsfehlers] seitens der Staatsanwaltschaft in den
Ermittlungsakten gelandet war. Gemeint war sein Namensvetter Antonio Costa
Silva, Wirtschaftsminister. Von den Ermittlungen gegen den
Ministerpräsidenten blieb nichts. Doch vom Rücktritt zurücktreten, das geht
nicht.
Die Sozialistische Partei (PS), die unter Costa die letzten neun Jahre
regierte, schickt mit dem ehemaligen Infrastrukturminister [2][Pedro Nuno
Santos nun einen neuen Kandidaten ins Rennen.] Der 46-jährige Politiker,
der dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, will an Costas sozialer
Politik anknüpfen: Die Costa-Regierung hat in den letzten Jahren einen
Großteil der Sparmaßnahmen aus der Eurokrise zurückgenommen. „Wir sind
stolz auf Costa“, erklärte er immer wieder und warnt davor, dass im Falle
eines Machtwechsels die Sparpolitik zurückkommen könne.
## Santos will ökologischen Umbau der Wirtschaft in Europa
Nuno Santos verspricht „einen neuen Impuls“. Der Politiker, der im Dezember
die Urwahlen in der PS mit rund 62 Prozent der Stimmen gewann, kündigt
Investitionen an, um die Industrialisierung Portugals voranzutreiben. Der
ökologische Umbau der Wirtschaft in ganz Europa sei eine Chance.
Doch seine Sozialisten sind durch den Skandal im Herbst angeschlagen,
obwohl nur wenig blieb. Gegen die fünf Beschuldigten aus Regierung und
Umfeld wird mittlerweile nur noch wegen „Einflussnahme“ bei Entscheidungen
im Bereich Energie- und Bergbau ermittelt. Es geht um Projekte für
erneuerbare Energien und E-Mobilität. Nichts deutet darauf hin, dass Geld
geflossen ist.
Das konservative Wahlbündnis Alianza Democrática (AD) unter Luis Montenegro
will die unerwartete Chance nutzen. Der 51-Jährige war Fraktionschef seiner
Partei, als die damalige konservative Regierung im Namen der von Brüssel
verordneten Austerität in den Jahren 2011 bis 2015 einen nie da gewesenen
sozialen Kahlschlag veranstaltete. Nun kandidiert er zum ersten Mal für das
Amt des Ministerpräsidenten.
Seit 2022 führt er die konservative Sozialdemokratische Partei Portugals
(PSD) an, die gemeinsam mit zwei kleineren Rechtsparteien das Bündnis AD
ins Leben rief. Ihr Ziel war, die Sozialisten, die 2022 unter Costa die
absolute Mehrheit der Sitze im Parlament erzielten, zu überrunden. Er
selbst stehe für „Stabilität“, wirbt Montenegro, und Nuno Santos sei „e…
Radikaler“.
## Das ultrarechte Lager hofft auf gutes Abschneiden
Die Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nuno Santos und
Montenegro. Beide Parteien liegen bei Umfragen um die 30 Prozent, mit einem
kleinen Vorteil für die AD. Egal wie es ausgeht, eine absolute Mehrheit der
Parlamentssitze wird es wohl nicht geben. Die Sozialisten wären – sollten
sie erneut als stärkste Partei Anspruch auf eine Regierungsbildung erheben
können – wie bereits 2015 bis 2022 auf kleinere linke Formationen
angewiesen.
Für die AD böte sich ähnlich wie dies im Nachbarland Spanien in Gemeinden
und Regionen längst der Fall ist, ein Bündnis mit der Ultrarechten an.
Bisher lehnt Montenegro dies ab. Doch die Partei Chega (Genug) aus dem
ultrarechten Lager hofft unter der Führung von André Ventura darauf, gut
abzuschneiden und entscheidend zu werden: Ventura verließ 2019 die PSD und
gründete Chega. 2022 erzielte seine Partei 7,2 Prozent. Jetzt werden die
Ultrarechten je nach Umfrage mit bis zu 18 Prozent gehandelt.
Ventura macht unter anderem mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gegen
Roma Stimmung. „Themen, die die Menschen interessieren“, verteidigt er
dies. Außerdem greift Chega das Thema Korruption auf. „Portugal braucht
eine Reinigung“, steht auf einem der am meisten verklebten Plakate zu
lesen. Ventura kündigt immer wieder an, er werde eine rechte Regierung nur
dann unterstützen, wenn Chega mit im Kabinett sitze.
Die Frage nach einer Brandmauer bestimmt derzeit die Debatte um die Wahlen.
[3][Die Sozialisten warnen vor einer Regierung unter dem Einfluss von
Chega.] Er sei der Einzige, der dies verhindern könne, so Santos.
Gleichzeitig gibt sich der Sozialist großmütig: Im Fall einer
Wahlniederlage werde er die AD in Minderheit regieren lassen, kündigte
Santos in einem TV-Duell mit Montenegro völlig überraschend an.
6 Mar 2024
## LINKS
[1] /Nach-Ruecktritt-des-Premierministers/!5973315
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[3] /Linke-Parteien-in-Europa/!5982683
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Portugal
Sozialisten
Antonio Costa
Parlamentswahlen
Portugal
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Europäische Linke
Schwerpunkt Korruption
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