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# taz.de -- Arbeitszeitprojekt in Portugal: „4-Tage-Woche erhöht Produktivit…
> Mehr Zufriedenheit, mehr Output: Experte Pedro Gomes erklärt, wieso
> Firmen und ArbeitnehmerInnen das Pilotprojekt in Portugal als Erfolg
> bewerten.
Bild: Mehr Zeit, weniger Arbeit. Alltag in Sintra
taz: Im vergangenen Jahr haben 41 portugiesische Unternehmen an einem
sechsmonatigen Pilotprojekt für die [1][Vier-Tage-Woche] teilgenommen.
Jetzt liegen erste Ergebnisse vor. Wie sehen die aus?
Pedro Gomes: Wir haben die Umfragen ausgewertet, die wir nach den ersten
vier Monaten gemacht haben. 95 Prozent der Unternehmen beurteilen die
Erfahrung als positiv.
Was bringt das für die Unternehmen?
Die meisten machten mit, da sie sich von der Vier-Tage-Woche einen
[2][Wettbewerbsvorteil] versprechen, wenn es darum geht, qualifiziertes
Personal zu finden und zu halten. Die Unternehmen haben keinerlei
Subvention erhalten. Sie wurden nur bei der Einführung der Vier-Tage-Woche
von unserem Team unterstützt. Das Ziel war es, die reale Arbeitszeit zu
verkürzen, einen Tagen mehr frei zu haben – und all das ohne Lohnsenkung.
Wie wurde dies umgesetzt?
Es gibt kein einheitliches Modell. Manche Unternehmen schlossen freitags,
andere schickten freitags und montags jeweils einen Teil der Belegschaft
nach Hause. Wieder andere führten ein rotierendes System ein. Das gilt vor
allem für Unternehmen, die fünf oder gar sieben Tage die Woche ihren
Betrieb aufrechterhalten müssen. Diese Unternehmen arbeiten mit dem, was
wir Spiegelteams nennen. Das heißt, es gibt immer jemanden, der weiß, was
der Kollege oder die Kollegin macht, die frei hat und so einspringen kann.
Manche Unternehmen führten die Vier-Tage Woche nur teilweise ein. Sie
arbeiteten eine Woche fünf Tage und die nächste vier Tage. Das haben wir
zugelassen, um einen leichteren Einstieg zu ermöglichen.
Wie schaffen es die Unternehmen, den Betrieb mit weniger Stunden voll
aufrechtzuerhalten? Mit Neueinstellungen?
Nein. Nur in einem Fall, einem Kindergarten, wurde eine zusätzliche
Erzieherin eingestellt. Normalerweise war das nicht nötig.
Warum?
Der Arbeitstag wird besser genutzt. 75 Prozent der Unternehmen haben die
Arbeitsabläufe umgestellt. Manche Sitzungen wurden verkürzt oder ganz
abgeschafft, die Kommunikation besser strukturiert, die Technologie besser
eingesetzt, bis hin zur Schaffung von Zeitblocks, in denen nur gearbeitet
wird. Das heißt, in dieser Zeit werden keine Mails beantwortet, keine
Anrufe von Kolleginnen und Kollegen entgegengenommen.
Also waren die Unternehmen gezwungen zu analysieren, was bisher als normal
und wohl auch als effizient galt?
Genau. Wir haben in den drei Monaten Vorbereitungsphase im Frühjahr immer
wieder damit geworben, dass die Vier-Tage-Woche genau das bewirkt, eine
Infragestellung von Althergebrachtem.
Warum machen die Unternehmen das nicht sowieso?
Weil es nicht nötig war. Erst das Projekt der Vier-Tage-Woche schaffte die
Notwendigkeit, den Arbeitsalltag besser zu strukturieren.
Das heißt aber auch, dass die Arbeiter und Angestellten mehr arbeiten
müssen in weniger Zeit?
Die Vier-Tage-Woche erhöht die Produktivität. Diese Umstellungen sind kaum
ohne die Belegschaft zu machen. Die Vier-Tage-Woche gibt den Arbeitern und
Angestellten einen Anreiz, mitzumachen, nämlich zusätzliche Freizeit.
Insgesamt ging die Wochenarbeitszeit um 12 Prozent zurück. Manche
Unternehmen verlängerten die vier verbleibenden Arbeitstage um jeweils eine
halbe Stunde. Andere verkürzten nur jede zweite Woche. Es war wesentlich
leichter, die Belegschaften davon zu überzeugen als die Unternehmen. Viele
Ideen der Umstrukturierung kam von den Beschäftigten selbst.
Wie fällt die Bewertung der Beschäftigten aus?
Durchweg positiv. In den 41 Unternehmen arbeiten um die 1.000 Personen. 200
haben wir befragt. Vor der Vier-Tage-Woche gaben 46 Prozent an, dass es
sehr schwierig sei, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen. Jetzt
sind es nur noch 8 Prozent. 65 Prozent der Befragten geben an, dass sie
mehr Zeit mit ihrer Familie haben, 60 Prozent widmen sich mehr als bisher
ihren Hobbys und 45 Prozent verbringen mehr Zeit mit Freunden. Hinzu kommt
der Gesundheitsaspekt. Angstgefühle und Beklemmung gehen um 21 Prozent
zurück, Müdigkeit um 23 Prozent, Schlafstörungen um 19 Prozent und
depressive Zustände um 21 Prozent. Die Indikatoren für Burnout sind 19
Prozent niedriger als vor dem Pilotprojekt. Insgesamt sinkt der
Krankenstand.
Die Gewerkschaften zeigten sich sehr zurückhaltend, als das Projekt
eingeführt wurde. Wie ist das zu erklären?
Die [3][Gewerkschaften] sind im Grunde sehr konservativ, was ihr
Verständnis von Arbeit angeht. Die Gewerkschaften in Portugal setzen mehr
auf eine generelle Arbeitszeitverkürzung, auf die 35-Stunden-Woche. Die
Vier-Tage-Woche ist da wesentlich flexibler. Sie verändert die
Arbeitsabläufe, individualisiert Arbeitszeit je nach Unternehmen. Außerdem
ist es eine Initiative, die von der Unternehmerseite vorangetrieben wird.
All das macht es nicht leicht die Gewerkschaften für ein Projekt wie das
unsere zu gewinnen.
Jetzt, mit dem Zwischenbericht, ändert sich das, oder?
Ja, im Februar wird es eine erste Gewerkschaftskonferenz in Portugal zur
Vier-Tage-Woche geben. Und die IG Metall in Deutschland unterstützt seit
Frühjahr die Idee einer Vier-Tage-Woche. Da die IG Metall eine
Vorreiterrolle nicht nur für Deutschland hat, ist das sehr wichtig.
16 Jan 2024
## LINKS
[1] /Praxisversuch-zur-Viertagewoche/!5958173
[2] /Generation-Z-und-Arbeitsmoral/!5979594
[3] /Linkspartei-bei-der-Europawahl/!5956653
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Arbeitszeit
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Soziale Medien
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