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# taz.de -- Erste Einzelausstellung von Kenny Dunkan: Die Geister sind präsent
> Aus wenig viel zu machen, gehört zur karnevalesken Kunst von Kenny
> Dunkan. In Frankfurt ist seine erste deutsche Einzelausstellung zu sehen.
Bild: Installationsansicht in Kenny Dunkans Ausstellung „BIDIM BLO!“, 2024
Kenny Dunkan sieht, was die Dinge werden könnten. Unzählige Perlenketten
etwa, die vielleicht kostbar, vielleicht auch nur Ramsch sind, bringt er
mit Fellanhängern, Spiegeln und Gliederketten zu überdimensionierten
Objekte zusammen. Sie könnten Räume schmücken oder Menschen, beispielsweise
zur Karnevalsfeier Mardi Gras.
Die Assoziation Karneval ist nicht falsch. Aber eher die karibische
Variante, die [1][des Mardi Gras in New Orleans]. Dunkan ist 1988 auf der
Insel Guadeloupe geboren und aufgewachsen, die dortige Karnevalskultur hat
ihn geprägt. Die Begabung, aus wenig Ausgangsmaterial viel zu machen, führt
er auch auf die eigene Familie zurück – keine Künstler, sondern Handwerker
seien der Familienmitglieder gewesen, wie er dem Magazin Coltesse erklärte.
Sein Vater habe viele Häuser gebaut. Nach dem Umzug nach Paris arbeitet
Dunkan als Ausstatter beim Fernsehen. Er weiß, wie man Illusionen schafft.
Seine jetzige Einzelschau, die erste in Deutschland, soll verschiedene
Bühnenräume zu einer Gesamtinszenierung verbinden: „Bidim blo“ heißt Ken…
Dunkans Ausstellung in der Frankfurter basis. „Bidim blo“ ist ein
lautmalerischer Ausruf aus dem Kreolischen, wenn etwas herunterfällt, aber
auch, wenn etwas oder jemand plötzlich erscheint.
Man durchschreitet zunächst eine Schleuse aus bläulichem Licht; drinnen ist
die Luft getränkt von einem zitronig-cremigen Geruch. Der Weg führt zu
einer großen Installation, menschenhafte Silhouetten schweben dort zwischen
Fotografien, Videobildschirmen und einer skulptural aufgetragenen
Stylingpaste auf einer beleuchteten Konstruktion.
## Unverschämt gut angezogen
So erscheinen körperlose Hüllen, wenngleich unverschämt gut angezogen. Mit
Ausnahme der Tabi-Schuhe des [2][Modelabels Maison Margiela] ist ihr Outfit
jedoch aus allerlei günstigen Materialien zusammenkonstruiert. Doch alles
glitzert, schimmert und leuchtet, auch die Anzugplättchen, die „Curl Care“
oder „Curl Love“ verheißen. Das krause Haar als Umstand, den es zu lieben
oder zu bändigen gilt – in jedem Falle wohl einer, der stets als Abweichung
thematisiert wird.
Wie die menschlichen Hüllen da so liegen im bläulichen Schein, werden
Assoziationen an eine Unterwasserwelt wach. Oder an die Überfahrten
afrikanischer Sklaven, die auf die karibischen Inseln verschifft wurden, wo
sie Frankreich durch Zwangsarbeit, insbesondere in der Zuckerproduktion,
viel Reichtum einbrachten. Und zugleich bringt der Künstler hier kreolische
Geschichten, Bräuche und Vorstellungen einer Welt ins Schwingen, die keine
streng dualistische ist.
Kenny Dunkans Kunst bewahrt sich eine Ambivalenz. Wenn koloniale Themen
auftauchen, dann nicht zum Abnicken oder zwecks Katharsis. Sondern als
unumstößlicher Fakt, der Teil der eigenen künstlerischen Erzählung wird.
Das in Verruf geratene Prinzip Autorenschaft ist keineswegs passé.
Die Geister der Vergangenheit schauen ohnehin immer wieder vorbei: Wie der
aus Leder, Kupfer oder PVC zusammengenähte „solid boi“. Für Dunkan ist er
ein Vertreter der Nèg Marron, jener Sklaven afrikanischer Deszendenz, die
fliehen konnten und fortan als freie Menschen vom Untergrund aus gegen die
französische Herrschaft kämpften.
## Alles auf einmal
Es geht Dunkan, sagt er, um das sinnliche Gesamterlebnis: Viele
verschiedene Eindrücke, alles auf einmal. Skulpturale Arbeiten und
Videoscreens, Rauminstallation, Licht, Geräusche und Gerüche können
einbezogen werden. Die Spielfreude merkt man seiner Kunst an.
Und sie will einnehmen statt exkludieren. Unentrinnbare Präsenz entwickelt
der letzte Ausstellungsraum. Der wirkt mit dramatischer Rundumtapezierung
und donnerndem Sound klaustrophobisch. Eine Magmahölle, im Inneren des
Vulkans? Tatsächlich sind es die rot-weiß-schwarz zerfließenden Glasuren
von Vasen der Fat-Lava-Ära, die auf die Oberflächen von Wand und Mobiliar
reproduziert wurden.
Auch seinen eigenen Körper bringt Dunkan lustvoll in die Ausstellung ein.
Die Fassade des ehemaligen NSDAP-Gebäudes, heute Sitz des
Ausstellungshauses basis, ziert ein Selbstporträt des Künstlers: Braune
Haut gegen Braunes Haus nennt er seinen bestechenden Konter.
21 Feb 2024
## LINKS
[1] /New-Orleans-Album-von-Dawn-Richard/!5770997
[2] /Doku-ueber-Designer/!5716017
## AUTOREN
Katharina J. Cichosch
## TAGS
Bildende Kunst
Ausstellung
Frankfurt
Karibik
Sklaverei
Bildende Kunst
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Oper
Postkolonialismus
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