# taz.de -- Rezession in Deutschland: Wie Firmen wieder fitter werden | |
> Von 2010 bis 2019 boomte die Wirtschaft in Deutschland. Aber inzwischen | |
> scheint sie immer mehr zu kränkeln. Drei Probleme, drei Lösungsansätze. | |
Bild: Die Bundesregierung fördert den Umstieg von Steinkohle auf Wasserstoff e… | |
Berlin taz | Das [1][Wachstum in Deutschland stagniert] – mehr oder | |
weniger. Zwar ist die hiesige Wirtschaft einigermaßen intakt aus der | |
Coronakrise herausgekommen, doch nun schränkt die Industrie ihre Produktion | |
ein, wie das Statistische Bundesamt gerade wieder mitteilte. So stellen | |
sich Fragen: Gibt es grundsätzliche Probleme, wo liegen sie? Und was ist zu | |
tun? | |
Problem 1: mehr Kosten, weniger Nachfrage. Viele einheimische Firmen leiden | |
unter gestiegenen Preisen. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine | |
ist beispielsweise [2][Energie zwischenzeitig deutlich teurer geworden]. | |
Hinzu kommt eine [3][Inflation, die das Preisniveau insgesamt anhebt]. Ein | |
dritter Faktor sind höhere Zinsen, die die Zentralbanken festsetzen, um die | |
Inflation zu drücken. Sie verteuern Investitionen in Modernisierung. Die | |
gestiegenen Kosten treffen auf eine schwächere Nachfrage – denn die | |
Weltwirtschaft lief schon mal besser. Deutsche Unternehmen drückt das | |
besonders. | |
Lösung: weniger Steuern. Steigen die Kosten zu stark, kann der Staat zur | |
Reduzierung beitragen, indem er die Steuern für Unternehmen verringert. | |
Union und FDP verlangen das seit Langem. Neuerdings [4][hat auch | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine gewisse Bereitschaft | |
signalisiert]. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bremst. Eine Rolle | |
dürfte dabei spielen, dass Steuersenkungen zunächst Einnahmeausfälle für | |
die öffentlichen Haushalte verursachen. | |
Problem 2: zu wenige Investitionen. Zu den grundsätzlichen Problemen der | |
hiesigen Wirtschaft gehört, dass das Wachstum des Produktionspotenzials | |
abnimmt. Stieg es in den nuller Jahren zum Beispiel um 1 Prozent jährlich, | |
beträgt das Plus jetzt nur 0,5 Prozent. Ein Grund dafür sind geringe | |
Investitionen durch den Staat und die Unternehmen. „Viele aktuelle Studien | |
weisen auf eine gesunkene Produktivität hin“, erklärt außerdem Ökonomin | |
Almut Balleer vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Das heißt: | |
Der technische Fortschritt und seine Umsetzung haben sich verlangsamt. | |
Gleichzeitig steckt Deutschland in einem größeren Strukturwandel, auf den | |
Professorin Hanna Hottenrott vom Zentrum für Europäische | |
Wirtschaftsforschung (ZEW) hinweist. Alte Produkte wie Erdgasheizungen | |
haben ihren Höhepunkt hinter sich, [5][während die Verbreitung neuer, etwa | |
der Wärmepumpen, noch am Anfang steht]. | |
## Der Staat muss ran | |
Lösung: Anreize für Innovationen. Forscherin Balleer sagt: „Investitionen | |
von Unternehmen können durch staatliche Hilfe gefördert werden.“ In diesem | |
Sinne hat die Ampelregierung das sogenannte Wachstumschancengesetz auf den | |
Weg gebracht. Unternehmen sollen Ausgaben für Modernisierungen schneller | |
von der Steuer absetzen können, wodurch Investitionen attraktiver werden. | |
Das Gesetz hängt in Verhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat fest – | |
manche Bundesländer beklagen zu hohe Steuerausfälle. | |
Um die Investitionstätigkeit anzufachen, können auch gezielte Zuschüsse des | |
Staates helfen. So fördert die Bundesregierung den [6][Umstieg von | |
Steinkohle auf Wasserstoff etwa in der Stahlproduktion], indem sie | |
Unternehmen wie Thyssenkrupp, Salzgitter AG oder ArcelorMittal Milliarden | |
Euro Subventionen zahlt. Zu guten Rahmenbedingungen gehören auch effektive | |
Genehmigungsverfahren. | |
Problem 3: fehlende Arbeitskräfte. Zwar steigt die Zahl der Erwerbspersonen | |
immer noch, doch die Arbeitszeit pro Kopf sinkt. Und die geburtenstarken | |
Jahrgänge der 1960er Jahre gehen bald in den Ruhestand. Gleichzeitig | |
wandern zu wenige Leute ein, um den Verlust auszugleichen. | |
Lösung: Bildung und Einwanderung. Ökonomen empfehlen, die Einwanderung von | |
Arbeitskräften zu erleichtern. ZEW-Forscherin Hottenrott mahnt | |
Investitionen in Bildung und Weiterbildung an. Diese erscheinen dringend: | |
40 bis 60 Prozent der Beschäftigten müssten sich darauf einstellen, dass | |
[7][die sogenannte künstliche Intelligenz ihre Arbeitsplätze verändere], | |
teilte der Internationale Währungsfonds kürzlich mit. | |
9 Feb 2024 | |
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[1] /Oekonom-zur-Konjunktur-2024/!5981684 | |
[2] /Mehrwertsteuer-Wiederanhebung-auf-Gas/!5969586 | |
[3] /Inflationsrate-in-der-Eurozone/!5983732 | |
[4] /Steuerentlastungen-fuer-die-Wirtschaft/!5987263 | |
[5] /Austausch-fossiler-Heizungen/!5977133 | |
[6] /Stahlsparte-von-Thyssenkrupp/!5963969 | |
[7] /Forschung-mit-kollaborierenden-Robotern/!5917043 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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