# taz.de -- Amphibientunnel in Hamburg: Für ein paar Kröten mehr | |
> In Blankenese lässt man sich den Artenschutz ordentlich was kosten. Ein | |
> Amphibienleitsystem bringt Kröten sicher zu ihren Laichgründen. | |
Bild: Um sicher unter der Straße durchzukommen: Leitsystem für Kröten | |
HAMBURG taz | Die Kröten wandern wieder. Das erkennt man an den flachen | |
grünen Kunststoffbarrieren, die irgendwann im Februar an den Rändern der | |
zumeist viel befahrenen Hauptstraßen auftauchen, die die Orte verbinden. | |
Und an den Schildern mit Krötensymbol drauf. Mit dem „[1][großen Ansturm | |
ist ab Ende Februar zu rechnen]“, schreibt der Nabu Niedersachsen über die | |
jährliche Amphibiensaison, was irgendwie weltläufiger klingt als: Kröten | |
hüpfen über Felder und durch Wälder zu ihren Laichgründen. | |
Die ersten Tiere sind aber bereits jetzt unterwegs. Ein paar grüne Zäunchen | |
stehen schon parat, und bald werden die Freiwilligen vorbeikommen, um die | |
Kröten auf die andere Straßenseite zu tragen. Früher haben sie das in | |
Hamburg-Blankenese auch so gemacht, das brauchen sie jetzt nicht mehr. | |
In dem Stadtteil, der oben auf dem Elbhang thront und sich zum Fluss | |
ergießt, hat der Bezirk Altona Krötentunnel finanziert, damit die Tiere auf | |
ihrer Wanderung zu ihrem Tümpel – beziehungsweise etwas unromantisch ins | |
hiesige Regenrückhaltebecken – nicht überfahren werden. Und damit die | |
Menschen keine Kröten mehr tragen müssen. | |
Vier solcher Tunnel sind es plus insgesamt mehr als 400 Meter | |
Amphibienleitsystem aus Beton und Stahl. Einer der Tunnel leitet die Tiere | |
unterm Falkensteiner Weg hindurch. Die Fahrradstraße verbindet den Ort oben | |
mit dem Elbstrand unten. Die Straße den Hang rauf ist so steil, dass man | |
zwischendurch absteigen und schieben muss, es sei denn man ist | |
Profiradfahrerin. Im Sommer ist es hier fantastisch, nicht allzu viele | |
Menschen verirren sich an den weißen Strand, weil die Fahrt von der Stadt | |
mit dem Rad schon so 40 Minuten dauert und man mit dem Wagen nicht her | |
darf. Einen Kiosk mit ein paar Tischen draußen gibt es, der ist jetzt | |
verrammelt. Hamburgs schönster Campingplatz ist auch nicht weit, direkt am | |
Strand kann man sein Zelt aufstellen. | |
An diesem Februarnachmittag ist nur eine Säge zu hören und etwas Gehämmere. | |
Oben auf dem Hang bauen sie gerade riesige bläulich verspiegelte | |
Fensterfronten in ein Haus mit einer Backsteinfassade ein, die so dunkel | |
ist wie der Wald drumherum. Eine Frau geht mit tief in die Stirn gezogener | |
Mütze vorbei. „Moin,“ „Moin.“ Als ich sie im Vorbeigehen noch frage, o… | |
den Krötentunnel kennt, schaut sie mich bloß befremdet an und stapft | |
wortlos weiter den steilen Hang rauf. Vielleicht hab ich auch bloß | |
genuschelt und sie hat mich nicht verstanden. | |
Ich finde es dann auch so, das Amphibienleitsystem am Straßenrand, mit | |
Blick auf die dahinfließende Elbe. Es besteht an dieser Stelle aus etwa | |
wadenhohen hellgrauen Betonmauern, die die Kröten zu einem Tunneleingang | |
leiten, durch den sie dann sicher unter der Straße auf die andere Seite | |
gelangen. Die Mauern sind an einigen Stellen mit nassem Laub bedeckt und | |
dreckig, bilden auf beiden Seiten ein weitläufiges V, das im Tunneleingang | |
mündet. | |
Weiß man nicht, was man hier vor sich hat, man könnte das | |
Amphibienleitsystem auch einfach für ein Abflusssystem oder so etwas | |
halten. An einem Baumstamm pinnt ein Zettel, von weitem denke ich, dass da | |
sicher erklärt wird, was das hier sein soll. Aber da bietet bloß jemand | |
Hundesitterdienste an. | |
Kröten sind auch keine in Sicht. Ich gehe in die Hocke, um einen Blick in | |
den Tunnel zu werfen. Auch da sind keine Kröten zu sehen, der Tunnel ist | |
nur voll mit Laub, und ansonsten ist es da drin schwarz wie die Nacht. | |
## Ein Tunnel für eine halbe Million | |
Die Kosten für das Krötentunnelsystem von fast einer halben Million Euro | |
haben die üblichen Verdächtigen auf den Plan gerufen: Den Bund der | |
Steuerzahler, der Zweifel anmeldet, ob die Maßnahme am Falkensteiner Ufer | |
und am Falkensteiner Weg überhaupt notwendig sei. Und die örtliche FDP, die | |
über falsche Prioritätensetzung des grün geführten Bezirksamts Altona und | |
über Über-das-Ziel-hinaus-Geschieße meckert. Die Leiterin des Bezirksamts, | |
Stefanie von Berg (Grüne), sagte jedenfalls im Spiegel: „Uns und ganz | |
persönlich mir ist es das wert.“ | |
Nun ist hier wirklich wenig bis gar kein krötengefährdender Autoverkehr. | |
Nur Anlieger, und von denen gibt es wenige, dürfen mit dem Wagen herfahren. | |
Anders war das im April 2013, als hier noch keine Fahrradstraße war und man | |
rund 300 Fahrzeuge pro Tag zählte und daraus die Notwendigkeit des Tunnels | |
abgeleitet wurde. Heute parkt hier nur ein einsamer dunkelgrauer Wagen halb | |
auf der Straße, halb im Matsch. | |
Man kann sich irgendwie schon fragen, ob es angemessen ist, fast eine halbe | |
Million Euro für ein paar hundert Kröten auszugeben. Ich find doch. Jede | |
nicht plattgefahrene Kröte ist ja irgendwie eine gute Kröte. | |
19 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://niedersachsen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/amphibien/amphibienwanderu… | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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