# taz.de -- Noise Cancelling in Kopfhörern: Stille gibt es bald als Pro-Version | |
> Kopfhörer mit Active Noise Cancelling (ANC) unterdrücken | |
> Umgebungsgeräusche. Lässt sich bald bestimmen, welche Geräusche wir | |
> durchlassen wollen? | |
Bild: Noise Cancelling geht auch ohne Kopfhörer | |
Manchmal ist die Welt einfach zu laut. Da quillt der Autolärm von der | |
Hauptverkehrsstraße ins Zimmer hinein, in der benachbarten Ferienwohnung | |
steigen alle paar Nächte Partys und bei der Bahn-Fahrt versorgt der Mensch | |
auf Platz 72 alle in der weitläufigeren Umgebung mit Details über seinen | |
letzten Krankenhausaufenthalt. Die Sehnsucht nach Stille ist | |
dementsprechend groß. Daraus hat die Industrie das gemacht, was sie am | |
besten kann: ein Produkt. Stille lässt sich nicht nur im Schweige-Retreat | |
kaufen, sondern auch für den lauten Alltag. Sie hat große ovale Puffer für | |
die Ohren und hört auf den Namen ANC – Active Noise Cancelling, was sich | |
als aktive Lärmunterdrückung übersetzen lässt. | |
Nun haben diese Kopfhörer leider einen Haken. Denn sie sperren nicht nur | |
ungewollte, sondern auch gewollte Geräusche aus. Wer also nicht den | |
Verkehrslärm hören, aber schon mitkriegen will, wenn das Kind ruft, wer an | |
der Krankenakte des Herrn auf Platz 72 nicht interessiert ist, sehr wohl | |
aber an Durchsagen zu den Anschlusszügen, hat ein neues Problem. | |
Das hat zwar noch nicht die Industrie gelöst, aber die Wissenschaft. Ein | |
Team der Universität Washington hat ein System entwickelt, das mit | |
Künstlicher Intelligenz Klänge filtern kann. Wer die ANC-Kopfhörer mit | |
einer App verbindet, kann damit bestimmen, was durchkommt. | |
Also Autolärm nein, Vogelzwischern ja, Kühlschrankbrummen nein, Türklingel | |
ja. Was so leicht daherkommt, hat eine fast schon philosophische Seite: Wie | |
würde unsere Umwelt wohl klingen, wenn wir jederzeit darüber bestimmen | |
könnten? Und: Wie würde unsere Umwelt wohl aussehen, wenn wir darüber | |
bestimmen könnten? | |
## Sonnenschein auf Knopfdruck | |
Fans von [1][Augmented-Reality-Spielen] wie Pokémon Go kennen es schon, | |
dass virtuelle Fantasiewesen durch ihre ganz reale Welt hüpfen. Das Konzept | |
Filter-Kopfhörer ließe sich auf eine Brille mit Umweltfilter übertragen: | |
Wie schön wäre es, nervige Werbeplakate einfach ausblenden zu können? | |
Könnten die Bäume im tristen Winter nicht ein bisschen Grün vertragen? Und | |
überhaupt – muss es heute wirklich so grau sein? Klick – hier bitte, etwas | |
Sonne. Oh, das blendet so zu sehr? Kommt halt ein Wolkenschleier davor. | |
Man sollte wohl nicht zu lange darüber nachdenken, ob für Menschen in ihren | |
selbst zusammengestellten Welten [2][noch mehr Filterblasen entstehen | |
würden] – und schon gar nicht darüber, dass diese Technologie aller | |
Wahrscheinlichkeit nach von Konzernen angeboten würde, die unseren | |
akustischen und visuellen Stream dankbar auswerten und unsere neu gewonnene | |
Ruhe mit regelmäßigen [3][Werbe-Einblendungen] durchbrechen würden. | |
Außer natürlich, man zahlt für die Pro-Version, die zwar die ungewollten | |
Einblendungen stoppt, nicht aber das Datensammeln. Wobei: | |
Realistischerweise würde das den meisten Menschen eh egal sein. Fragen Sie | |
doch mal den Herrn von Platz 72. | |
2 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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