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# taz.de -- Hermes gegen „Hermès“: Der Gott der kleinen Händler
> Der türkische Buchhändler Ümit Nar legt sich mit dem Pariser
> Luxus-Konzern Hermès an. Beide verwenden für ihr Geschäft denselben
> Namen.
Bild: Links und sozial engagiert: Buchhändler Ümit Nar im eigenen Laden
Istanbul taz | Er ist leidenschaftlicher [1][Buchhändler]. Ümit Nars Kunden
bewundern sein ausgesuchtes Angebot antiquarischer Bücher, loben seine gute
Beratung und seine Findigkeit, auch seltene alte Bücher aufzutreiben. In
seinem gemütlich eingerichteten Antiquariat im Izmirer Bezirk Konak, unweit
der Promenade am Meer, kommt viel Laufkundschaft, auch um nur ein wenig zu
plaudern.
Sein Laden „Sahaf Hermes“ ist in der Stadt bekannt und Ümit Nar selbst, als
Vorsitzender des Verbandes türkischer Secondhand-Buchhändler, ebenfalls.
Ihm liegt viel an der Arbeit im Verband, als Vorsitzender fühlt er sich
verantwortlich für die Sahaflar–Vereinigung und ihren Mitgliedern. Letztes
Jahr haben sie eine große Kampagne zur Unterstützung der Sahafs, also der
Antiquariate und Secondhand-Buchhändler [2][in den Erdbebengebieten] im
Südosten des Landes gemacht. „Viele von deren Läden sind ja völlig
zerstört“, sagt Ümit Nar.
Der 51 Jahre alte Nar hat mit Freunden das Antiquariat-Festival
organisiert, wo die Händler aus den Erdbebengebieten sich präsentieren
konnten. Eines seiner Ziele als Antiquar ist es, alte osmanische Bücher,
Zeitschriften und Dokumente zu retten, indem er sie digitalisiert.
Seit Monaten ist er mit einem anderen Problem konfrontiert. Er kämpft um
den Namen seines Buchladens. Hermes, der Götterbote aus der griechischen
Mythologie, auch Gott der kleinen Händler, schien ihm schon vor 15 Jahren
eine gute Idee als Name für seinen Buchladen. Erst recht, als er 2020 sein
Geschäft [3][von Istanbul] nach Izmir verlegte, der alten, ursprünglich
griechischen Stadt Izmir/Ephesus.
## Eine „Anmaßung“
„Hermes, Zeus, Poseidon, die gehören doch alle als uralte Traditionsgüter
zu unserer Stadt“, sagt Nar, „wie kann sich da ein internationaler Konzern
anmaßen, den Namen Hermes für sich monopolisieren zu wollen?“. Im Kampf um
Hermes hat er sich mit dem französischen Großkonzern Hermes Paris angelegt,
einem Konzern für Luxuswaren mit einem Milliardenumsatz.
„Das Problem begann, als ich 2021 auf die Idee kam, meinen Buchladen „Sahaf
Hermes“ beim Patentamt als Marke registrieren zu lassen, erzählt Nar am
Telefon. „Kurz darauf erhielt ich einen Anruf eines Anwalts der Deris
Patent und Markenagentur, einer großen Kanzlei in Istanbul.
Er drohte und sagte, im Namen des französischen Hermes-Konzern habe seine
Kanzlei Einspruch beim Patentamt erhoben. Der Name Hermes sei weltweit für
den französischen Großkonzern vergeben. Ich solle meinen Antrag
zurückziehen und mir die Kosten für eine rechtliche Auseinandersetzung
sparen, ich würde sowieso verlieren.“
Nar ist empört. „Mein Laden heißt seit 15 Jahren Sahaf Hermes, warum soll
ich meinen Laden umbenennen? Viele Kunden, vor allem im Online-Verkauf,
kennen Sahaf Hermes, aber nicht meinen persönlichen Namen.“ Rein
geschäftlich wäre eine Namensänderung sehr schwierig.
Als Begründung, warum er seinen Laden nicht Hermes nennen darf, macht der
Luxuswarenkonzern geltend, es bestehe die Gefahr, dass sein Markenname
Hermes beschädigt werden könnte. Kunden könnten die Läden verwechseln. Oder
Hermes Paris könnte vielleicht zukünftig in seinen Läden auch mal Bücher
verkaufen. Nar würde den Namen Hermes missbrauchen.
Der Antiquar denkt nicht daran, aufzugeben. Er legte Widerspruch beim
Patentamt ein. Er sagt, eine Verwechselung zwischen einem Konzern, der
Lederhandtaschen für viele tausend Euro pro Stück verkauft, während er
Bücher für ein paar Cent anbietet, sei doch völlig ausgeschlossen ist.
„Noch nie“, sagt er, „hat jemand meinen Laden mit dem französischen Herm…
verwechselt.“ Der Konzern habe in Izmir gar keinen Store, sondern nur in
Istanbul.
## „David gegen Goliath“
Nar hat sich mittlerweile näher mit dem Geschäftsgebaren der Franzosen
beschäftigt. „Weltweit führt der Luxuswarenkonzern Prozesse, um zu
verhindern, dass ein anderes Geschäft Hermes im Namen führt. Einige
Prozesse haben sie aber auch verloren, es ist nicht so, dass sie sich immer
durchsetzen“, erzählt er.
In der türkischen Öffentlichkeit sind einige Medien mittlerweile auf die
Auseinandersetzung aufmerksam geworden. „David gegen Goliath“, titelte die
Tageszeitung Hürriyet. Nar freut sich, weil er tatsächlich den Kampf gegen
internationale Großkonzerne für eine politische Verpflichtung hält.
Als linker Buchhändler hat er Toni Negris letztes monumentales Werk
„Empire“ studiert, in dem Negri darlegt, wie sich internationale Konzerne
jedes kulturelle, soziale und natürliche Element der Erde als ihr Eigentum
einzuverleiben versuchen. „Dagegen müssen wir Widerstand leisten“, sagt
Ümit Nar.
„Ein internationaler Großkonzern darf einen Namen aus der griechischen
Mythologie, ein Kulturgut gerade für uns an der Ägäisküste, nicht für sich
monopolisieren.“ Eigentlich müsste das griechische Kulturministerium gegen
Hermes Paris klagen, findet er. Eine Anfrage der taz ließ der Konzern
unbeantwortet.
Nach zwei Jahren Auseinandersetzung vor dem Patentamt hat dieses
schließlich dem Einspruch von Hermes teilweise recht gegeben und eine
Verwechselungsmöglichkeit als gegeben angesehen. Nar muss demnach seinen
Buchladen nun umbenennen und darf unter dem Namen keinen Online-Handel mehr
betreiben.
Doch der Antiquar gibt sich nicht geschlagen und wehrt sich gegen die
Entscheidung. Er hat Klage vor einem Gericht in Ankara wegen
Urheberrechtsverletzung durch den Hermes-Konzern eingereicht. Das Gericht
hat die Klage akzeptiert, eine erste Verhandlung fand Anfang Februar statt.
Das Gericht hat einen Gutachter ernannt. Am 27. März ist der nächste
Prozesstag.
Vor wenigen Tagen, am 9. Februar, hat Hermes Paris seinen Geschäftsbericht
für 2023 vorgelegt. Hermes, so Geschäftsführer Axel Dumas, habe 2023 eine
außerordentliche Performance vorlegen können. Bei einem Umsatz von 13,4
Milliarden Euro weltweit wurde ein Profit von 4,3 Milliarden Euro erzielt.
Das Ergebnis sei so gut, dass die Geschäftsführung jeder Mitarbeiterin und
jedem Mitarbeiter weltweit einen Bonus von 4.000 Euro auszahlen will. Die
Dividende für die AktionärInnen wird natürlich auch erhöht.
23 Feb 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Buchhandel
Türkei
Luxusgüter
Markenschutz
Türkei
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Mieten
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